Ägypten wollte sich eigentlich als Ausrichter des ersten Gipfels zwischen Arabischer Liga und Europäischer Union feiern lassen. Doch bei der Abschlusspressekonferenz offenbaren sich plötzlich große Meinungsunterschiede.
Als es auf offener Bühne zum Eklat kommt, ist
Auf die Frage, ob er sich bewusst sei, dass die EU mit der Menschenrechtslage in seinem Land nicht einverstanden sei, lässt Al-Sisi den Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Ghait, das Wort ergreifen. "Nicht einer der Anwesenden" habe über die Unzufriedenheit mit der Menschenrechtslage gesprochen, behauptet der Ägypter.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker muss sich danach im Badeort Scharm el Scheich regelrecht das Wort erkämpfen, um klarzustellen, dass dies sehr wohl der Fall gewesen sei. "Einen Moment", ruft Juncker. "Ich war im Saal. Es stimmt nicht, dass wir nicht über Menschenrechte gesprochen haben." Er selbst habe das Problem bereits in seinem ersten Redebeitrag erwähnt und die Frage der Menschenrechte sei auch in allen bilaterale Treffen der Europäer mit den arabischen Staats- und Regierungschefs angesprochen worden.
Ein Zeichen an Russland, China und die USA
Juncker spielt damit darauf an, dass zum Beispiel unter der Führung Al-Sisis das Gipfel-Gastgeberland Ägypten mit harter Hand gegen Kritiker vorgeht. Tausende Menschen sitzen aus politischen Gründen in Haft, die Meinungsfreiheit ist massiv eingeschränkt. Auch in vielen anderen Ländern der Region werden die Menschenrechte mit Füßen getreten. Prominentes Beispiel ist der Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi, ausgeführt von einem saudischen Killerkommando in Istanbul.
Dass Bundeskanzlerin Merkel und Co trotzdem mit Al-Sisi und anderen umstrittenen Staats- und Regierungschefs eine Basis für Zusammenarbeit suchen, hat natürlich seine Gründe. Fast 50 Könige, Emire, Präsidenten und andere hochrangige Politiker kamen erstmals in diesem Format in Scharm el Scheich zusammen. Al-Sisi nannte das Treffen sogar "historisch". Das sollte die ziemlich allgemein gehaltene Abschlusserklärung in den Hintergrund rücken. Das vierseitige Dokument dürfte auch Merkels Laune weniger trüben als die hartnäckige Erkältung, die sie schon länger mit sich herumschleppt.
Ihr geht es im sommerlich warmen Badeort am Roten Meer um ein Zeichen in Richtung der Mächtigen in Washington, Peking und Moskau. Im weltweiten Durcheinander der Kräfte möchte sie zeigen, dass Europa gerade mit seinen schwierigen südlichen und südöstlichen Nachbarn stärker in Dialog kommen will - auch wenn diese Gesprächspartner etwa in Menschenrechtsfragen weit von dem entfernt sind, was mit westlichen Standards auch nur halbwegs in Einklang zu bringen ist. Europa, soll die Botschaft sein, will die Region als Einflusssphäre nicht ganz den Großmächten USA, China und Russland überlassen.
Applaus für Al-Sisi
Zudem weiß Merkel, dass politisches Chaos in Ländern wie Ägypten oder Algerien schnell in einer neuen Flüchtlingskrise enden könnte. "Das Schicksal der Europäischen Union hängt von dem Schicksal dieser Länder der Arabischen Liga auch ganz unmittelbar mit ab", sagt Merkel in Scharm el Scheich. Auch beim Thema islamischer Terrorismus sei man mit "gemeinsamen Herausforderungen" konfrontiert.
Als die Kanzlerin um kurz nach 12.00 Uhr das Wort vor den Teilnehmern ergreift, spricht sie die Lage in Libyen und im Jemen an. Mit Blick auf den Konflikt in Syrien ruft sie die arabischen Länder auf, gemeinsam mit der EU weiter auf einen politischen Wandel zu drängen - auch wenn dort Staatschef Baschar al-Assad den Bürgerkrieg im Land mit Hilfe des Irans und Russlands scheinbar gewonnen hat.
Auch das Thema Menschenrechte spricht Merkel an. "Ich habe in meinen Ausführungen deutlich gemacht, dass wir daran interessiert sind, dass es wirtschaftliche Prosperität gibt, dass ich aber auch davon überzeugt bin, dass das nur gelingt, wenn es starke Zivilgesellschaften gibt, wenn die Menschenrechte eingehalten werden", sagt sie nach ihren Redebeitrag vor Journalisten. Wie deutlich in Scharm el Scheich letztlich über das Thema Menschenrechte gesprochen wurde, blieb aber für die Öffentlichkeit unklar.
Am Ende der Pressekonferenz mit Al-Sisi und den Spitzen der EU tun zumindest die ägyptischen Journalisten so, als hätte es den Eklat um das Thema nicht gegeben. Als Al-Sisi seine Politik mit einem eindringlichen Hinweis auf die Terrorgefahr verteidigt und zum Respekt für die Werte seines Landes aufruft, antworten die einheimischen Journalisten mit langem Applaus.
EU-Ratspräsident Donald Tusk reagiert mit Worten, die auch als bittere Ironie verstanden werden können: "Ich schätze wirklich, wie enthusiastisch die Medien in Ägypten sind. In Europa ist es unmöglich, eine solche Reaktion zu bekommen", sagt er zu Al-Sisi. "Glückwunsch." © dpa
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