Erstmals seit vier Jahren besucht Russlands Präsident Wladimir Putin die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Etwas verspätet - um 18:30 Uhr - kommt Putin zu Petro Poroschenko und François Hollande hinzu. Die Erwartungen an das Gipfeltreffen sind angesichts der Eskalation im Syrien-Krieg gering. Am Ende könnte Putin der einzige Nutznießer sein.
Sprechen sei "immer wieder notwendig", sagte die deutsche Bundeskanzlerin
Erstmals seit vier Jahren besucht das russische Staatsoberhaupt Berlin. Offiziell, um über den weiter schwelenden Ukraine-Konflikt zu sprechen. Ebenfalls geladen sind die Staatschefs der Ukraine und Frankreich, Petro Poroschenko und François Hollande.
Am Rande wird aber erwartet, dass Merkel und Hollande wegen der militärischen Eskalation in Aleppo mit Putin über den Syrien-Krieg sprechen werden. Angesichts des angespannten Verhältnisses zwischen Moskau und dem Westen eine schwierige Gratwanderung. Führt Russland die EU und die USA an der Nase herum? Was sind Putins Ziele in der Ukraine und in Syrien? Und was bezweckt Merkel mit dem Gipfeltreffen?
"Große Chance für Merkel"
Für Wladimir Putin ist die Einladung nach Berlin eine Genugtuung. Zuletzt wurde er wegen der Kriege in der Ukraine und in Syrien immer wieder an den Pranger gestellt. Westliche Politiker werfen ihm nach Angriffen auf Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen in Aleppo, die Moskau stets dementierte, Kriegsverbrechen vor. Sogar von neuen Sanktionen ist schon die Rede.
Von Isolation könne angesichts der deutschen Einladung keine Rede sein – so sieht es Moskau. Der russische Politologe Viktor Mironenko bewertet es bereits als Erfolg, dass die Verhandlungen überhaupt stattfinden. "Merkel hält den Gesprächskanal zu Russland offen, während es mit den USA und Frankreich keinen wirklichen Dialog mehr gibt", sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Das sei die große Chance des Treffens für Merkel. Sie will jede Möglichkeit ausschöpfen, um Fortschritte zu erzielen. Man dürfe von dem Treffen "keine Wunder erwarten", warnt indes die Bundeskanzlerin. "Es geht um eine Bestandsaufnahme, auch schonungslos, wo sind wir", sagte Merkel.
Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), rechnet mit neuem Schwung für den Friedensprozess in der Ukraine. Die Minsker Friedensvereinbarungen von 2014 und 2015 sollen endlich verbindlich umgesetzt werden. Im Bürgerkrieg zwischen pro-russischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ostukraine kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Scharmützeln. Die Waffenruhe ist brüchig. Russland wird die direkte militärische Unterstützung der Separatisten vorgeworfen.
In Syrien sorgte die Eskalation in Aleppo, wo vermutlich russische Jets Angriffe auf syrische Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen flogen, für Entsetzen. Der russischen Rüstungsindustrie hat das Präsentieren der eigenen Waffen neue Aufträge beschert - für die durch die westlichen Sanktionen geschwächte Wirtschaft ein wichtiger Impuls.
Politisch fühlt sich Moskau unter anderem durch die Osterweiterung von EU und Nato in die Enge getrieben. Durch die aggressive Außenpolitik versucht die einstige Supermacht, Grenzen neu auszuloten und die eigene Bedeutung vor allem gegenüber Washington wieder zu erhöhen. "Dreh- und Angelpunkt russischen außenpolitischen Denkens sind die USA", erklärt Dr. Stefan Meister, Osteuropa-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik aus Berlin.
"Klare Ansagen und Konsequenzen"
Was wird der Gipfel am Ende bringen? Wenn bei den Gesprächen nichts herauskommt, könnte am Ende einzig Putin profitieren, indem er das Treffen als positives Signal einer russisch-westlichen Annährung verkauft. "Vermutlich will der Kreml mit der Teilnahme zeigen, dass er verhandlungsbereit ist, und der Westen wird Russland wieder Vorwürfe machen", dämpft der Moskauer Politologe Jewgeni Mintschenko die Erwartungen.
Dass Merkel und Hollande ihren russischen Kollegen auf dem Gipfel tatsächlich "einfangen" können, darf bezweifelt werden. Eher müssen sie aufpassen, nicht gegeneinander ausgespielt zu werden, wie es Russland in der Vergangenheit vielfach mit anderen EU-Mitgliedern gelang. "Es braucht klare Ansagen und Konsequenzen für Nichteinhaltung von Absprachen", beschreibt Kreml-Kenner Meister ein Rezept für den Umgang mit Russland.
"Alles andere bleibt Krisenmanagement und Beschwichtigungspolitik, führt aber nicht zu einer Lösung der Konflikte." Halbherzige oder widersprüchliche Politik werde als solche erkannt und provoziere Reaktionen der russischen Führung. Schwierige Vorzeichen also für das Berliner Gipfeltreffen.
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