Gipfeltreffen zur Flüchtlingskrise: Bundeskanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer müssen liefern. Der Druck ist gewaltig. Es geht um die Zukunft der Bundesregierung.

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Wie gehen wir vor? Diese Frage will die Große Koalition in der Flüchtlingskrise endlich beantworten.

CDU/CSU und SPD suchen nach einem Kompromiss. Dafür muss die Bundesregierung ihren Streit überwinden.

Der Druck wächst. "Mehr Einigkeit in der Koalition ist unabdingbar", sagte der Präsident des Industrieverbandes BDI, Ulrich Grillo und dann noch deutlicher: "Es kann nicht sein, dass man Wahlkampf betreibt und sich über die Worte 'Transitzonen' oder 'Einwanderungszentren' streitet." Doch genau das geschieht.


Nun also kommt es zum Gipfeltreffen mit Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer. Was besprochen wird? Ob selbst Neuwahlen vorstellbar sind? Und wie Zugeständnisse aussähen? Hier sind die Antworten.

Was wird beim Gipfeltreffen besprochen?

Der Koalitionsstreit dreht sich vor allem um die Einrichtung grenznaher Transitzonen für Asylsuchende mit geringen Bleibechancen, wie sie die Union fordert.

Zudem wird über schnellere Verfahren für Flüchtlinge verhandelt, die Aussicht auf Asyl haben. Bisher dauern die Asylverfahren bis zu einem halben Jahr.

Am Abend trifft sich die Kanzlerin mit den Länderchefs. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hofft auf eine Beschleunigung der Verfahren. Er erwarte eine Einigung darüber, "dass es einen sogenannten Flüchtlings- oder Asylausweis gibt, mit dem die Verfahren deutlich entschlackt werden können."

Weitere Themen, die auf der Agenda stehen, sind konkrete Maßnahmen zur Sprachförderung und Wohnungsbau.

Sind Neuwahlen ein realistisches Szenario?

Aktuell nein. Grundsätzlich schon. Die Verfassung, das Grundgesetz, sieht hierfür zwei Szenarien vor.


Entweder der Bundespräsident löst den Bundestag auf Vorschlag des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin binnen 21 Tagen auf, insofern dieser/diese bei einer Vertrauensfrage im Parlament keine Mehrheit bekommt. Dies gilt aber als sehr unwahrscheinlich.

Für Merkel geht es in der Mitte ihrer dritten Legislaturperiode um ihr politisches Vermächtnis. Dieses ist eng mit dem Erfolg Europas und damit der Flüchtlingsfrage verknüpft.

Zum anderen gibt es die Möglichkeit des sogenannten konstruktiven Misstrauensvotums. Mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages oder eine ebenso große Fraktion müssen die Abwahl des Regierungschefs und gleichzeitig einen Nachfolger vorschlagen.

Die Hürden sind hoch. Erstens, muss sich die absolute Mehrheit der Mandatsträger dafür aussprechen, zweitens, der Bundespräsident dieser Wahl zustimmen.

Zwar haben SPD, Grüne und Linke mit 320 Stimmen die Mehrheit, dennoch gilt auch diese Variante als ausgeschlossen – zumindest aktuell.

Welche Positionen haben die Parteien zum Streitthema Transitzonen?

Die Union fordert diese an der Grenze zu Österreich. Es handelt sich um riesige Aufnahmezentren, in denen die Ankommenden nach Bleibeberechtigung selektiert werden.


Solche "Lager" sorgen alleine wegen der Geschichte für Unmut. Die SPD nennt diese gar "Haftlager" und fordert ihrerseits dezentrale Einreisezentren.

Diese könnten demnach weiter im Bundesgebiet liegen, die Asylsuchenden mit Bussen über die Grenze dort hingebracht und auch erst dort registriert werden.

Wie weit die Positionen auseinander liegen? Vize-Kanzler Gabriel meinte jüngst, CSU-Chef Seehofer habe "wahnwitzige" Vorschläge unterbreitet und wolle eingezäunte exterritoriale Zonen errichten.

Welche Konfliktpunkte scheinen unüberwindbar?

Ein Streitthema sind die sogenannten Balkanflüchtlingen aus Ländern wie Albanien, Serbien oder dem Kosovo. Diese dürften in den meisten Fällen kein Recht auf Asyl haben.

Die CSU würde sie am liebsten direkt wieder zurückweisen. Wie mit ihnen verfahren wird, ist maßgeblich für eine Lösung zum Thema Transitzonen. Ansonsten scheint nichts unüberwindbar.

Die Große Koalition droht an der Flüchtlingskrise zu scheitern, sollte sie nicht bald Lösungen präsentieren. Das fördert die Kompromissbereitschaft.


Wer müsste welche Zugeständnisse machen?

Vor allem die Union. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir zu einer Einigung kommen. Wir haben uns schon über ganz andere Dinge verständigen können", sagte die SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht im "ARD-Morgenmagazin".

Ihrer Meinung nach bewege sich die Union bereits. Deren Vorschlag von Transitzonen würde nur noch etwa 2,5 Prozent der Flüchtlinge betreffen. Und genau hier liegt die Schmerzgrenze der SPD.

Welcher Ausgang wird erwartet?

Ein Kompromiss. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte dem Fernsehsender "n-tv": "Ich bin ganz sicher, dass wir zu einem Ergebnis kommen." Eine Alternative gibt es nicht.

Die Regierung droht jegliches Vertrauen in der Bevölkerung einzubüßen. Eine unbürokratische Registrierung, schnellere Asylverfahren, abgespeckte Transitzonen, die Finanzierung der Integration - das alles soll und muss auf den Weg gebracht werden.

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