Politische und wirtschaftliche Veränderungen ziehen am Horizont auf, der Brexit betrifft auch uns Deutsche elementar. Doch: Er birgt nicht nur negative Konsequenzen, sondern auch Chancen. So könnte Deutschland nun gemeinsam mit Frankreich als Zugpferd agieren, um überfällige Reformen in die Wege zu leiten.
Der Brexit hat zunächst einmal die Wirtschaft getroffen. Nach Informationen des "Business Insiders" sind einzelne Branchen Deutschlands dabei unterschiedlich stark von geringeren Exporten in das Vereinigte Königreich betroffen. Der größte Rückgang würde die Kfz-Branche treffen.
Insgesamt befürchtet der Außenhandelsverband BGA Wohlstandsverluste. Im vergangenen Jahr war Großbritannien laut Statistischem Bundesamt mit knapp 90 Milliarden Euro der drittwichtigste Exportmarkt für Deutschland. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags hängen etwa 750.000 Arbeitsplätze in der Bundesrepublik von den Exporten auf die Insel ab.
Deutschland wird für USA immer interessanter
Politisch betrachtet hat der Austritt der Briten ebenfalls Folgen für Deutschland. Und öffnet dabei auch Türen. Zum Beispiel in den bilateralen Beziehungen zu den USA. "Da Großbritannien der EU den Rücken zukehrt, werden die Amerikaner verstärkt auf Deutschland und Frankreich setzen", erklärt Dr. Isabelle Borucki vom Politik-Lehrstuhl an der Uni Trier in einem Gespräch mit unserer Redaktion.
"Durch den Brexit ist mit Großbritannien der Anwalt der USA in der EU weggebrochen", sagt Borucki. Die Vereinigten Staaten könnten nun nicht mehr wie bisher indirekten Einfluss auf die EU nehmen.
Da die Bundesrepublik gleichzeitig auch noch die größte Volkswirtschaft stellt, dürfte das Interesse an Deutschland seitens der Amerikaner weiter steigen. Laut Borucki könnten sich außerdem Deutschlands Beziehungen zu China verbessern.
Wichtigstes Land in der EU
Auch eine Folge des Brexits ist die weiter gestiegene Bedeutung Deutschlands in der Europäischen Union. "Das sollte ein Signal für Deutschland als wichtigstes Land in der EU sein, um die überfälligen Reformen der EU-Institutionen in die Wege zu leiten", sagt Borucki. Dazu müsse der deutsch-französische Motor wieder anspringen.
Deutschland habe die Chance, als Zugpferd zu agieren, um das Demokratiedefizit in der EU zu beheben. Auch, um einem möglichen Domino-Effekt vorzubeugen. "Deutschland ist nun gefordert, eine mögliche rechtspopulistische Kettenreaktion abzuwenden", so Borucki.
Der Austritt der Briten hat bereits EU-Gegner in anderen Staaten beflügelt. Sie dürften aufgrund der Abstimmung in Großbritannien jetzt noch schärfer gegen die EU und den damit verbundenen Weisungszwang vorgehen.
Denn: "Die Rechtspopulisten gehen auf Stimmenfang, indem sie dem Volk versprechen, den Staaten ihre nationale Souveränität zurückzugeben", so Borucki. Rechtspopulist Geert Wilders hat bereits kurz nach Bekanntgabe der Auszählung in Großbritannien ein Referendum in den Niederlanden gefordert. Die Front National in Frankreich, die FPÖ in Österreich und die AfD stellten ähnliche Forderungen.
Immobilienmarkt könnte profitieren
Weil viele ausländische Banken mit ihren Büros in London jetzt außerhalb der EU sitzen, könnten sie ihre Europa-Zentralen durch den Brexit verlagern. Dabei könnte Frankfurt einer der großen Gewinner werden. Dort befindet sich bereits die Europäische Zentralbank (EZB). Nach Informationen des "Tagesspiegels" könnte auch die Deutsche Bank rund 9.000 Händler, die derzeit für sie in London arbeiten, nach Frankfurt holen.
Doch nicht nur der Finanzsektor, auch der deutsche Immobilienmarkt könnte vom Brexit profitieren. Sollten die Londoner Immobilien stark an Wert verlieren, könnten ausländische Anleger ihr Geld in Deutschland investieren. Doch dafür muss sich die Branche sehr gut auf die neue Situation vorbereiten und die Bedingungen für Investoren verbessern, erklärt Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), in einer Pressemitteilung.
Reisende müssen vorsorgen
Die EU hat das Reisen erheblich erleichtert - doch was wird daraus? Schon jetzt kooperiert Großbritannien lediglich mit dem Schengenraum, ist aber kein Teil von ihm. Nach dem Brexit könnte es sein, dass deutsche Touristen ab sofort wieder einen Reisepass benötigen, um auf die Insel zu kommen. Das gleiche gilt für ein Visum. Das müsste im Vorfeld des Urlaubs beantragt werden. Spontanreisen nach London wären damit nicht mehr möglich.
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