Der Termin für den Beginn des Brexit steht – laut britischer Regierung. Doch die Frage bleibt, ob diese den EU-Austritt wie geplant durchbringt. Und um welche Streitpunkte es hauptsächlich geht. Wir haben die wichtigsten Punkte für Sie zusammenstellt.
Die Eiserne Lady. Unter diesem Synonym ging die einstmals knallharte britische Premierministerin Margret Thatcher in die Geschichte ein. In diesen Tagen wirkt es, als arbeite eine weitere Spitzenpolitikerin aus dem Vereinigten Königreich an eben diesem Ruf:
Zuletzt sprach die 60-Jährige von einem "harten" Brexit, kündigte an, das formelle Austrittsgesuch bis Ende März einreichen zu wollen. Es wäre der Startschuss für die Scheidung von der EU. Noch ist nicht geklärt, wie lange diese wohl dauert und welche Folgen die EU-Bürger erwarten. Und ob alles so einfach vonstattengeht, wie es die Briten vermuten.
Wofür steht das "hart" beim Brexit?
May gilt als Hardlinerin, eine, die den Brexit durchboxen will, komme, was wolle. Auf dem Parteitag der Tories, der Konservativen, versprach sie den Briten eine kompromisslose Verhandlungsstrategie Londons. Großbritannien werde bei den Austrittsgesprächen seine Unabhängigkeit nicht "wegverhandeln", sagte sie. Sie selbst wird innerhalb ihres Lagers Eingeständnisse machen müssen. Hauptsächlich geht es dabei um eine Beschränkung der Zuwanderung von EU-Bürgern, wie sie der rechte Rand fordert.
Wie lange dauert der Brexit nun wahrscheinlich?
Wenn es nach May geht, bringt sie den Brexit schneller durch als angenommen. Laut EU-Recht sind zwei Jahre vorgesehen. Klingt lange. In der Politik ist es aber ein enorm begrenzter Zeitraum. "n-tv.de"-Autor Hannes Vogel kommentierte, May mache "viel Lärm um Nichts". Worten seien keine Taten gefolgt, eine Strategie sei nicht erkennbar. Vogel: "Die Premierministerin zieht rhetorisch die Zugbrücken nach Großbritannien hoch, ihre Anhänger sind begeistert. Doch wie der Brexit praktisch umgesetzt werden soll, sagt sie nicht."
Kommt es innerhalb von zwei Jahren nicht zur Einigung, büßt Großbritannien unmittelbar seine EU-Privilegien ein, zum Beispiel Subventionen für die Landwirtschaft. Auch Handelsverträge wären sofort außer Kraft gesetzt. Ein Horrorszenario. May will deshalb im Frühjahr ein Aufhebungsgesetz durch das britische Parlament bringen. Einem solchen Gesetz muss aber die Opposition zustimmen, namentlich die Labour Party, die May scharf attackiert.
Das zeigt die Risiken, die hinter den leicht gesprochenen Worten stecken. Wird das Gesetz verabschiedet, wäre es die Grundlage dafür, EU-Recht in eigene Normen umzuwandeln. Eine Vielzahl von Gesetzen wären notwendig. Das geht nicht von heute auf morgen.
Was werden direkte Folgen für EU-Bürger sein?
Der Verlust der Freizügigkeit aus und nach Großbritannien. May will den Zuzug von EU-Migranten auf ein "nachhaltiges Niveau" senken, sie dürften künftig "keine Jobs übernehmen, die Briten ausführen können". Vereinfacht: Deutsche dürften künftig nicht mehr schrankenlos nach London ziehen und schon gar nicht ohne Genehmigung dort arbeiten. Für viele steht eine der größten Errungenschaften der EU auf dem Spiel. Fakt ist: Die Einwanderungsfrage und der Binnenmarktzugang werden die Austrittsverhandlungen beherrschen. Die Positionen gehen weit auseinander. Mehrere europäische Regierungsvertreter erklärten bereits, keine Sonderlösung für Briten akzeptieren zu wollen.
Was kostet der Brexit Großbritannien?
Das Pfund ist auf Talfahrt, die Wirtschaftsleistung abgewertet. Eine erste Konsequenz: Die Franzosen haben die Briten von Platz fünf der stärksten Volkswirtschaften verdrängt. Berechnungen des Internationalen Währungsfonds zufolge wird das Bruttoinlandsprodukt des Vereinigten Königreichs 2016 auf 1,932 Billionen Pfund geschätzt, das der Franzosen auf 2,228 Billionen Euro. Die Ankündigung, dass Großbritannien den gemeinsamen Binnenmarkt verlassen und die Einwanderung deutlich beschränken wolle, ließ das Pfund von 1,16 auf 1,14 Euro sinken - und damit auf den tiefsten Stand seit 31 Jahren. Auch die ursprünglich geplante Haushaltssanierung ist aufgeschoben. Eigentlich sollten die Schulden bis 2020 reduziert werden, nun sollen für den Brexit mehr Schulden gemacht werden. Zwar brummt die Wirtschaft, doch die britische Finanzbranche rechnet langfristig mit Verlusten von bis zu 38 Milliarden Pfund.
Wie wahrscheinlich sind Nachahmer der Briten?
Wahrscheinlich. Aktuell wirkt es, als mache ein Mitglied etwas Unerhörtes, was für einige andere Länder gar nicht so unerhört ist – allen voran für die Ungarn und die Österreicher nicht. Budapest und Wien schauen gespannt nach London. Auf die Rückschlüsse. Auf die Lehren. Ungarns Präsident Viktor Orbán bekräftigte, die Verfassung ändern zu wollen. Der national-konservative Regierungschef musste jedoch eine Schlappe einstecken. Ein Referendum gegen die EU-Flüchtlingsquoten wurde nicht rechtskräftig, weil nur 40,4 Prozent der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgaben. Das ungarische Volk habe sich europäischer als seine Regierung gezeigt, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn dazu. In Österreich hatten bereits im Juli 261.000 Bürger ein Volksbegehren für einen EU-Austritt unterzeichnet. Die gesetzliche Hürde von 100.000 Unterschriften fiel schnell. Das Parlament in Wien muss dieses Begehren nun auf weitere Schritte prüfen.
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