Die britische Premierministerin Theresa May hat keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse gefunden. Nun muss sie Platz machen für einen Nachfolger. Doch die Zeit bis zum geplanten EU-Austritt am 31. Oktober ist knapp. Es droht der "No Deal". Wie geht es nun weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Theresa May kündigt ihren Rücktritt an. Am 7. Juni wird sie die Ämter als Parteichefin und Premierministerin abgeben. Das Chaos, in dem sich Großbritannien seit dem Brexit-Votum befindet, geht in die nächste Phase. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Wie geht es nach dem angekündigten Rücktritt von Theresa May weiter?
Nach dem angekündigten Rückzug von
Szenario 1: Neuwahlen
Nachdem ein Führungswechsel nichts an den knappen Mehrheitsverhältnissen im britischen Parlament ändern würde, gilt eine Neuwahl unter Experten als mögliche Option. Fraglich ist, ob sich eine der großen Parteien dabei eine absolute Mehrheit sichern könnte. Sollte es weder für eine Tory- noch für eine Labour-Regierung reichen, gäbe es möglicherweise weiterhin keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse.
Szenario 2: Ein neues Referendum
Ein weiterer Ausweg könnte ein zweites Referendum über den Brexit sein. Umstritten ist aber, welche Optionen dabei den Wählern vorgelegt werden. Premierministerin May wollte das Parlament darüber abstimmen lassen, ob es ein Referendum über das von ihr ausgehandelte Abkommen - den "Deal" - geben soll. Unklar ist, ob dieses Szenario nach Mays Rücktritt noch weiter verfolgt wird.
Szenario 3: Absage des Brexit
Theoretisch könnte Großbritannien den Brexit einfach absagen. Eine einseitige Rücknahme der Austrittserklärung ist einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zufolge noch bis zum tatsächlichen Austritt - Stand derzeit wäre dies der 31. Oktober - ohne Weiteres möglich.
Szenario 4: No-Deal-Brexit
Ein Brexit ohne Abkommen mit möglicherweise drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche ist das Ziel einiger konservativer Brexit-Hardliner wie Ex-Außenminister
Wie wahrscheinlich ist ein No-Deal-Brexit?
Nach der Rücktrittsankündigung der Premierministerin sieht der Europa-Experte Fabian Zuleeg ein hohes Risiko für einen ungeregelten Brexit Ende Oktober. "Die Wahrscheinlichkeit war und ist immer noch hoch", sagte der Chef der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre am Freitag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Man muss weiter damit rechnen, dass es dazu kommen könnte."
Über die nächsten Wochen und Monate sei kein Fortschritt absehbar: Zuerst werde die Suche nach einem Nachfolger dauern, sollte es dann keine Neuwahlen geben, werde sich an den knappen Mehrheitsverhältnissen ebenfalls nichts ändern.
Auch für die EU bleibe die Lage gleich. Nachbesserungen am Austrittsvertrag seien nicht möglich: "Was da verhandelt worden ist, sind ja Prinzipien für die EU, die sich nicht verändern werden. Das heißt, auch ein neuer Premierminister wird keine andere Ausgangslage in Brüssel haben", sagte Zuleeg weiter. Ob eine weitere Verlängerung der am 31. Oktober auslaufenden Austrittsfrist sinnvoll sei, müsse die EU zudem "sehr vorsichtig" prüfen.
Wer wird Theresa Mays Nachfolger?
Das Feld der potenziellen Nachfolger ist groß. Die besten Chancen werden Ex-Außenminister Boris Johnson eingeräumt. Ihm trauen viele zu, enttäuschte Brexit-Wähler wieder einzufangen. Ebenfalls ihren Hut in den Ring werfen dürften Berichten zufolge Ex-Brexit-Minister Dominic Raab, Außenminister Jeremy Hunt, Innenminister Sajid Javid und Entwicklungshilfeminister Rory Stewart. Umweltminister Michael Gove hat es schon lange auf das Amt des Regierungschefs abgesehen. Auch die am Mittwoch von ihrem Posten als Ministerin für Parlamentsfragen zurückgetretene Andrea Leadsom und Verteidigungsministerin Penny Mordaunt gelten als potenzielle Nachfolgerinnen für May.
Was passiert mit der vierten Abstimmung zum Brexit-Deal?
May wollte ihren bereits dreimal vom Parlament abgelehnten Brexit-Deal den Abgeordneten Anfang Juni im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ein viertes Mal vorlegen. Dafür kündigte sie ein "kühnes" Brexit-Paket an, das Zugeständnisse an die Opposition und die Brexit-Hardliner beinhalten sollte. Doch die Reaktionen auf ihre Vorschläge fielen vernichtend aus. Bislang ist unklar, ob es zur vierten Abstimmung kommen wird, die Chancen werden allerdings als äußerst gering eingeschätzt.
Wie sind die Reaktionen auf Mays Rücktritt?
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Rücktrittsankündigung von Theresa May "mit Respekt zur Kenntnis genommen". Man habe stets vertrauensvoll zusammengearbeitet und werde dies fortsetzen, solange May im Amt ist, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am Freitag in Berlin. Eine Einschätzung, welche Auswirkungen der Schritt für den geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU haben werde, wollte sie nicht geben.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werde auch einen Nachfolger Mays respektieren und eine Arbeitsbeziehung zu ihm aufbauen, teilte eine Sprecherin in Brüssel mit. Es gebe allerdings "keine Änderung" an der bisherigen Position der EU. Juncker habe "bewegt" und "ohne persönliche Freude" die Rücktrittsrede Mays verfolgt, sagte die Sprecherin. Der Kommissionschef habe viel Respekt für May, die aus seiner Sicht "eine mutige Frau" sei, und werde weiter mit ihr in Kontakt bleiben.
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hofft, dass Mays Nachfolger einen geordneten Brexit aushandeln wird. "Ich hoffe, dass sich - unabhängig von ihrer Rücktritts-Mitteilung - in Großbritannien die Vernunft durchsetzt", schrieb Kurz am Freitag bei Twitter. "Ich habe Theresa May als eine prinzipientreue, willensstarke Politikerin kennengelernt, die ihr Land in einer Zeit großer Unsicherheit gesteuert hat."
Boris Johnson kommentierte den Rücktritt der Premierministerin auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Eine sehr würdevolle Erklärung von Theresa May. Danke für deinen stoischen Dienst für unser Land und die Konservative Partei. Es ist jetzt an der Zeit, ihre Mahnungen zu beherzigen: Zusammenkommen und den Brexit vollziehen." (mgb/dpa/AFP)
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