Im sächsischen Freital hat die Anti-Terror-Einheit GSG 9 eine mutmaßlich rechte Terrorzelle ausgehoben. Die Gruppe soll Asylbewerberheime und ein linkes Wohnprojekt angegriffen haben, die Behörden werfen ihr schwere Körperverletzung und versuchten Mord vor. Erinnerungen an den NSU werden wach.

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Es ist keine Überraschung, dass mit der GSG 9 eine Sondereinheit der Bundespolizei ausgerechnet in der sächsischen Kleinstadt Freital eine mutmaßliche rechtsterroristische Gruppierung verhaftet hat.

Immer wieder war der Ort in den vergangenen Monaten bundesweit in die Negativschlagzeilen geraten – durch Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, Asylsuchende oder Morddrohungen gegen Andersdenkende.

Zwar werden der "Gruppe Freital" im Gegensatz zum 2011 aufgeflogenen "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) keine Morde zur Last gelegt, aber die Frage nach Parallelen kommt ganz automatisch auf.


Über die Beschuldigten Justin S. (18), Rico K. (39), Maria K. (27), Sebastian W. (26) und Mike S. (26) ist außer ihrem Alter und den Tatvorwürfen bisher wenig bekannt.

Zwei mutmaßliche Rädelsführer der Bande, die sich im Juli 2015 formiert haben soll, sitzen schon seit einiger Zeit in Untersuchungshaft.

Die Beschuldigten sollen Asylbewerberheime in Freital und ein linkes Wohnprojekt in Dresden angegriffen haben. Auch ein Sprengstoffanschlag auf einen Freitaler Stadtrat sowie die Attacke auf ein Parteibüro der Linkspartei wurden nach Behördenangaben von der Gruppierung verübt.

Auch wenn es sich bei der "Gruppe Freital" offenbar nicht um einen neuen NSU handelt, scheint die Gefahr groß, dass sich eine neue konspirative Terrorzelle formiert. Aber wie groß nun genau?

"Zahlreiche rechtsextremistische Netzwerke"

Die politische Stimmung in Deutschland hat sich im Zuge der Flüchtlingskrise polarisiert. Auf der einen Seite gibt es große Hilfsbereitschaft gegenüber den Asylsuchenden, auf der anderen Seite wachsenden Hass und Gewaltbereitschaft.

Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte hat sich 2015 laut Bundeskriminalamt im Vergleich zum Vorjahr auf 1.005 verfünffacht. Die Hemmschwelle für solche Taten ist extrem gesunken, die Aufklärungsquote gering.

Diese Gemengelage scheint nicht nur Einzelpersonen anzuspornen, sondern auch die Organisation von rechten Gewalttätern zu begünstigen.

"Wir können nicht ausschließen, dass sich im derzeitigen Klima Gruppen bilden, die dazu bereit sind, rechtsextremistische Anschläge zu verüben", sagte kürzlich Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.

Im Mai 2015 war im sächsischen Borna die mutmaßliche Neonazi-Terrorgruppe "Oldschool Society" ausgehoben worden, die Angriffe auf Salafisten-Prediger, Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte geplant haben soll.

Im Oktober durchsuchte die Polizei im bayerischen Bamberg die Wohnungen von 13 Neonazis, die Anschläge auf Asylbewerberheime und einen alternativen Treffpunkt planten. Sie hatten bereits kiloweise illegale Böller, eine Machete und eine scharfe Pistole besorgt.

Im März dieses Jahres ging die Polizei schließlich im brandenburgischen Nauen gegen eine rechte "Stadtguerilla" vor, der reihenweise Straftaten zur Last gelegt werden.


Die Gefahr weiterer Terrorakte scheint auch fünf Jahre nach der Enttarnung des NSU nicht gebannt. Davon war und ist auch der Journalist und Buchautor Björn Menzel überzeugt.

"Es gibt zahlreiche rechtsextremistische Netzwerke, auch wenn diese nicht im Untergrund agieren oder vergleichbar mit dem NSU sind", sagte der Experte schon zum ersten Jahrestag des NSU-Prozesses im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die Bildung neuer rechter Terrorzellen sei "genauso wahrscheinlich wie vor dem Bekanntwerden des NSU".

372 rechte Straftäter auf freien Fuß

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen liegt das direkte Umfeld der aus Thüringen stammenden Terrorzelle um Beate Zschäpe sowie die verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt immer noch weitgehend im Dunkeln.

Neben den vier im Münchener NSU-Prozess Mitangeklagten könnten laut Menzel bis zu 200 Personen zum erweiterten Unterstützerkreis gehört haben. Das Gericht hat die Strukturen bis heute nicht restlos aufgedeckt.

Auch eine Zahl, die die Bundesregierung Ende 2015 veröffentlichte, alarmiert. Demnach waren zum Stichtag 15. September 2015 mehr als 450 Haftbefehle gegen 372 rechtsmotivierte Straftäter nicht vollstreckt worden.

Sicher, nicht jeder der Gesuchten ist ein potentieller Terrorist. Aber was, wenn sich nur eine Handvoll Gewaltbereite zu einer neuen, konspirativen Zelle zusammenschließen?

Schließlich macht auch das aktuelle NPD-Verbotsverfahren potentiellen Rechtsterroristen das Leben nicht gerade schwerer: Der Verfassungsschutz musste aus Verfahrensgründen seine V-Männer aus der Partei abziehen. Quellen wurden somit stillgelegt.

Der jüngste Ermittlungserfolg in Freital zeigt zumindest, dass die Behörden wachsam sind. Dafür gibt es gute Gründe.

Denn auch BKA-Chef Holger Münch ist angesichts der aktuellen Entwicklungen besorgt: "Es könnten sich Strukturen bis hin zum Terrorismus bilden." Und diese, warnt der BKA-Chef, könnten sich "verfestigen".

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