Sollte die CDU auch mit der Linken reden, wenn in ostdeutschen Ländern keine Regierung ohne Linke oder AfD möglich wäre? Der Kieler Regierungschef Günther hat eine heftige Debatte in der Union ausgelöst. Und findet dabei durchaus Mitstreiter.
Führende CDU-Politiker aus Ostdeutschland haben sich dagegen gewandt, Gespräche mit der Linken rundheraus auszuschließen.
Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Chef Vincent Kokert warnte vor einer "Verteufelung" der Linkspartei. Diese werde inzwischen von Menschen geprägt, die dem Land nicht schaden wollten, sagte Kokert der "Rheinischen Post".
Der Brandenburger CDU-Vorsitzende Ingo Senftleben forderte eine andere Diskussionskultur. "Wir wollen anpacken und unser Land voranbringen. Dafür brauchen wir in der Politik eine neue Debattenkultur, die nicht daraus bestehen kann, Gespräche auszuschließen."
Großer Widerstand in Union
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident
Günther wies auf die schwierige Regierungsbildung in den östlichen Bundesländern hin und erklärte: "Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird, muss trotzdem eine handlungsfähige Regierung gebildet werden. Da muss die CDU pragmatisch sein."
Nach scharfer Kritik aus den eigenen Reihen versicherte Günther später, seine Äußerungen hätten sich auf die konkrete Diskussion in der Union für den Fall bezogen, dass nach einer Landtagswahl keine Mehrheiten gegen Linke und AfD möglich seien.
Senftleben hatte schon im April für Aufregung gesorgt, als er in Aussicht stellte, nach der Landtagswahl 2019 Gespräche mit AfD und Linken zu führen. Eine Koalition mit der AfD hatte er dabei aber so gut wie ausgeschlossen.
Senftleben versicherte nun, er strebe auch keine Koalition mit den Linken an. "Die Bürger erwarten aber zu Recht, dass die Politik ein Wahlergebnis annimmt und damit umgehen kann", sagte er der "Rheinischen Post". "Entscheidend ist, ob Parteien bereit sind, andere Meinungen zu akzeptieren und auch etwas mitzutragen, was ihnen vielleicht nicht gefällt, um das Land insgesamt voranzubringen."
In Brandenburg regiert derzeit eine rot-rote Koalition unter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
"Nicht ohne Not Gräben ziehen"
Kokert nannte die Empörung in der Union über die Äußerungen von Günther und Senftleben ein wenig überzogen. Die Welt sei in Bewegung geraten, man sollte nicht ohne Not Gräben ziehen, sagte er.
"Deswegen bin ich dafür, dass man zumindest miteinander redet und einander nicht verteufelt." In Mecklenburg-Vorpommern, wo die CDU in einer großen Koalition unter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) regiert, sei das übrigens gelebte Wirklichkeit.
Das Verhältnis zwischen CDU- und Linken-Abgeordneten sei durchweg von gegenseitigem Respekt geprägt. Politische Schnittmengen sehe er dennoch kaum.
Günthers Äußerungen "absolute Einzelmeinung"
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte Koalitionen mit der Linken umgehend eine klare Absage erteilt, auch andere Unionspolitiker schossen eine Zusammenarbeit aus.
Der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, wertete Günthers Äußerungen nun als "absolute Einzelmeinung". "Ich halte diesen Vorstoß für falsch", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete der "Passauer Neuen Presse".
CDU liege noch in "Schützengräben des Kalten Krieges"
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch reagierte mit Befremden auf die Debatte in der Union. Die Totalverweigerung der Sachzusammenarbeit einiger Unionspolitiker mit der Linken sei "ein Zeichen dafür, dass sie noch in den Schützengräben des Kalten Krieges liegen", sagte er der "Welt". In vielen Kommunal- und Landesparlamenten werde das in der Praxis zurecht konterkariert.
Der frühere Vorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, verglich die Debatte mit der Annäherung von SPD und Linken.
Genauso habe es seinerzeit in der SPD begonnen, später sei es zu rot-roten Bündnissen in Ostdeutschland gekommen - "und nun bestreitet niemand mehr die Möglichkeit zu einer solchen Koalition auf Bundesebene", sagte er der "Rheinischen Post". © dpa
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