- Vor dem Weltklimatreffen in Glasgow brachte der G20-Gipfel in Rom keinen Fortschritt.
- Die großen Wirtschaftsmächte zeigen weiter mit dem Finger jeweils auf den anderen - während der Planet verbrennt.
Mehr "heiße Luft" als das erhoffte "starke Signal": Der G20-Gipfel in Rom war eine "riesige Enttäuschung" für das Weltklimatreffen COP26 in Glasgow, wie Kritiker fanden. Die Staats- und Regierungschefs der großen Wirtschaftsmächte (G20) konnten sich nicht auf ehrgeizige Klimaziele einigen, obwohl sie für 80 Prozent der Emissionen verantwortlich sind. Im Abschlusskommuniqué fehlten neue Zusagen, konkrete Pläne oder verbindliche Zielvorgaben. Was ursprünglich rein sollte, wurde im Zuge der Verhandlungen wieder gestrichen. Von Version zu Version wurde das Papier verwässert.
Statt zu handeln wurde wieder nur verhandelt. Wurde anfangs noch ehrlich die "Kluft" zwischen den bisher zugesagten Bemühungen und dem nötigen Weg festgestellt, um die Welt vor der gefährlichen Erhitzung zu retten, wurde am Ende selbst dieses Eingeständnis noch gestrichen. Es ist nichts weniger als eine Schicksalsfrage der Menschheit, die in Rom unbeantwortet blieb - und um die es von Sonntag an auf dem zweiwöchigen Mammut-Treffen mit Tausenden Teilnehmern aus rund 200 Staaten in Schottland gehen wird.
Ein klarer Fehlstart, wieder eine verpasste Chance, während die Weltgemeinschaft sechs Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen immer weiter vom rechten Weg abkommt: Nach den vorliegenden nationalen Aktionsplänen werden die Emissionen bis 2030 um 16 Prozent ansteigen - obwohl ein Rückgang um 45 Prozent nötig wäre, um die gefährliche Erwärmung wie in Paris vereinbart auf 1,5 Grad zu begrenzen. Mit fatalen Folgen wie Dürren, Hochwasser, Eisschmelze oder Stürmen.
Oxfam befürchtet "katastrophale Entwicklung der Klimakrise"
"Wir steuern auf eine Erwärmung um 2,7 Grad und auf eine katastrophale Entwicklung der Klimakrise zu", sagte Jörn Kalinski von der Entwicklungsorganisation Oxfam. "Die hier an den Tag gelegte Unentschlossenheit und Uneinigkeit droht unseren Planeten zu verbrennen."
Unter den G20-Staaten kommt es ganz besonders auf China an, den mit Abstand größten Produzenten von Treibhausgasen. Der weltgrößte Kohleverbraucher enttäuschte kurz vor dem Gipfel mit seinem Aktionsplan. Obwohl es längst "Fünf nach Zwölf" ist, wie Experten warnen, will das bevölkerungsreichste Land bis 2030 seine Emissionen noch weiter steigen lassen. Kohlendioxidneutralität will China erst 2060 erreichen - ähnlich wie Russland und Saudi-Arabien. Andere Länder streben das 2050 an, was auch schon als "zu spät" gilt. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping forderte auf dem G20-Gipfel wieder nur, dass doch die reichen Staaten "vorangehen" sollten.
"Die gesammelten Emissionen der USA pro Kopf sind acht mal höher als die Chinas", hieß es von Regierungsseite in Peking. Der Mangel an Ehrgeiz wirft dunkle Schatten auf die Klimakonferenz. Auch Indien, der viertgrößte CO2-Produzent nach China, den USA und der EU, bremst. Obwohl "Netto-Null", wonach nur so viele Emissionen erlaubt sind wie gebunden werden, weltweit in der Politik angekommen ist, will Neu Delhi nichts von dem Konzept wissen. Es verweist wie Peking auf die Verantwortung der reichen Industrieländer.
Industrieländer stehen nicht zu ihrer Verantwortung
"Ein Hauptproblem in der internationalen Klimapolitik besteht darin, dass die Industrieländer nicht bereit sind, anhand ihrer historischen Verantwortung für das Verursachen der Krise und ihrer Wirtschaftskraft fair zum global nötigen Klimaschutz beizutragen", sagt der Klimaexperte Jan Kowalzig von Oxfam. "Ginge es wirklich gerecht zu, müssten die Industrieländer schon deutlich vor 2050 klimaneutral werden und danach sogar eine negative Klimabilanz entwickeln – dann ergäbe sich auch mehr Flexibilität bei den übrigen Ländern." Dazu seien die reichen Länder aber "schlicht nicht bereit".
Die Fronten innerhalb der G20 waren aber schon vor dem Gipfel verhärtet, wie informierte Kreise berichteten. Auf der einen Seite die G7-Staaten mit den engagierteren Europäern, aber einem geschwächten US-Präsidenten
Es gebe heute eine Diskussion, "die wir nicht mehr haben sollten", findet Friederike Röder von Global Citizen. "Jetzt sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir beim Klima nicht mehr rumverhandeln können", sagt Röder. In Rom seien nur "halbe Maßnahmen statt konkreter Taten" zu sehen gewesen. "Wenn es auf dem G20-Gipfel schon keine Einigung gibt, dann frage ich mich, wie Glasgow ein Erfolg werden kann."
Einige der G20-Spitzenpolitiker reisen aus Italien gleich weiter nach Schottland. Am Montag reden auf der COP26, wie die Klimakonferenz im UN-Jargon schlicht heißt, US-Präsident Joe Biden, der französische Präsident Emmanuel Macron und auch die scheidende Kanzlerin Angela Merkel, die seit Jahren auf keinem der großen UN-Klimagipfel war.
Johnson dämpft Erwartungen an Klimakonferenz
Im Kampf gegen die Erderwärmung liege die Menschheit "1:5 zurück", bemühte der Gastgeber, der britische Premier Boris Johnson, den Fußball-Vergleich. Zugleich dämpfte er die Erwartungen an die Konferenz in seinem Land: Man werde den Klimawandel nicht so bald beenden: "Und wir werden ihn sicherlich nicht bei der COP26 stoppen."
Hoffnung weckte aber zuletzt eine Initiative der EU und der USA, um den Ausstoß des besonders klimaschädlichen Methans zu reduzieren. Dutzende Staaten haben sich angeschlossen und zum gemeinsamen Ziel bekannt, Methanemissionen bis 2030 um mindestens 30 Prozent gegenüber 2020 zu senken. Offiziell soll der Pakt in Glasgow unterschrieben werden. Wenn er erfolgreich umgesetzt wird, könnte die Erderwärmung bis 2050 der EU-Kommission zufolge um rund 0,2 Grad reduziert werden. (dpa/fra)
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