Die Krankenkassenbeiträge sind zum Jahreswechsel deutlich stärker gestiegen als in der Vergangenheit. Auf dem Gehaltszettel wird sich das bemerkbar machen. Steigende Kosten im Gesundheitswesen sind der Grund – und die Politik steht vor einer schwierigen Baustelle.

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Die Techniker Krankenkasse bittet ihre Versicherten um Verständnis. Von diesem Januar an steigt der Satz für den Zusatzbeitrag, den die Versicherten und ihre Arbeitgeber von Lohn und Gehalt an die Krankenkasse abführen müssen, von 1,2 auf 2,45 Prozent.

Die größte deutsche Krankenkasse steht damit nicht allein. Im Gegenteil. Fast alle gesetzlichen Krankenkassen haben zum Jahreswechsel die Beiträge erhöht. Das geht aus einer täglich aktualisierten Liste des Spitzenverbandes der Kassen (GKV) zu den Zusatzbeiträgen hervor, die von den Versicherern selbst festgelegt werden.

82 von 94 Kassen erhöhen Zusatzbeitrag

Demnach hoben 82 der 94 Kassen diesen Beitrag um durchschnittlich gut einen Prozentpunkt auf im Schnitt 2,91 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens an, wie ein Abgleich mit den vom GKV-Spitzenverband noch kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlichten Daten zum Zusatzbeitrag zeigt.

Die Bandbreite der Erhöhungen reicht aktuell von 0,4 bis zu 2,4 Prozentpunkten. Elf Kassen nahmen demnach keine Beitragsanhebung vor, eine Beitragssenkung gab es nirgends. Zu einer Kasse liegen keine Daten vor.

Was ist der Zusatzbeitragssatz?

  • Der Zusatzbeitrag kommt zum feststehenden und für alle gültigen Krankenkassenbeitragssatz von 14,6 Prozent hinzu und wurde einst eingeführt, um den Wettbewerb zwischen den Kassen zu fördern.
  • Der Beitrag bezieht sich auf einen Anteil am Arbeitsentgelt und wird jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezahlt.
  • Erhöht eine Kasse den Zusatzbeitrag, haben Versicherte ein Sonderkündigungsrecht und können zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Nur eine gesetzliche Kasse verzichtet derzeit auf einen Zusatzbeitrag. Die anderen Kassen erheben Sätze zwischen 1,04 und 4,4 Prozent.

Steigende Kosten führen zu steigenden Beitragssätzen

Hintergrund dieser Steigerungen sind gestiegene Kosten. Die Krankenkassen bezahlen für ihre Versicherten Medikamente oder die Behandlungen in Krankenhäusern und bei Ärzten – und das alles ist in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden.

Für Krankenhausbehandlungen gaben die Kassen im Jahr 2023 nach GKV-Daten knapp 94 Milliarden Euro aus – 2019 waren es 80 Milliarden. Für Medikamente stiegen die Ausgaben von 41 Milliarden Euro im Jahr 2019 auf 50 Milliarden Euro im vergangenen Jahr, für ärztliche Behandlungen von 41 auf 47 Milliarden.

Die Ausgaben für Krankenhäuser und Medikamente würden "praktisch ungebremst" steigen, ohne die Versorgung der Patienten zu verbessern, kritisierte Verbandschefin Doris Pfeiffer vor kurzem in der "Rheinischen Post". Sowohl der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch sein Nachfolger Karl Lauterbach (SPD) haben die Kassen in der Vergangenheit aufgefordert, bei finanziellen Engpässen auf ihre Rücklagen zuzugreifen. Die sind aber inzwischen bei vielen Kassen aufgebraucht. Die Folge sind höhere Beiträge.

Inflation treibt Kosten in die Höhe – aber nicht nur sie

Einerseits steckt die allgemeine Inflation hinter den Kostensteigerungen. Einem Bericht der "Zeit" (Bezahlinhalt) zufolge gibt es aber noch mehr Gründe. Zuletzt seien neue vielversprechende aber auch recht teure Medikamente auf den Markt gekommen. Zudem hat die Politik entschieden, dass Pflegekräfte in Krankenhäusern besser bezahlt werden. Für die Attraktivität des Pflegeberufs ist das sinnvoll – aber es belastet eben auch die Finanzen der Krankenkassen.

Und so könnte die Entwicklung sogar noch weitergehen. "Wenn jetzt nichts passiert, fährt das System gegen die Wand", hat der Leiter der IK Innovationskasse, Ralf Hermes, der "Zeit" gesagt.
Der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass die Beiträge zur Krankenversicherung auch im nächsten Jahr weiter angehoben werden. Die Erhöhungen belasten nicht nur die Versicherten, sondern auch die Arbeitgeber, da sie die Beiträge zur Hälfte zahlen. Das gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung, der mit dem Jahreswechsel ebenfalls erhöht wurde – um 0,2 Prozentpunkte.

Parteien haben unterschiedliche Rezepte

Der Handlungsdruck in der Politik ist also groß. Die Rezepte der Parteien sind allerdings unterschiedlich: SPD, Grüne und Linke zum Beispiel wollen langfristig eine Bürgerversicherung einrichten, in die auch Menschen einzahlen, die bisher noch privatversichert sind.

Union und FDP wollen dagegen am Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung festhalten. CDU und CSU wollen durch "mehr Effizienz" und mehr Wettbewerb Kosten bei den Kassen sparen. Ähnliches schreibt in ihrem Wahlprogramm die AfD, die zu diesem Zweck Kranken- und Pflegeversicherung zusammenlegen will. Ob solche Schritte für eine Sanierung der Kassenfinanzen ausreichen würden, ist aber unklar.

Kurzfristig könnte der Staat den Kassen unter die Arme greifen, indem er ihnen Steuermittel zuschießt. Doch auch hier lautet bekanntlich das Problem: Diese Mittel sind auch an anderen Stellen heiß begehrt. (fab/dpa)

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