Trotz des Bruchs mit Finanzminister Lindner und der FDP will der Kanzler noch bis Januar mit der Vertrauensfrage warten. Sein Argument: Einige geplanten Projekte der Koalition dulden keinen Aufschub. Um welche geht es genau?
Die Ampel ist Geschichte – aber Kanzler
Ohne die FDP hat Scholz allerdings keine Mehrheit mehr im Bundestag. Am 20. Dezember soll das Parlament planmäßig zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommen. Im März könnte es dann Neuwahlen geben. Auch welche Vorhaben konkret noch umgesetzt werden sollen, sagte der Kanzler am Mittwochabend nicht. Er nannte aber einige Themen, die er bis zum Jahresende noch anpacken will.
Steuerliche Entlastungen
Scholz will, dass der Effekt der Inflation bei der Einkommensteuer ausgeglichen wird – ein Projekt, das eigentlich der nun Ex-Finanzminister
Kalte Progression heißt, dass Bürger durch den ansteigenden Steuertarif auch dann mehr an den Fiskus zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht. Lindner wollte dafür den Grundfreibetrag und die anderen Eckwerte des Steuertarifs so verschieben, dass höhere Steuersätze erst später greifen.
Nur die Grenze für die Reichensteuer, die noch über dem Spitzensteuersatz liegt, sollte gleich bleiben – damit die Allerreichsten weniger stark entlastet werden. Der FDP-Chef hatte den Grünen vorgeworfen, die Pläne zu blockieren.
Rentenpaket
Das dürfte der für die SPD wohl wichtigste Punkt sein: Die Stabilisierung der gesetzlichen Rente. Der Bundestag hat sich Ende September in erster Lesung mit dem seit langem vorbereiteten Rentenpaket befasst. Im Kern soll ein stabiles Rentenniveau garantiert werden, die Rentenbezüge sollen Schritt halten mit der Lohnentwicklung.
Wegen der alternden Bevölkerung wird dies aber immer teurer – was dann zu höheren Beiträgen für jüngere Leute führt. Die Koalition will diese prognostizierte Beitragserhöhung dadurch abfedern, dass sie Geld am Aktienmarkt anlegt und die Rendite in die Rentenbeiträge steckt.
Insbesondere der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, pochte allerdings auf Änderungen, da das Paket aus seiner Sicht die Jüngeren über Gebühr belastet. Denn der Aktienplan kann voraussichtlich nicht die gesamten Mehrkosten auffangen.
Allerdings ist das Rentenpaket auch in der Union umstritten. Fraktionsvize Hermann Gröhe nannte es Ende September eine verpasste Chance für mehr Generationengerechtigkeit. Es sei ein Neustart in der Rentenpolitik notwendig.
Asylpolitik
Als weiteres Vorhaben nannte der Kanzler die schnelle Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Diese will Deutschland schnell umsetzen. Am Mittwochvormittag noch hatte die Koalition dazu zwei Gesetzesänderungen beschlossen.
Die Reform sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen.
Hilfen für die Industrie
Deutschland steckt in einer Konjunkturflaute, schlecht geht es vor allem der Industrie. Kanzler Scholz hatte Ende Oktober einen Industriegipfel mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften veranstaltet. Er kündigte danach einen "Pakt für die Industrie" an, der sehr konkrete Maßnahmen umfassen solle, um den Standort zu stärken. Wirtschaftsverbänden beklagen vor allem im internationalen Vergleich hohe Energiepreise.
Bis Jahresende will Scholz nun unbedingt "Sofortmaßnahmen" für die Industrie durchsetzen. Konkret sagte er, die Netzentgelte für Unternehmen sollten gedeckelt werden und es solle ein Paket geschnürt werden, das Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und bei den vielen Zuliefererbetrieben sichere. Denkbar wären zum Beispiel neue Fördermaßnahmen, um den Absatz von Elektroautos anzukurbeln. Maßnahmen zur Stärkung der Industrie würden aber Milliarden kosten.
Was höchst dringlich ist – aber von Scholz nicht genannt wurde
Der Bundestag muss für das laufende Jahr noch einen Nachtragshaushalt beschließen – sonst könnte eine Haushaltssperre drohen. Im Sommer hatte die Koalition angekündigt, dass sie einige Milliarden aus zusätzlichen Krediten braucht, um geringere Steuereinnahmen, höhere Ausgaben beim Bürgergeld sowie höhere Kosten zur Förderung der erneuerbaren Energien auszugleichen. Weil die Konjunktur in Deutschland schwächer als erwartet läuft, lässt die Schuldenbremse diese größere Kreditaufnahme zu.
Ohne die zusätzlichen Mittel könnte für manches Anliegen schlicht kein Geld mehr sein. Bei einer Haushaltssperre müssen alle Ausgaben vom Finanzministerium genehmigt werden. Das bedeutet große Unsicherheit, zum Beispiel für viele Angestellte auf Projektbasis oder mit befristeten Arbeitsverträgen.
Denn auch der Haushalt für 2025 ist noch nicht unter Dach und Fach. Das Jahr startet also wahrscheinlich mit einer vorläufigen Haushaltsführung, während der man sich auf unerlässliche und dringende Ausgaben beschränken muss. Schließlich kann kaum eine abtretende Regierung eine künftige auf einen Haushaltsplan festlegen. (dpa/bearbeitet von thp)
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