Die Debatte um die Äußerungen von Jens Spahn zur AfD am Wochenende reißen nicht ab. Viele Parteikollegen unterstützen Spahns Haltung, aber es gibt auch Gegenstimmen.
Unionsfraktionsvize
Spahn ist fein mit AfD-Ausschussvorsitzenden
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hatte dazu geraten, mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien auch. Spahn sprach in der "Bild" von Abläufen im Parlament, Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen und der Berücksichtigung von Minderheits- und Mehrheitsrechten. "Da würde ich einfach uns empfehlen, mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen, wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch."
Spahn äußerte sich aber klar zur AfD im Interview mit unserer Redaktion. "Ich mache mir aber keinerlei Illusion darüber, wessen Geistes Kind viele Abgeordnete der AfD sind. Zur AfD gehören Verschwörungstheoretiker, Hetzer, Extremisten. Ich habe das selbst als Minister erlebt und erlebe es bis heute." Aber: "Natürlich müssen wir als Regierung die parlamentarischen Rechte der Opposition respektieren."
Bei der Wahl des Vizepräsidenten des Bundestags gelte: "Sie machen einen Vorschlag, und jeder Vorschlag muss eine Mehrheit finden in geheimer Wahl bei den Mitgliedern des Bundestags." Es gehe dabei um ein Staatsamt und ein Repräsentationsamt. "Und da sollte man schon die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags hinter sich haben, um das vertreten zu können", meinte Spahn.
"Mit Geschäftsordnungstricks kommen wir der AfD nicht bei. Deswegen sage ich: Wir brauchen eine sehr robuste Auseinandersetzung in der Sache und im Umgang. Wir sollten aber nicht über jedes kleine Erregungsstöckchen springen. Die Balance ist gar nicht so leicht", fügt Spahn im Gespräch mit unserer Redaktion hinzu.
Bei den Vorsitzen der normalen Bundestags-Ausschüsse, die eigentlich von allen Fraktionen besetzt werden, gab es bisher keine so einheitliche Linie: In ihren ersten Parlamentsjahren stellte die AfD beispielsweise den Vorsitzenden des mächtigen Haushaltsausschusses. Zuletzt dagegen hatte sie keinen Vorsitz-Posten – und klagte deswegen sogar vor dem Bundesverfassungsgericht. Das höchste deutsche Gericht wies die Organklagen ab. Im neuen Bundestag stehen die Wahlen der Ausschussvorsitzenden noch an.
Spahn erhält weitere Unterstützung aus der CDU
Auch der CDU-Politiker Philipp Amthor nahm Spahn gegen Kritik in Schutz. Spahn sei es doch "ganz offensichtlich nicht um eine Bagatellisierung der AfD" gegangen, sondern "um den berechtigten Hinweis, dass man diese Truppe anstatt durch parlamentsrechtliche Kniffe besser durch eine leidenschaftlich-inhaltliche Auseinandersetzung zurückdrängen sollte", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann unterstützte Spahn ebenfalls. "Durch Ausgrenzung werden AfD-Abgeordnete in den Rang von Märtyrern erhoben", sagte sie dem Nachrichtenportal "t-online". Jedenfalls bestehe die Gefahr. So schwer es auch falle: "Die AfD lässt sich nur durch Sacharbeit entzaubern", sagte die Chefin der einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT). "Ein Ausschussvorsitz verlangt mehr als Schreierei, markige Worte und Tiktok-Clips." Die AfD-Abgeordneten würden sich messen lassen müssen. Sie betonte zugleich: "Wir müssen jeder Normalisierung der AfD entgegenwirken. Die AfD-Fraktion missbraucht immer wieder demokratische Mittel, um die Demokratie zu unterminieren."
Ähnlich wie seine Parteikolleginnen und -kollegen sieht es auch der CDU-Fraktionsvize Johann Wadephul. Er hat sich jetzt dafür ausgesprochen, der AfD-Fraktion im Bundestag Ausschussvorsitze zuzugestehen. "Der AfD die Ausschussvorsitze zu verweigern, hat dazu geführt, dass sie ihren Märtyrerstatus aufrechterhalten können", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Dienstag. "Deswegen wäre ich dafür, AfD-Kandidaten für Ausschussvorsitze zu wählen, wenn sie in der Vergangenheit nicht negativ aufgefallen sind."
Die AfD sei die zweitgrößte Fraktion im Bundestag, "diese Realität müssen wir anerkennen", sagte Wadephul weiter. Ihm zufolge sollten die Vorsitzenden ihren Posten bei negativem Verhalten aber wieder verlieren können. "In die neue Geschäftsordnung wollen wir explizit aufnehmen, dass sie auch wieder abgewählt werden können, wenn sie sich nicht korrekt verhalten", sagte der CDU-Politiker. Er kündigte an, dass es zum Umgang mit der AfD im Bundestag eine Debatte in der Unionsfraktion und Gespräche mit der SPD geben werde.
Kiesewetter hält AfD für Sicherheitsgefahr
Der Vizevorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Roderich Kiesewetter (CDU), warnte hingegen davor, die AfD in sicherheitsrelevante Bundestagsgremien sowie für Ausschussvorsitze zu wählen. "AfD-Abgeordnete machen sich regelmäßig nachweislich zum Sprachrohr russischer und chinesischer Desinformation, und sie verändern Schritt für Schritt den Diskurs in Deutschland", sagte der CDU-Politiker dem RND. Die AfD sei "eine Sicherheitsgefahr für Deutschland". "Deshalb sollten keine Mitglieder dieser Partei in sicherheitsrelevante Gremien wie das Parlamentarische Kontrollgremium gewählt werden, wo es um sensible Informationen geht", sagte Kiesewetter.

Anders als sein Parteikollege Wadephul lehnte es Kiesewetter zudem ab, der Fraktion Ausschussvorsitze zuzugestehen. Er halte es für "falsch, wissentlich die Blockade oder Unterminierung von Ausschüssen in Kauf zu nehmen, indem man AfD-Abgeordnete zum Vorsitzenden wählt", sagte der CDU-Politiker. "Denn damit würde man de facto die Unterminierung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung in Kauf nehmen."
Seit dem Einzug der AfD ins Parlament 2017 konnte sie noch nie einen Bundestags-Vizepräsidenten stellen. Die anderen Fraktionen verweigerten AfD-Kandidaten stets die nötige Mehrheit, der Posten blieb dann frei. Im für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium hat die AfD aus gleichem Grund überhaupt keinen Sitz. (afp/dpa/bearbeitet von the)