US-Präsident Donald Trump stiftet mit seiner Zollpolitik weltweit Verunsicherung. Der nächste Bundeskanzler müsse ihm selbstbewusst und gesprächsbereit gegenübertreten, sagt Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, im Interview.
Die CDU soll in der nächsten Bundesregierung erstmals seit fast 60 Jahren wieder das Auswärtige Amt übernehmen. Wer genau Nachfolger von Annalena Baerbock (Grüne) wird, ist noch unklar. Doch klar ist: Der neue Außeninister oder die Ministerin übernimmt das Amt, während sich die Welt im Dauerkrisenmodus befindet.
Was will die Union im Auswärtigen Amt anders machen? Und wie muss die neue Regierung mit dem US-Präsidenten
Herr Hardt, Donald Trump hat erst großflächig Zölle verhängt und hat sie jetzt vorerst wieder zurückgenommen. Was steckt nach Ihrer Einschätzung dahinter?
Jürgen Hardt: Das Merkmal von Trumps Politik ist die Unberechenbarkeit. Manche glauben, dass ein taktisches Konzept dahintersteckt: Er will das Gegenüber zunächst verunsichern und es zu Zugeständnissen bringen.
Glauben Sie das auch?
Ich kann mir vorstellen, dass er erheblichen Druck aus den eigenen Reihen bekommen hat. Schließlich hat die Wirtschaft in Amerika ausgesprochen irritiert auf seine Zölle reagiert.
Ihre Partei wird bald die Bundesregierung anführen – und damit auch mit der Trump-Regierung konfrontiert sein. Wie müssen Deutschland und Europa mit Trump umgehen?
Der neue deutsche Bundeskanzler wird der US-Regierung selbstbewusst und gleichzeitig gesprächsbereit gegenübertreten müssen. Das gilt in erster Linie für die Handelspolitik sowie die Außen- und Sicherheitspolitik. Deutschland wird eine stärkere Rolle in der Nato übernehmen müssen. Für die Handelspolitik ist die geschlossene Haltung Europas zentral. Wir müssen dringend versuchen, die Briten auf der Seite der EU zu halten. Das hilft unserer Position gegenüber den USA. Friedrich Merz hat diesen Kurs aus meiner Sicht bereits eingeleitet.
"Europa hätte Instrumente in der Hand, die Amerika empfindlich treffen würden."
Die EU hat eher besonnen auf die Trump-Zölle reagiert. Vielleicht zu besonnen?
Die Entscheidungen der EU waren maßvoll, und das halte ich für richtig.
Donald Trump scheint aber vor allem die Sprache der Macht zu verstehen.
Wir haben kein Interesse an einer Eskalation der Handelsauseinandersetzung. Gleichzeitig muss man Donald Trump bewusst machen: Europa hätte Instrumente in der Hand, die Amerika empfindlich treffen würden. Die US-Digitalwirtschaft hat erhebliche wirtschaftliche Interessen in Europa. Bisher hat die EU aber auf Maßnahmen wie eine Digitalsteuer verzichtet. Wir haben damit Offenheit und Gesprächsbereitschaft demonstriert, und das hat offensichtlich gefruchtet.
Wie sollte es jetzt weitergehen?
Aus meiner Sicht sollte die Europäische Union auf zusätzliche Zölle verzichten. Wir müssen generell über die Zukunft der Handelsbeziehungen zu den USA sprechen. Deutschland sollte da eine führende Rolle spielen, denn wir haben ein hohes Interesse an guten Wirtschaftsbeziehungen zu den USA.
Sie sind also für eine europäisch-amerikanische Freihandelszone? Mit dem TTIP-Abkommen ist so ein Versuch schon einmal gescheitert.
Ich habe TTIP immer unterstützt. Mit Kanada haben wir ein solches Abkommen bereits, aber leider nicht mit den USA. Die Grünen haben einst ein Zustandekommen mit einer polemischen Kampagne sabotiert. Ich habe mit Interesse gehört, dass die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner für mehr Freihandel mit den USA ist. Das ist eine Umkehr, die ich begrüße. Wir sollten jetzt die Zollsätze mit den Amerikanern neuverhandeln, sie senken und idealerweise auf null setzen. Das wird für den einen oder anderen in Europa etwas abverlangen, zum Beispiel der Landwirtschaft. Unter dem Strich werden wir aber einen großen Nutzen daraus ziehen, wenn Nordamerika, die Europäische Union und Großbritannien auf Handelshemmnisse verzichten.
"Wir brauchen zusätzliche Verbündete für eine internationale Weltordnung auf der Basis von den Regeln der Vereinten Nationen."
Die CDU soll bald den Außenminister oder die Außenministerin stellen. Zum ersten Mal seit fast 60 Jahren. Was will Ihre Partei im Auswärtigen Amt anders machen?
Die bisherige Bundesregierung hat sich in der Außenpolitik verzettelt. Sie hat sich um viele Themen gleichzeitig gekümmert, die sich teilweise im Weg standen. Angesichts der weltpolitischen Lage müssen wir uns auf die großen Probleme und Herausforderungen konzentrieren. Die deutsche Außenpolitik muss einen Beitrag dazu leisten, dass möglichst viele Staaten den russischen Angriff gegen die Ukraine verurteilen. Wir brauchen zusätzliche Verbündete für eine internationale Weltordnung auf der Basis von den Regeln der Vereinten Nationen. Der Umgang mit Staaten wie Russland, Iran und China ist zentral – und natürlich die Verbesserung des Verhältnisses zu den USA. Darauf muss sich das Auswärtige Amt konzentrieren.
Und internationaler Klimaschutz oder Frauenrechte sollen dabei hinten runterfallen?
Meines Erachtens müssen diese Themen den anderen Zielen untergeordnet werden, wenn sich Interessenkonflikte nicht vermeiden lassen.
Die bisherige Außenministerin hat ihre Politik unter den Titel der wertegeleiteten Außenpolitik gestellt. Will die Union damit Schluss machen?
Ich sehe keinen Widerspruch zwischen einer interessengeleiteten und einer wertegeleiteten Außenpolitik. Der zentrale Wert muss dabei sein: Deutschland setzt sich für eine freiheitliche, auf Frieden und Verständigung ausgerichtete Weltordnung ein.
In der bisherigen Bundesregierung gab es immer wieder Meinungsunterschiede zwischen dem Bundeskanzler von der SPD und der Außenministerin von den Grünen. Was bedeutet es, wenn diese Häuser in Zukunft von Mitgliedern der gleichen Partei geführt werden?
Mit einem CDU-geführten Kanzleramt und einem CDU-geführten Auswärtigen Amt wird es leichter sein, eine einheitliche Europapolitik zu betreiben. Das Ansehen Deutschlands in der Welt wird davon abhängen, ob der Kanzler und der Außenminister beziehungsweise die Außenministerin die gleiche Politik verfolgen. In der bisherigen Politik war das ein Problem: Außenministerin
Aus der Opposition heraus hat die Union die bisherige Regierung immer für einen zu zögerlichen Ukraine-Kurs kritisiert. Was wollen Sie anders machen?
Deutschland hat die Ukraine leider lange zu zögerlich unterstützt. Wenn wir der Ukraine schon früher und stärker militärisch geholfen hätten, wäre sie im Frühjahr 2023 vielleicht in der Lage gewesen, den Abwehrkrieg gegen Russland zu gewinnen und damit Russland zu einem fairen Frieden zu zwingen.
Jetzt geht es aber um die Zukunft.
Wir sind uns in der neuen Regierungskoalition darüber einig: Es ist im allergrößten deutschen Interesse, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnt. Russland muss erkennen, dass der Schaden auch für das Land selbst größer ist als der Nutzen. Erst dann wird die Ukraine in der Lage sein, faire Friedensverhandlungen auf Augenhöhe zu führen. Die Ukraine muss so stark sein, dass Putin den Glauben an den eigenen Sieg verliert. Deshalb wird die neue Bundesregierung die Ukraine in jedem Fall so unterstützen, wie sie es braucht.
Über den Gesprächspartner
- Jürgen Hardt wurde 1963 in Hofheim am Taunus geboren. Der Diplom-Volkswirt arbeitete unter anderem in der CDU-Bundesgeschäftsstelle, für die Unions-Bundestagsfraktion sowie für die Unternehmensgruppe Vorwerk. Seit 2009 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags und seit 2015 außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. 2014 bis 2018 war er auch Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung.