In Halle an der Saale trifft sich die Junge Union zu ihrem Deutschlandtag. Im Interview spricht der alte und neue Vorsitzende Johannes Winkel über den Kanzlerkandidaten Friedrich Merz – und seine Haltung zu Koalitionen mit den Grünen und dem BSW.
Als im Bundeskanzleramt noch
Inzwischen sitzen CDU und CSU aber in der Opposition – und so ist es medial auch um die Parteijugend ruhiger geworden. Johannes Winkel wurde auf dem "Deutschlandtag" der Jungen Union in Halle an der Saale am Freitagabend als Vorsitzender wiedergewählt. Er sagt im Interview: Zurzeit gebe es keinen Anlass für innerparteiliche Konflikte.
Herr Winkel, ist die Junge Union gerade zu leise?
Johannes Winkel: Überhaupt nicht. In der Ära Merkel haben wir für eine konservative Ausrichtung der Union gekämpft – und die haben wir bekommen. Wir sind mit dem aktuellen Kurs der CDU sehr zufrieden, schließlich haben wir ihn mitbestimmt. Es gibt gerade keinen Anlass, einen innerparteilichen Streit vom Zaun zu brechen.
Es gehört doch dazu, dass eine Jugendorganisation ihre Mutterpartei ein bisschen vor sich hertreibt.
Wir geben gerne Impulse, zum Beispiel beim Thema Wehrpflicht. Da hat den Mutterparteien am Anfang vielleicht ein bisschen der Mut gefehlt. Der CDU-Bundesparteitag hat sich im Mai für eine schrittweise Rückkehr zur Wehrpflicht ausgesprochen. Das haben wir gegen die Antragskommission durchgesetzt. Da hat die Junge Union einen deutlichen Akzent gesetzt.
Am Samstag spricht
Unseren Schwung. Wir wollen das Wahlkampfjahr eröffnen. Es sind noch elf Monate bis zur Bundestagswahl, innerhalb der Bundesregierung hat der Wahlkampf längst begonnen. Jetzt ist es Zeit, dass auch die Opposition durchstartet. Vom Deutschlandtag wird das Signal ausgehen: Die junge Generation steht hinter Friedrich Merz. Ich bin gespannt, welche Angebote er in seiner Rede macht.
2021 haben sich CDU und CSU noch einen Kampf um die Kanzlerkandidatur geliefert. Damals hat die Junge Union Sympathien für einen Kanzlerkandidaten
Friedrich Merz und Markus Söder haben sich sehr vertrauensvoll verständigt – und das hat die Partei auch von ihnen erwartet. Es gab in diesem Jahr weder in der JU noch sonst irgendwo in der Union das Bedürfnis nach einem innerparteilichen Wettbewerb um die Kanzlerkandidatur. Wir stehen da voll hinter Friedrich Merz.
Bei einem Thema sind sich Merz und Söder allerdings nicht einig. Markus Söder lehnt eine Koalition mit den Grünen nach der nächsten Bundestagswahl kategorisch ab, Friedrich Merz will sich die Option zumindest offenhalten. Wer hat recht?
Ich kann Markus Söder gut verstehen, weil die Grünen im Land große Probleme verursacht haben. Schwarz-Grün liegt auch für mich außerhalb der Vorstellungskraft, das ist so. Wenn die Grünen aber zu großen inhaltlichen Zugeständnissen bereit sind, wird man sich kaum einem vernünftigen Gespräch entziehen können.
In den Ländern treibt die Union gerade eine andere Koalitionsoption um: eine Zusammenarbeit mit dem BSW. Wäre eine Koalition mit der Partei von Sahra Wagenknecht auch eine Option für die Bundesebene? Irgendein Bündnis wird sich ja finden müssen.
Mit dem BSW kann es keine Koalition auf Bundesebene geben. Wir haben völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wohin sich Deutschland entwickeln soll. Meiner Meinung nach sollten wir uns stärker in der Nato und in der EU engagieren. Wenn das BSW dagegen die Nato im Grunde genommen zu unserem Gegner erklärt, weiß ich nicht, wie man miteinander reden soll. Für mich ist das ausgeschlossen.
Die Junge Union widmet sich am Samstag auf dem Deutschlandtag dem Thema Wirtschaft. Was treibt Sie um?
Wirtschaft ist die Grundlage von allem. Ohne eine florierende Wirtschaft können wir uns Diskussionen über viele andere Themen sparen, weil wir dann nichts mehr zum Verteilen, nichts mehr zum Investieren haben. Ich arbeite selbst in der Industrie und finde es beängstigend, dass wir in den letzten Jahren 300.000 Industrie-Arbeitsplätze verloren haben. Unsere internationale Position haben wir nicht, weil unser Militär so gut ausgestattet ist, sondern weil wir wirtschaftlich stark sind. Noch. Wir stehen da gerade an einem Kipppunkt und müssen unbedingt umsteuern.
Und wie?
Zuerst müssen wir die Energieversorgung wieder auf eine realistische Grundlage stellen. Es ist ein Skandal, dass wir aus jeder grundlastfähigen Energie aussteigen, aus der Kohle und aus der Kernkraft. In den USA wird ein altes Kernkraftwerk wieder ans Netz genommen, um Rechenzentren mit Strom zu beliefern. Das müssen wir in Deutschland auch machen.
Die drei letzten Atomkraftwerke wurden aber schon vor anderthalb Jahren abgeschaltet. Selbst wenn man wollte, kann man die Zeit nicht einfach zurückdrehen.
Mir kann keiner erzählen, dass das technisch nicht möglich ist. Wir brauchen ein Rückbaumoratorium für die Kernkraftwerke. Es muss alles getan werden, um sie wieder ans Netz zu nehmen. Wir müssen auch darüber sprechen, unsere eigenen Gasvorräte durch Fracking zu nutzen, anstatt Flüssiggas aus den USA über den Atlantik zu schippern. Wir brauchen auch einen brutalen Bürokratie-Abbau. Da geht es vor allem um die vielen Berichtspflichten für Unternehmen. Auf europäischer Ebene müssen viele Vorschriften zurückgedreht werden, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden.
Vielen Unternehmen macht auch der Fachkräftemangel zu schaffen. Die Junge Union hat deswegen vor einiger Zeit mehr Offenheit für Zuwanderung gefordert. Gilt das noch? Die aktuellen Debatten klingen eher nach Abschottung.
Beim Thema Asylrecht sind wir für eine komplett andere Politik. Das Asylrecht darf nicht für eine Masseneinwanderung in den Sozialstaat missbraucht werden. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir offen für eine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt sein müssen. Das unterscheidet uns so stark von der AfD. Die AfD sagt: Wir wollen gar keine Zuwanderung, wir wollen unter uns bleiben. Das funktioniert nicht. Wir sind angewiesen auf Leute, die qualifiziert sind und sich bei uns einbringen können.
Über den Gesprächspartner
- Johannes Winkel wurde 1991 in Kreuztal bei Siegen (Nordrhein-Westfalen) geboren. Er studierte Jura und legte 2022 das Zweite Staatsexamen ab. Im November 2022 wurde er erstmals zum Vorsitzenden der Jungen Union gewählt und jetzt im Amt bestätigt. Bei der Bundestagswahl 2025 kandidiert er als Direktkandidat im Wahlkreis Düsseldorf-Süd.
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