Das "D-Day"-Papier und die scheibchenweise Aufklärung setzten der FDP stark zu. Köpfe mussten rollen. Nur einer kam bislang recht ungeschoren aus der Affäre: Parteichef Christian Lindner. Das könnte sich jetzt ändern.

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Das Ampel-Aus erzeugte ein gewaltiges, mediales Echo. Olaf Scholz (SPD) setzte Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor die Tür. Die erste Koalition aus SPD, Grüne und FDP war gescheitert. Und ein mindestens ebenso großes Echo folgte kurze Zeit später, als "Zeit" und "Süddeutsche Zeitung" herausgefunden haben, dass die FDP schon länger über das Aus der Ampel nachgedacht hatte. Aber eben nicht nur nachgedacht – das hatten die anderen Koalitionspartner auch – sondern bereits konkrete Szenarien ausgemalt hatten sich die Liberalen. Alles festgehalten im sogenannten "D-Day"-Papier, angelehnt an die Landung der Alliierten am Strand in der Normandie im Zweiten Weltkrieg.

Als die sprichwörtliche Katze aus dem Sack war, musste die FDP schnell reagieren. Erst sagte Bijan Djir-Sarai, er kenne das besagte Papier nicht, nur um kurz darauf sein Amt als Generalsekretär abzugeben. Auch Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann räumte seinen Posten. Andere FDP-Granden hüllten sich in Unwissenheit. So sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr im ARD-"Morgenmagazin", das "D-Day"-Papier sei der Parteiführung nicht bekannt gewesen. "Ich kannte das genauso wenig wie Christian Lindner."

Parteichef Christian Lindner übernahm zwar die Verantwortung für das besagte Papier. Den Mitarbeitern, die das Papier entworfen hätten, mache er aber keinen Vorwurf. "Ich trage die Gesamtverantwortung für die FDP und zu der bekenne ich mich auch." Davor betonte er jedoch: Es sei auch nie in politischen Gremien besprochen worden und er habe davon keine Kenntnis gehabt.

Lindner und die Unkenntnis

Für viele politische Gegner der FDP eine fadenscheinige Aussage. So sagte beispielsweise die Grünen-Chefin Franziska Brantner der "Bild": "Also wer die FDP kennt, weiß, dass ohne Christian Lindner eigentlich nichts möglich ist. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Herr Lindner gar nichts davon wusste." Und ihr Kollege Felix Banaszak stimmte mit ein: "Ich habe da Zweifel." Und weiter: Die FDP sei eine "sehr autoritär geführte Partei".

Die FDP jedenfalls schüttelte sich und versuchte den Neustart. Ex-Justizminister Marco Buschmann wurde zum neuen Generalsekretär ernannt und Christian Lindner sagte zu Rücktrittforderungen: "Ich habe nicht die Absicht, nein. Und ich habe die Absicht, mich bei meiner Partei zu bewerben als Spitzenkandidat." Man ging sogar in die Offensive. Buschmann griff seinerseits seine ehemaligen Kollegen an. "SPD und Grüne wollten keine Wirtschaftswende. Stattdessen hat der Bundeskanzler zusätzliche Schulden machen wollen und am Ende mit der Entlassung Christian Lindners aus dem Kabinett die Koalition beendet."

Aber wieder ist es die "Zeit", die der FDP jetzt einen Strich durch die Rechnung mit dem Neustart machen könnte. Laut eines aktuellen Berichts der Zeitung soll der Parteichef höchst selbst bereits Ende September den Auftrag zur Erstellung eines Plans für den Ausstieg gegeben haben. Das bestätigte Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in der ARD-Sendung "Maischberger" noch einmal. Seine Zeitung habe "glaubhafte Hinweise, dass Lindner dieses Papier selbst in Auftrag gegeben" habe. Zudem sei es schwer vorstellbar, "dass seine engsten Mitarbeiter ein so gravierendes Papier verfassen und er weiß nichts davon".

Bislang hat sich noch niemand aus der FDP zu den neuen Erkenntnissen geäußert. (the)

Verwendete Quellen

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