Das milliardenschwere Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur kann nun wohl doch kommen – zumindest haben sich Union, SPD und Grüne geeinigt. Und Kompromisse gefunden.

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Das hunderte Milliarden Euro schwere Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur steht: Union und SPD erzielten nach tagelangen Verhandlungen einen Kompromiss mit den Grünen. Diese konnten nochmals deutliche Zugeständnisse aushandeln. Ein Überblick über die Vereinbarungen, die am Wochenende vom Haushaltsausschuss abgesegnet und kommende Woche durch das Parlament beschlossen werden sollen:

Lockerung der Schuldenbremse bei Verteidigung

Verteidigungsausgaben von mehr als einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werden künftig von der Schuldenbremse ausgenommen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) erläuterte nach der Einigung am Freitag, damit fielen nach aktuellem Stand nur noch rund 45 Milliarden Euro unter die Verschuldungsregeln im Grundgesetz. Alles darüber hinaus aber nicht.

Die Grünen konnten in den Verhandlungen mit SPD und Union eine Erweiterung des Begriffs der Verteidigungsausgaben aushandeln. Darunter fallen laut Merz jetzt auch Mittel für Zivil- und Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste und die Unterstützung von völkerrechtswidrig angegriffenen Staaten.

"Wir glauben, dass die Einigung sehr wichtig ist, für das Land und die Bürgerinnen und Bürger", sagt Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann während einer Pressekonferenz im Anschluss an die Fraktionssitzung der Grünen. Es sei um die Frage gegangen, wie krisenresilient das Land sei – für die Grünen sei klar gewesen, dass es bei der Beantwortung dieser Frage nicht wie beim ersten Sondervermögen 2022 nur um die Finanzierung der Bundeswehr gehen durfte.

Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit der Forderung, die Schwelle für die Ausnahme von der Schuldenbremse von einem auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung hochzusetzen.

Lockerung der Schuldenbremse für die Länder

Anders als der Bund dürfen die Länder wegen der Schuldenbremse bisher überhaupt keine Kredite aufnehmen. Sie sollen nun gleichfalls die Möglichkeit bekommen, jedes Jahr bis zu 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen zu dürfen. "Das sind für alle Länder zusammen zurzeit ungefähr 16 Milliarden Euro", sagte Merz. Die Frage war in den Verhandlungen mit den Grünen, die in einer Reihe von Länderregierungen vertreten sind, unstrittig.

Die Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge macht in der Pressekonferenz allerdings auch deutlich: Die Grünen wollen mehr – nämlich eine umfassende Reform der Schuldenbremse. Und dafür werden sie im neuen Bundestag aus der Opposition heraus kämpfen.

Denn mitentscheiden in der Regierung, das können sie nicht mehr. Laut Dröge hätten sie es mit ihren Verhandlungen jetzt aber geschafft, dass das Geld in die richtige Richtung laufen könne. Nämlich unter anderem in mehr Klimaschutz. Und zwar zuzüglich zu den Mitteln, die im Haushalt ohnehin dafür eingeplant werden. Diese Zusätzlichkeit war den Grünen besonders wichtig.

Sondervermögen für Infrastruktur

Wie von Union und SPD geplant, soll es ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro geben. Es soll über zwölf Jahre laufen – was im Schnitt gut 41 Milliarden Euro pro Jahr ergibt. Die Grünen konnten hier zwei Zugeständnisse erreichen: Alle Investitionen müssen demnach zusätzlich erfolgen.

Als zusätzlich gelten laut Merz Ausgaben, "wenn sie zehn Prozent der Ausgaben des Bundeshaushaltes für Investitionen überschreiten". Bei einem Bundeshaushalt von aufgerundet rund 500 Milliarden Euro liege die Schwelle damit bei etwa 50 Milliarden Euro, rechnete Merz vor. "Alle Investitionen, die über diese 50 Milliarden hinausgehen (…), sind von der Schuldenbremse dann nicht betroffen."

Darüber hinaus erhielten die Grünen von Union und SPD die Zusicherung, dass 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen. Aus dem KTF wird insbesondere der klimafreundliche Umbau der deutschen Wirtschaft gefördert. Merz hatte den Grünen am Donnerstag zunächst nur "bis zu 50 Milliarden Euro" für den KTF angeboten. Nach der Einigung mit den Grünen sagte Merz in der Unionsfraktionssitzung, die Verhandlungen mit den Grünen über das Sondervermögen seien "der härteste Brocken" gewesen.

Lars Klingbeil, der Fraktions- und Parteichef der SPD, erklärte im Anschluss an die Fraktionssitzung der Sozialdemokraten in einer Pressekonferenz, dass es aus seiner Sicht keine Verlierer, sondern nur Gewinner gebe. Er ist davon überzeugt: Mit den erfolgreichen Verhandlungen konnten neue Brücken gebaut werden – und die ersten Wunden, die der harte Wahlkampf hinterlassen hat, beginnen zu heilen. In seiner Fraktion habe er breite Zustimmung für das Paket erfahren.

Weiterer Zeitplan

Der Haushaltsausschuss des Bundestags soll am Sonntag die Vorlage für die Grundgesetzänderungen einschließlich der Vereinbarungen mit den Grünen beschließen. Am Dienstag könnte der scheidende Bundestag noch in seiner alten Zusammensetzung dann das Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur mit der nötigen Zweidrittelmehrheit beschließen. Der Bundesrat könnte darauf am Freitag kommender Woche über das Finanzpaket befinden. (afp/bearbeitet durch ras)

Teaserbild: © IMAGO/Thomas Trutschel