Immer öfter werden Politikerinnen und Politiker Opfer von Drohungen und Gewalt. Die Bürgermeisterin von Zwickau hat eine perfide Drohmail von einem Absender namens Adolf Hitler erhalten, der sich auf den NSU und den Mord an Walter Lübcke bezieht.

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"Ich weiß nicht so recht, welches Anliegen der Absender hatte? Wollte er Angst machen?" schreibt Constance Arndt (Bürger für Zwickau, BfZ) am Dienstag auf Instagram zu einem Bildschirmfoto. Wenn ja, sei ihm das gelungen. "Ich empfinde es bedrohlich." Mit dem Post macht die Bürgermeisterin von Zwickau eine Drohmail öffentlich: Ein Absender, der sich Adolf Hitler nennt, hat ihr von der Mailadresse nsu@gmail.com geschrieben, sie solle "an Walter Lübke" denken. "Immer schön aufpassen."

Mit seiner Mailadresse nimmt der Absender Bezug auf den sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), eine Neonazi-Vereinigung, die zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordet hat. Außerdem verübte die Gruppe um die Haupttäter Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt über 40 weitere Mordversuche und mehrere Sprengstoffanschläge. Seit 2018 haben Rechtsextreme rund 170 mit "NSU 2.0" unterzeichnete Morddrohungen per Mail, Fax oder SMS verschickt. Viele gingen an Frauen mit Migrationshintergrund, andere an Politiker und Prominente.

Absender nimmt Bezug auf brutalen Mord durch Neonazi

Walter Lübcke (CDU) – der sich anders als in der Drohmail mit ck schreibt – war Regierungspräsident von Kassel. 2019 erschoss der Rechtsextremist Stephan Ernst ihn auf der Terrasse seines Hauses. Als Motiv nannte er Lübckes Engagement für Geflüchtete.

Arndt ist seit 2020 Bürgermeisterin von Zwickau. Sie gehört zur Wählervereinigung "Bürger für Zwickau", für die sie zuvor bereits im Stadtrat saß. In der 88.000-Einwohner-Stadt in Sachsen gaben bei der Bundestagswahl Ende Februar 40,6 Prozent der Wähler ihre Stimme der AfD. Über die Erststimme zog Matthias Moosdorf von der AfD für Zwickau in den Bundestag ein.

Ministerin Köpping (SPD) verurteilt Drohung "aufs Schärfste"

Nach eigener Aussage will sich Arndt von der Drohmail nicht einschüchtern lassen – doch die Frage, "was das für mich und meine Familie bedeuten könnte", beschäftigt sie. Die 47-Jährige hat eine Tochter. Gegen den Absender der Drohmail hat sie Strafanzeige erstattet.

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) sprach auf X von einem "Einschüchterungsversuch", den sie aufs Schärfste verurteile. Weiter schrieb sie: "Wir müssen diese Drohungen leider sehr ernst nehmen und dürfen nicht nachlassen in der gesamtgesellschaftlichen Bekämpfung des Rechtsextremismus."

Beleidigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen und immer wieder auch körperliche Gewalt – seit Jahren nehmen Attacken auf Politikerinnen und Politiker zu. 2024 stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr laut Bundeskriminalamt um 29 Prozent auf rund 5.400 Fälle. Auch Kommunalpolitiker trifft es häufig: In einer Umfrage der Körber-Stiftung vom vergangenen Jahr gaben 40 Prozent von gut 1.500 ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern an, dass sie oder Personen aus ihrem Umfeld schon einmal wegen ihrer Tätigkeit beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen wurden.

Viele machen dennoch weiter. Doch der Städte- und Gemeindebund hat erhoben, dass jeder zehnte von Aggression und Hass Betroffene überlegte, sein Amt niederzulegen oder nicht mehr anzutreten. In einem Papier von 2024 heißt es deshalb. "Die ohnehin anspruchsvollen Ämter werden zunehmend unattraktiver."

Verwendete Quellen