Union und SPD wollen in Zukunft zusammen regieren. Zuletzt haben sie sich auf Kompromisse zu Wirtschaft, Migration, Arbeit und Verteidigung geeinigt. Wie sehen diese Einigungen genau aus – und warum stoßen sie auf Kritik?
Union und SPD haben sich auf erste Pläne für eine gemeinsame Bundesregierung geeinigt. Einen Koalitionsvertrag gibt es noch nicht, aber dafür ein Sondierungspapier mit ersten Punkten.
1. Wirtschaft
"Wir wollen, dass Deutschland ein starkes Industrieland bleibt und dass Fleiß sich lohnt", heißt es im Sondierungspapier. Zu diesem Zweck sollen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:
Energiekosten
Die Stromkosten sollen dauerhaft niedrig und gut planbar bleiben, damit Deutschland international wettbewerbsfähig bleibt. Um Unternehmen und Haushalte zu entlasten, soll die Stromsteuer auf das Minimum gesenkt werden, das in der EU erlaubt ist. Dadurch sollen die Kosten um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde sinken. Zusätzlich wollen Union und SPD die Netzkosten, die Teil des Strompreises sind, um die Hälfte reduzieren.
Klimaziele einhalten
Union und SPD bekennen sich zu den deutschen und europäischen Klimazielen. Sie wollen daran arbeiten, diese zu erreichen.
Einkommensteuerreform
Die "breite Mittelschicht" soll entlastet werden. Geplant ist eine Reform der Einkommensteuer. Außerdem soll die Pendlerpauschale in der Steuererklärung erhöht werden.
Automobilindustrie
Union und SPD planen, die E-Mobilität mit Kaufanreizen zu fördern, nachdem die Nachfrage in der Vergangenheit deutlich zurückgegangen ist.
Gastronomie
Die Umsatzsteuer auf Speisen in Restaurants soll dauerhaft auf sieben Prozent gesenkt werden. Während der Corona-Zeit war die Mehrwertsteuer in der Gastronomie bereits vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden.
Landwirtschaft
Der Landwirtschaft soll der Rücken gestärkt werden. Dafür soll die Agrardiesel-Rückvergütung vollständig wieder eingeführt werden, nachdem diese von der Ampel ausgesetzt worden war.
2. Migration
"Wir wollen ein einwanderungsfreundliches Land bleiben und eine qualifizierte Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt attraktiv machen", schreiben CDU, CSU und SPD in ihrem Sondierungspapier. Migration galt bis zuletzt noch als Streitpunkt zwischen den beiden Parteien.
Zurückweisungen
In Zukunft sollen Asylsuchende daran gehindert werden, über die Grenze nach Deutschland zu kommen. "Wir wollen alle rechtstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren", heißt es. Möglich sind Zurückweisungen nur da, wo es stationäre Grenzkontrollen gibt.
Mehr Integration
Union und SPD wollen verstärkt in Integration investieren, Integrationskurse fortsetzen, Sprach-Kitas und das Startchancen-Programm für Schulen ausweiten. Eine verpflichtende Integrationsvereinbarung soll künftig Rechte und Pflichten festlegen.
Familiennachzug
Der Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis soll vorübergehend ausgesetzt werden. Außerdem wird eine Rückführungsoffensive angestrebt: Bei Abschiebungen soll kein verpflichteter Rechtsbeistand mehr erforderlich sein, die Bundespolizei könnte Abschiebehaft anordnen und die Liste sicherer Herkunftsländer soll erweitert werden.
3. Soziales und Arbeit
Auch im sozialen Bereich streben Union und SPD Änderungen an.
Mindestlohn
Der Mindestlohn soll ab 2026 auf 15 Euro steigen, derzeit liegt er bei 12,82 Euro.
Rente
Das Renteneintrittsalter bleibt bei höchstens 67 Jahren. Wer weiterarbeitet, kann die ersten 2000 Euro steuerfrei verdienen. Zudem soll die Mütterrente reformiert werden, sodass für alle Kinder (auch die vor 1992 Geborenen) drei Erziehungsjahre für die Rente angerechnet werden.
Arbeitszeit
Es wird überlegt, die maximale Arbeitszeit pro Woche statt pro Tag festzulegen. Für Überstunden, die über die normale Arbeitszeit hinausgehen, sollen Zuschläge steuerfrei bleiben.
Bürgergeld
Das Bürgergeldsystem soll neu gestaltet werden, um eine Grundsicherung für Arbeitssuchende zu schaffen. Wer wiederholt zumutbare Arbeit verweigert, soll alle Leistungen verlieren.
Pflege
Union und SPD wollen eine umfassende Pflegereform starten, um die steigenden Kosten in der Pflege zu bewältigen.
Woher kommt das Geld?
Weniger klar ist, wie die vielen Maßnahmen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik finanziert werden sollen. Auf Einsparungen oder erhöhte Einnahmen hätten die Sondierer weitgehend verzichtet, heißt es im Newsletter "Berlin.Table". Klar ist nur, dass Union und SPD deutlich mehr Schulden aufnehmen wollen. Das würde Druck aus dem Haushalt nehmen.
4. Verteidigung
"Unser Ziel ist es, die innere und äußere Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken", steht zu Beginn des Sondierungspapiers. Darüber hinaus stellen Union und SPD klar, dass Deutschland fest an der Seite der von Russland angegriffenen Ukraine steht.
Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz
Im ersten halben Jahr nach der Regierungsbildung will Schwarz-Rot ein Gesetz vorstellen, das die Planung und den Einkauf für die Bundeswehr beschleunigt. Eine Liste wird festlegen, welche Rüstungsgegenstände besonders schnell beschafft werden müssen.
Grundgesetzänderungen
Union und SPD hatten sich darauf verständigt, Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse auszunehmen. Zudem wollen sie ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur errichten. Für beide Schritte wäre eine Änderung des Grundgesetzes nötig.
Grüne wollen Grundgesetzänderungen zu Finanzen nicht zustimmen
Die Grundgesetzänderungen können CDU, CSU und SPD allerdings nicht alleine umsetzen. Dafür ist eine Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig, und dafür ist Schwarz-Rot auf die Grünen angewiesen.
Die Grünen-Fraktion will den Schuldenplänen für Verteidigung und Infrastruktur jedoch nicht zustimmen. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte am Montag in Berlin, das seien nicht die Reformen, die Deutschland jetzt brauche. Union und SPD "wollen die Schuldenbremse reformieren, um Steuergeschenke damit zu finanzieren", kritisierte Grünen-Parteichefin Franziska Brantner. Dafür stünden die Grünen nicht zur Verfügung. Brantner pochte auch auf mehr Investitionen in den Klimaschutz.
Hinzu kommt: Weil CDU, CSU und SPD im neugewählten Bundestag auch mit den Grünen keine Zweidrittel-Mehrheit haben, wollen sie die Grundgesetzänderungen noch mit dem alten Bundestag umsetzen. Einen Grund für diese Eile sehen die Grünen nicht.
Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann und Co-Parteichef Felix Banaszak betonten, die Grünen seien zu einer gemeinsamen Lösung zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit bereit. Dafür sollten Union und SPD einen separaten Gesetzentwurf vorlegen. Das Ziel sei, "am Ende zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen". (dpa/lla)
Verwendete Quellen:
- spd.de: Ergebnisse der Sondierungen von CDU, CSU und SPD
- Berlin.Table vom 9. März 2025
- Material der Nachrichtenagentur dpa