Bei der Todesfahrt über einen Magdeburger Weihnachtsmarkt am Freitagabend sind mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen - darunter ein Kleinkind. Am Tag nach den dramatischen Szenen soll es eine Gedenkfeier geben.

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Acht Jahre und einen Tag nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz hat sich ein ähnlicher Vorfall in Magdeburg ereignet. Der Täter handelte wohl allein. Er wurde direkt nach der Tat festgenommen.

Auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ist ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. Die Behörden gehen von einem Anschlag aus. Der Täter wurde laut Polizei festgenommen.

Laut Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) ist der Täter ein seit 2006 in Deutschland lebender Arzt aus Saudi-Arabien. Der 50-Jährige habe in Bernburg gelebt und gearbeitet. "Nach jetzigem Stand ist es ein Einzeltäter, sodass auch für die Stadt nach jetzigem Ermessen keine weitere Gefahr ausgeht, weil wir ihn festnehmen konnten und jetzt alle Untersuchungen laufen", sagte Haseloff.

Der Verdächtige war nach Informationen aus Sicherheitskreisen bislang nicht als Islamist bekannt. Laut Landesinnenministerin Tamara Zieschang hat der Mann einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Nach Aussage von Haseloff handelte es sich bei dem Auto um einen Leihwagen mit Münchner Kennzeichen.

Zum Motiv konnte die Polizei am späten Freitagabend keine Angaben machen. Das Geschehen könne "noch nicht abschließend klassifiziert" werden, teilte die Polizei mit. "Wir kennen noch keine Hintergründe zur Tat, wir ziehen alles in Betracht", sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage der dpa.

Auch am frühen Samstagmorgen geht die Polizei weiter von einem Einzeltäter aus. Hinweise auf ein zweites, möglicherweise mit der Tat im Zusammenhang stehendes Auto hätten sich bei den Ermittlungen nicht bestätigt, erklärte die Polizei am Samstag. Derweil seien die Beamten weiter im Einsatz: Gegenwärtig käme es unter anderem zu Durchsuchungen in Bernburg, teilte eine Sprecherin der Polizei mit. Details nannte sie nicht. "Aktuell haben wir keine Hinweise auf Mittäter."

Was wir über den Anschlag in Magdeburg wissen:

  • Ein Auto ist am frühen Abend auf dem Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt in eine Menschengruppe gefahren.
  • Ministerpräsident Reiner Haseloff spricht später von mindestens zwei Toten, einem Erwachsenen und einem Kleinkind.
  • Mindestens 60 Menschen sind nach offiziellen Angaben verletzt, darunter sind 15 Schwerstverletzte.
  • Das Auto rast rund 400 Meter über das Gelände, wie "Bild" unter Berufung auf Polizeiangaben berichtet.
  • Haseloff bestätigt, dass der Fahrer festgenommen worden sei.
  • Der Mann soll nach Angaben von Landesinnenministerin Tamara Zieschang ein 50 Jahre alter Arzt aus Bernburg sein, der aus Saudi-Arabien stammt.
  • Der Mann ist demnach 2006 erstmals nach Deutschland gekommen, arbeitet hier und hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel.
  • Die Polizei hat derzeit keine Hinweise auf Mittäter. Hinweise, nach denen ein zweites, möglicherweise tatrelevantes Auto in der Innenstadt gesichtet wurde, hätten sich nicht bestätigt.
  • Auch Haseloff geht von einem Einzeltäter und keiner weiteren Gefahr aus.
  • Nach Informationen aus Sicherheitskreisen ist der mutmaßliche Täter nicht als Islamist bekannt.
  • Der Mann wird nach offiziellen Angaben verhört.
  • Laut Polizei werden Durchsuchungen durchgeführt. Eine Sprecherin sagte, es laufe eine Durchsuchung in Bernburg.
  • Stadtsprecher Michael Reif sagt, es sei "ein Anschlag".
  • Verletzte wurden vor Ort versorgt, etwa vor Marktbuden, und nach und nach in Krankenhäuser gebracht. Zur Versorgung der Verletzten wurden Zelte aufgebaut.
  • Die Polizei spricht von umfangreichen Einsatzmaßnahmen.
  • Der Weihnachtsmarkt wurde laut Polizei geschlossen.

Was wir nicht wissen:

  • Die genaue Zahl von Verletzten ist noch unklar.
  • Der Name des Täters ist noch nicht bekanntgegeben worden.
  • Der Hintergrund des Vorfalls oder das Motiv des Täters sind unklar.

Mindestens zwei Tote, darunter ein Kleinkind

Laut Haseloff sind bei dem Anschlag mindestens zwei Personen gestorben, ein Erwachsener und ein Kleinkind. Haseloff zufolge wurden mindestens 60 Menschen verletzt. "Und wir können derzeit nicht ausschließen, weil es sich auch um Schwerverletzte handelt, dass wir noch weitere Menschenleben zu beklagen haben könnten."

Die "Magdeburger Volksstimme" berichtete sogar von elf Toten. Die Polizei hat diese Informationen allerdings noch nicht bestätigt.

Der Stadtsprecher von Magdeburg sprach von "zahlreichen Verletzten". "Die Bilder sind schrecklich. Nach meinem Kenntnisstand ist ein Pkw in die Weihnachtsmarktbesucherinnen und -besucher gefahren - aber aus welcher Richtung und wie weit kann ich noch nicht sagen", sagte Stadtsprecher Michael Reif.

Nach Angaben der Stadt gibt es 15 Schwerstverletzte, 37 mittelschwer Verletzte und 16 Leichtverletzte. Im Einsatz seien etwa 100 Feuerwehr- und 50 Rettungskräfte.

Haseloff kündigt Besuch von Scholz an

"Das ist eine Katastrophe für die Stadt Magdeburg und für das Land und auch generell für Deutschland", sagte Haseloff. Gerade im Zusammenhang mit Weihnachten sei dies "eines der schlimmsten Dinge, die man sich nur vorstellen kann".

Der Täter wird dem Regierungschef zufolge derzeit von der Polizei verhört. Er arbeitet demnach als Arzt bei einem Unternehmen. Er habe angesichts der Schwere des Anschlags auch Signale, dass der Generalbundesanwalt tätig werden könnte, sagte Haseloff.

Der CDU-Politiker kündigte an, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Samstag nach Magdeburg kommen werde. Dabei gehe es voraussichtlich nicht nur um gemeinsames Trauern, sondern auch darum, "Maßnahmen zu besprechen, die notwendig sind".

Der Weihnachtsmarkt wurde nach der Tat geschlossen, auch der Straßenbahnverkehr wurde eingestellt. Auf der Plattform X wurden am Abend Videos geteilt, in denen zahlreiche Einsatzfahrzeuge zu sehen waren.

Festgenommener als islamkritischer Aktivist bekannt

Der nach der Attacke festgenommene Mann aus Saudi-Arabien ist als islamkritischer Aktivist bekannt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bezeichnet sich der 50-jährige Arzt, der seit 2006 in Deutschland lebt, selbst als Ex-Muslim.

In sozialen Medien und Interviews erhob er zuletzt teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: "Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland."

Handyvideo soll Festnahme des Verdächtigen zeigen

Ein Handyvideo soll die Festnahme des Verdächtigen zeigen. In dem Clip ist zu sehen, wie ein Polizist seine Waffe auf den Verdächtigen richtet und ihm zuruft, sich hinzulegen: "Die Hände auf den Rücken!" und "Bleib liegen!" Der Mann legt sich neben einem schwarzen - sichtbar beschädigten - Auto auf den Boden und befolgt die Anweisungen. Schließlich kommt Verstärkung, mehrere Polizisten springen aus dem Einsatzwagen und umkreisen den am Boden liegenden Verdächtigen. Der Polizist weist seine Kollegen an, "nicht so nah ran" zu gehen.

Der Vorfall weckt Erinnerungen an den Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz vor acht Jahren. Am Donnerstag jährte sich die Tat in Berlin zum achten Mal. Am 19. Dezember 2016 steuerte der Islamist Anis Amri einen gekaperten Sattelschlepper auf den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Er tötete zwölf Menschen und verletzte Dutzende.

Gedenkfeier geplant

Am Samstagabend ist eine Gedenkfeier für die Opfer im Magdeburger Dom geplant. Man wolle Betroffenen, Angehörigen und allen anderen Bürgern eine Möglichkeit zum Trauern geben, sagte Oberbürgermeisterin Simone Borris am Abend unter Tränen vor Journalisten. "Wir werden eine lange Zeit zum Trauern brauchen", sagte sie sichtlich fassungslos. "Wir werden das alles umfassend aufarbeiten."

Die Stadt Magdeburg lässt in den kommenden Tagen alle Kultureinrichtungen geschlossen, Theater, Puppentheater und auch andere Spielstätten, wie der Stadtsprecher Michael Reif sagte.

Innenministerin sagt Unterstützung des Bundes zu

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) telefonierte am Abend mit Landesinnenministerin Zieschang. "Die Sicherheitsbehörden werden die Hintergründe aufklären", sagte Faeser nach dem Telefonat. Sie habe ihrer Kollegin "jede mögliche Unterstützung des Bundes zugesagt".

Sie stehe mit den Sicherheitsbehörden des Bundes hierzu in engem Austausch, sagte Faeser weiter. Das Bundeskriminalamt unterstütze die Ermittlungen der Behörden in Sachsen-Anhalt bereits.

"Die erschütternde Tat in Magdeburg wenige Tage vor Weihnachten trifft uns ins Herz", sagte Faeser. "Wir bangen weiter um das Leben der Schwerverletzten und trauern um die Menschen, die durch diese furchtbare Tat aus dem Leben gerissen wurden."

Die Innenministerin kündigte an, sie werde am Samstag gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Magdeburg kommen, "um unser tiefes Mitgefühl auszudrücken und den Einsatzkräften zu danken".

Polizei Magdeburg richtet Bürgertelefon ein Uniklinik bereitet sich auf Verletzte vor

Die Polizei Magdeburg hat unterdessen ein Bürgertelefon für betroffene Angehörige eingerichtet. Es ist unter der Rufnummer 0391 – 546 1690 zu erreichen.

Zudem bittet die Polizei die Bevölkerung um Hinweise, Fotos und Videos rund um den tödlichen Anschlag. Zeuginnen und Zeugen können diese direkt im Hinweisportal der Polizei Sachsen-Anhalt hochladen, wie die Polizeiinspektion Magdeburg informiert.

Die Uniklinik Magdeburg bereitete sich unterdessen auf viele Verletzte vor. Die ersten zehn bis 20 Patienten würden aktuell versorgt, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. Man stelle sich jedoch auf deutlich mehr Verletzte ein. "Wir rüsten gerade auf", sagte der Sprecher der Uniklinik. "Intensivbetten stehen bereit."

Die Uniklinik steht mit anderen Krankenhäusern aus Sachsen-Anhalt in Kontakt, um sich bei der Versorgung der Verletzten abzustimmen. Außerdem wurde im Haus 8 ein psychologischer Dienst für Angehörige eingerichtet.

Am Samstagabend um 19:00 Uhr soll es im Dom der Stadt eine Gedenkstunde geben. Man wolle Betroffenen, Angehörigen und allen anderen Bürgern eine Möglichkeit zum Trauern geben, sagte die Magdeburger Oberbürgermeisterin Simone Borris am Abend unter Tränen vor Journalisten. "Wir werden eine lange Zeit zum Trauern brauchen", sagte sie sichtlich fassungslos. "Wir werden das alles umfassend aufarbeiten."

Steinmeier: "Vorfreude auf friedliches Weihnachtsfest jäh unterbrochen"

Viele Politikerinnen und Politiker äußerten am Freitagabend ihre Bestürzung. "Die Vorfreude auf ein friedliches Weihnachtsfest wurde durch die Meldungen aus Magdeburg jäh unterbrochen", schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Facebook. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Ich danke allen Rettungskräften für ihren Einsatz."

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich betroffen. "Die Meldungen aus Magdeburg lassen Schlimmes erahnen", schrieb Scholz am Freitagabend im Online-Dienst X. Seine Gedanken seien bei den Opfern und ihren Angehörigen, sein Dank gelte "den engagierten Rettungskräften in diesen bangen Stunden".

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz schrieb auf X: "Das sind sehr bedrückende Nachrichten aus Magdeburg. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Ich danke allen Einsatzkräften, die sich vor Ort um die Verletzten kümmern.

Vereinte Nationen zeigten sich bestürzt

Die Vereinten Nationen zeigten sich bestürzt. "Wir sind geschockt von den Berichten über die Attacke heute in Magdeburg, Deutschland", sagte Stéphane Dujarric, Sprecher des UN-Generalsekretärs. "Wir sprechen den Familien der Opfer sowie der Regierung und den Menschen in der Bundesrepublik unser Beileid aus." Den Verletzten wünsche man eine baldige Genesung.

Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance zeigte sich bei X ebenfalls betroffen: "Was für eine entsetzliche Attacke so kurz vor Weihnachten."

USA versichern Deutschland Solidarität

Die USA haben Deutschland indes ihre Solidarität versichert und den Angehörigen der Opfer ihr Beileid ausgesprochen. "Wir stehen in Solidarität mit dem deutschen Volk beim Trauern um die Menschen, die ihr Leben verloren haben", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Die USA seien bereit, Unterstützung zu leisten, während die Bergungsarbeiten weitergingen und die Behörden diesen schrecklichen Vorfall untersuchten.

Deutschland sei einer der engsten Partner und stärksten Verbündeten, erklärte Miller weiter. Die USA stünden heute und in den kommenden Wochen an seiner Seite. "In unseren Gesellschaften ist kein Platz für Gewalt." Die USA seien schockiert und traurig über die Attacke.

Rund acht Jahre nach Berliner Weihnachtsmarktanschlag

Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Dabei wurden 12 Menschen getötet, das 13. Opfer starb 2021 an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.

Auch in anderen Städten mit Weihnachtsmärkten ist die Polizei nun besonders achtsam. In Stuttgart sagte ein Polizeisprecher, die Polizeikräfte seien vor Ort sensibilisiert worden. In Berlin sagte ein Sprecher, man habe die Beamten aufgerufen, ein erhöhtes Augenmerk auf Weihnachtsmärkte zu richten. (dpa/afp/bearbeitet von jst, ank und pak)

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