Die künftigen Koalitionäre steuern wohl auf eine baldige Einigung zu. In der CDU geht derweil die Sorge um, der Vertrag könnte SPD-dominiert sein.

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Unter dem Eindruck des Zollkonflikts mit den USA und des Umfragehochs für die AfD haben Union und SPD ihre Verhandlungen über die letzten offenen Punkte im Koalitionsvertrag fortgesetzt. Teilnehmende berichteten am Dienstag von weiteren Fortschritten und stellten einen baldigen Abschluss in Aussicht. In der CDU wurden derweil Befürchtungen lauter, der Vertrag könne zu sehr von SPD-Positionen dominiert sein: Die Bundestagsabgeordnete Inge Gräßle forderte deshalb eine Mitgliederbefragung.

Eine solche Basisbefragung würde die CDU "innerparteilich befrieden", sagte Gräßle dem "Tagesspiegel". Die baden-württembergische Abgeordnete verwies darauf, dass die SPD den Koalitionsvertrag den Mitgliedern zur Abstimmung vorlegen werde - und dass die SPD das Mitspracherecht ihrer Basis in den Verhandlungen in einer "Druckstrategie" nutze, um der Union Zugeständnisse abzuverlangen. "Es ist an der Zeit, demokratische Prozesse zu leben, statt präsidiales Vorgehen zu pflegen", sagte Gräßle.

CDU sieht Mitgliederbefragung bislang nicht vor

In der Parteisatzung der CDU ist eine Mitgliederbefragung über einen Koalitionsvertrag allerdings nicht vorgesehen. Darauf wies am Dienstag auch Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) hin, der die Forderung nach einem Basisvotum zurückwies. Über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen werde bei der CDU der Bundesausschuss, ein kleiner Parteitag, entscheiden, sagte Frei.

In den vorangegangenen Tagen hatten einzelne CDU-Vertreter davor gewarnt, durch Zugeständnisse an die SPD die im Wahlkampf versprochene "Politikwende" zu verhindern. Entsprechend hatte sich etwa der Chef der Nachwuchsorganisation Junge Union, Johannes Winkel, geäußert.

Der Chef der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, Christian Hartmann, kritisierte es am Dienstag als "nicht klug", dass in der CDU nur der Bundesausschuss über den Koalitionsvertrag abstimmen soll. "Ich finde es wichtiger denn je, dass ein Koalitionsvertrag der Union von einer breiten Basis debattiert und getragen wird", sagte Hartmann den Zeitungen der Mediengruppe Bayern vom Mittwoch. Er schlug Regionalkonferenzen vor, um den Koalitionsvertrag innerparteilich zu diskutieren.

Auch der brandenburgische CDU-Landeschef Jan Redmann forderte in jedem Fall eine starke Mitgliederbeteiligung. "Wenn der Koalitionsvertrag steht, muss die CDU-Basis dazu gehört werden", sagte er dem "Tagesspiegel". "Das können Diskussionsveranstaltungen sein. Ich bin auch für eine Mitgliederbefragung offen."

Die CDU hatte erst bei ihrem Bundesparteitag Anfang Februar kurz vor der Wahl eine Satzungsänderung vorgenommen, derzufolge über Koalitionsverträge nicht mehr ein Bundesparteitag, sondern der deutlich kleinere Bundesausschuss zu entscheiden hat. An ordentlichen Bundesparteitagen nehmen bei der CDU in der Regel um die 1000 Delegierten teil, der Bundesausschuss hat nur rund 160 Mitglieder.

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Politikprofessor: Kein Kanzler "mit so wenig Vertrauen in seinem Amt begonnen"

In jüngsten Umfragen hat die Union an Zustimmung verloren, die AfD ist zum Teil mit ihr gleichgezogen. Auch die Zustimmungswerte für Merz persönlich gingen zurück. Politikprofessor Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel sagte dazu der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag: "Es gab noch nie einen Kanzler, der mit so wenig Vertrauen in seinem Amt begonnen hat."

Merz habe "keine guten Voraussetzungen, um ein starker Kanzler zu werden, weil er bislang kaum einen Vertrauensvorschuss erhält - im Gegenteil, das Misstrauen gegen ihn hat zugenommen", sagte Schroeder weiter.

Die Unterhändlerinnen und Unterhändler von CDU, SPD und CSU kamen am Vormittag in der Berliner CDU-Zentrale zur nächsten Runde der Koalitionsverhandlungen zusammen. Dabei verdichteten sich die Anzeichen für einen baldigen Abschluss der Verhandlungen.

"Wir kommen insgesamt gut voran, wir haben viele Stolpersteine schon aus dem Weg räumen können", sagte Unionsparlamentsgeschäftsführer Frei vor Beginn der Gesprächsrunde. Wann genau der Koalitionsvertrag fertig sei, hänge "von der Dynamik der letzten Stunden ab".

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) zeigte sich zuversichtlich, "dass wir das auch in dieser Woche abschließen können". CDU-Vizechefin Karin Prien sagte, die Parteien benötigten "noch einen Moment" Zeit, um den Koalitionsertrag fertigzustellen.

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) wies insbesondere auf großen Konsens bei Union und SPD bei der Belebung der Wirtschaft hin. Unter dem Eindruck, "was in der Weltwirtschaft passiert, was die USA machen, ist da große Einigkeit", sagte er im Deutschlandfunk. Er prophezeite: "Wir werden viele überraschen, wenn das Ergebnis bekannt ist." (afp/ bearbeitet durch ras)

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