Bundeskanzler Olaf Scholz beantragt am 11. Dezember die Vertrauensfrage. Doch was bedeutet das ganz konkret für die Regierung – und für uns als Wählerinnen und Wähler?
Am 11. Dezember stellt Bundeskanzler
Artikel 68 Grundgesetz
- (1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
- (2) Zwischen dem Antrag und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.
In Deutschland beruht das parlamentarische System auf einem Prinzip: Der Bundeskanzler als Kopf der Regierung muss eine Mehrheit der Mitglieder des Bundestags hinter sich haben. Bei der Vertrauensfrage beantragt der Bundeskanzler also im Bundestag, dass die Abgeordneten ihm das Vertrauen aussprechen. Sie stimmen in diesem Fall konkret darüber ab, ob sich Olaf Scholz als Bundeskanzler weiterhin auf eine Mehrheit im Parlament stützen kann – oder nicht.
Wichtig dabei: Es geht um die Mehrheit der Abgeordneten insgesamt, nicht um die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
Unterschied zwischen Vertrauensfrage und Misstrauensvotum
- Von der Vertrauensfrage spricht man, wenn der Kanzler selbst zur Abstimmung aufruft. Ein sogenannter Misstrauensantrag geht hingegen vom Parlament aus. In Deutschland kann der Bundestag den Kanzler allerdings nur durch ein "konstruktives Misstrauensvotum" stürzen: indem er einen anderen Kanzler wählt.
Vertrauensfrage: Wie geht es danach weiter?
Je nach Ergebnis der Abstimmung gibt es zwei mögliche Szenarien.
- Szenario 1: Olaf Scholz hat die Mehrheit des Parlaments hinter sich.
Der Bundeskanzler hätte sich damit das Vertrauen des Parlaments gesichert. Auf dieser Grundlage ist es wahrscheinlich, dass er bis zur regulären Bundestagswahl am 28. September 2025 im Amt bleibt.
- Szenario 2: Olaf Scholz erhält keine Mehrheit im Bundestag.
Weil die FDP die Bundesregierung verlassen hat, ist davon auszugehen, dass Scholz die Vertrauensfrage verliert. Dann wird der Kanzler im nächsten Schritt den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier bitten, den Bundestag aufzulösen. Der Bundespräsident ist nach dem Grundgesetz allerdings nicht dazu verpflichtet, sondern hat nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts "im Rahmen seines Ermessens die Lage selbständig und insoweit ohne Bindung an die Einschätzungen und Beurteilungen des Bundeskanzlers [...] zu beurteilen".
Kommt er auch zu dem Schluss, dass der Bundestag aufgelöst werden muss, hat er maximal 21 Tage Zeit, dies zu tun. Gemäß Artikel 39 des Grundgesetzes muss dann innerhalb von 60 Tagen ein neuer Bundestag gewählt werden. Im aktuellen Fall ist schon klar, dass die Deutschen am 23. Februar 2025 den Bundestag neu wählen.
Nach Auflösung des Bundestags: Was geschieht in der Übergangsphase?
Kommt es zu Neuwahlen, ist Deutschland direkt nach Auflösung des Bundestags nicht ohne politische Führung. Der Kanzler und sein Kabinett bleiben im Amt. Das gilt auch für den Fall, dass nach der vorgezogenen Neuwahl die Koalitionsbildung schwierig wird.
Das regelt Artikel 69 im Grundgesetz: Der Kanzler bleibt auf Ersuchen des Bundespräsidenten so lange im Amt, bis sein Nachfolger ernannt ist. Gleiches gilt für Bundesministerinnen oder -minister, wenn sie der Bundespräsident oder der Bundeskanzler darum bitten.
Wie oft wurde die Vertrauensfrage bereits in Deutschland gestellt?
Vor der Ankündigung von Olaf Scholz kam es bisher fünf Mal vor, dass ein deutscher Bundeskanzler die Vertrauensfrage gestellt hat:
- 1972 fand Willy Brandts (SPD) Antrag nicht die nötige Mehrheit. Es kam zu Neuwahlen.
- 1982 wurde die Vertrauensfrage gleich zweimal gestellt: Zuerst versicherte sich Helmut Schmidt (SPD) der Zustimmung des Parlaments. Er erhielt am 5. Februar 1982 die Bestätigung für seine Regierung.
- Später im gleichen Jahr stellte Helmut Kohl (CDU) den Antrag auf Abstimmung. Es ging dabei darum, Neuwahlen vor dem regulären Termin zu erwirken. Das Vorhaben ging auf, die Bundestagswahl im März 1983 konnte die Union klar für sich entscheiden.
- Gerhard Schröder (SPD) stellte die Vertrauensfrage zweimal: 2001 sprach ihm der Bundestag sein Vertrauen aus.
- Schröders Antrag vier Jahre später hatte ebenfalls das Ziel, Neuwahlen zu erwirken. Diese fanden im September 2005 statt - und brachten Angela Merkel (CDU) ins Amt.
(dpa/bearbeitet von tar/the/lla/fab)
Verwendete Quellen
- dpa
- Bundesministerium für Justiz: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 68 und Art 69
- Deutscher Bundestag: Auflösung des Bundestages und vorzeitige Wahlen
- bpb.de: Das Politiklexikon: Misstrauensvotum und Vertrauensfrage
- bundespraesident.de: Statement des Bundespräsidenten zur aktuellen innenpolitischen Lage
- bundestag.de: Vertrauensfrage des Bundeskanzlers
- Deutscher Bundestag: Lexikon parlamentarischer Begriffe
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