Erneut wurde ein US-Amerikaner von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hingerichtet. Doch diesmal steht nicht die Tötung der westlichen Geisel im Vordergrund. Vielmehr inszeniert sich der IS in dem fast 16-minütigen Video auf eine neue Art. Was steckt dahinter?
Er ist die fünfte ausländische Geisel, die von den Kämpfern des Islamischen Staats (IS) ermordet wurde: Die Terrormiliz präsentierte am Wochenende ein neues Video, in dem sie behauptet, den US-Entwicklungshelfer Peter Kassig getötet zu haben. Am Sonntagabend bestätigten die USA die Echtheit des Videos, Präsident Obama nannte die Enthauptung einen "Akt des reinen Bösen".
Mit dem Video setzte der IS seine Drohung aus der Vergangenheit um, weitere Geiseln zu töten. Den ehemaligen US-Soldat Kassig, der nach seinem Armeedienst als Entwicklungshelfer in der Region arbeitete, hatten die Terrorkrieger bereits Anfang Oktober in einem anderen Video als nächstes Opfer für ihre blutige Propaganda ausgewählt.
IS tötet auch Muslime
Kassig war im Oktober 2013 in Syrien entführt worden, wo er Flüchtlingen des Bürgerkriegs helfen wollte. Schon in den ersten Tagen seiner Gefangenschaft konvertierte Kassig zum Islam und nahm den Namen Abdul-Rahman an. Doch auch das konnte ihn nicht vor dem Tod schützen - wieso enthauptet der Islamische Staat auch Muslime?
Die Logik des IS: Wer sich den streng-religiösen Regeln der Islamisten nicht anschließt, wird bestraft oder ermordet - selbst wenn er dem Islam beigetreten ist. Und das trifft alle islamischen Glaubensrichtungen, insbesondere auch Schiiten, wie sie mehrheitlich im Irak oder Iran leben.
Das Vorgehen des IS passt zu dem Selbstverständnis, das ein Rekrutierer vor wenigen Wochen im Interview mit "Spiegel Online" dargelegt hatte: "Die Scharia ist unser Gesetz, es bedarf keiner Interpretation und keiner von Menschen gemachten Gesetze. Allah ist der einzige Gesetzgeber. Wer gegen die Scharia ist, ist kein Muslim." Die Fundamentalisten teilen die Welt in Gläubige und Ungläubige. Und Kassig war für sie offenbar auch als Konvertit noch ein Ungläubiger.
Im neuen Video werden "Grenzen aufgehoben"
Doch nicht nur, dass der IS in Person von Kassig einen Moslem getötet hat - noch viel mehr ist neu an dem Video. Denn obwohl das Video fast 16 Minuten dauert, wird der Amerikaner Kassig darin nur kurz am Ende gezeigt. Stattdessen beginnt das Video zunächst mit historischen Bildern zum Islamischen Staat, ehe die Terrorkrieger mehr als ein Dutzend Syrer töten, angeblich Piloten und Offiziere der syrischen Armee.
In dem neuen Video würden erstmals "Grenzen aufgehoben", sagt Bernd Zywietz. Der Film- und Medienwissenschaftler ist Mitglied im Netzwerk Terrorismusforschung und analysiert die Propagandavideos des IS. Er hat auch die jüngsten Aufnahmen gesehen und "musste dabei schlucken".
Diese menschenverachtende Mischung aus Hochglanzbildern und Hinrichtungen habe es so zuvor noch nicht gegeben, erklärt Bernd Zywietz. Der Forscher glaubt, der IS wolle mit der Kombination noch mehr Aufmerksamkeit im Westen gewinnen und habe deshalb bewusst eine Inszenierung gewählt, die sich von den Mustern der vorherigen Videos abhebt.
Botschaft an die USA und arabische Staaten
Der Islamwissenschaftler Michael Lüders vermutet, dass der IS mit dem Video eine Bodenoffensive der USA provozieren will, um sich als Kämpfer gegen die westlichen Imperialisten zu präsentieren. Aber "es dürfte auch an Lokale gerichtet sein", sagt Zywietz - also Gruppen in der Region, die den IS bekämpfen oder Verbündete der USA. Das würde auch erklären, warum diesmal Syrer im Mittelpunkt standen und nicht ein Amerikaner.
Und dazu passt die Botschaft, die IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi vergangene Woche verkündet haben soll. Der Terrorchef rief seine Anhänger in Saudi-Arabien, Ägypten und Jemen dazu auf, die Regierungen in ihren Staaten zu stürzen und Andersgläubige zu töten.
Das neue IS-Video wäre damit erst der Anfang. Die "Vulkane des Dschihads" sollen überall ausbrechen, drohte al-Baghdadi.
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