Von Enthauptungen bis zu Katzenbildern: Die Terroristen des Islamischen Staats ziehen alle Register, um neue Anhänger zu gewinnen. Besonders in den sozialen Netzwerken verbreiten sich ihre Botschaften rasant. Was macht ihre Propaganda so erfolgreich?
Alles sieht nach einem Musikvideo aus: schnelle Schnitte, verwackelte Bilder, über die ein Farbfilter gelegt ist, im Hintergrund Gesang über dumpfen Bässen. Doch die Szenen und Worte machen schnell klar, worum es tatsächlich geht: "Brüder steht auf und holt euch euren Sieg", singt eine Stimme auf Deutsch zu englischen Untertiteln, "Let’s go for Jihad", junge Männer schwenken Maschinengewehre und schwarze Fahnen, Explosionen sind zu sehen, Erschießungen, Leichen.
IS sendet Videos in die ganze Welt
Das Video stammt vom "Islamischen Staat" (IS) und ist typisch für seine Propaganda. Wie keine andere Terror-Organisation versteht es der IS, professionelle Bilder zu produzieren und in die ganze Welt zu senden. Die Botschaften haben zwei Hauptaufgaben: Sie sollen die Stärke der Organisation demonstrieren und Angst verbreiten. "IS versteht sehr gut, dass der Erfolg eines Terrorakts davon abhängt, ob er effektiv Menschen terrorisieren kann", sagte Peter Neumann, Experte für Radikalisierung am King’s College London, dem Fernsehsender "ABC News".
Zum anderen sollen mit Hilfe der Propaganda neue Mitstreiter rekrutiert werden. Das scheint recht gut zu funktionieren: Nach EU-Schätzungen haben sich bereits etwa 3.000 Europäer den Islamisten in Syrien und dem Irak angeschlossen. Mehr als 400 davon sollen aus Deutschland stammen.
Musikvideos und Videospiele als Vorbild
Was macht die Propaganda des IS so erfolgreich? Zunächst fällt die Bildsprache auf: Die Videos ähneln vom Stil her Musikvideos, Videospielen und Filmtrailern. Eine eigene IS-Abteilung, das "Al Hayat Media Center", produziert ständig neue solcher Videos. Das Ganze ist professionell gemacht, gefilmt in HD, mit eigenem Logo und mit Kameraeinstellungen, die man aus Dokumentarfilmen kennt. So schaffen die Islamisten eine Verbindung zur Lebenswelt der jungen Leute, die sie für sich gewinnen wollen.
Das geschieht auch über den Inhalt. Längst kursieren nicht nur grausame Videos, sondern auch Filme, in denen Eis an Kinder verteilt oder von Schokoriegeln geschwärmt wird. Unter #catsofjihad werden Bilder von Katzen neben Maschinengewehren gepostet.
Social Media und eigenes Magazin
IS weiß, wie man junge Leute anspricht – und vor allem auch wo. Sie nutzen intensiv soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter. Diese versuchen zwar gegen entsprechende Inhalte vorzugehen, aber die Terroristen finden Wege, das zum umgehen. Werden Konten gelöscht, entstehen kurz darauf neue oder sie weichen auf andere Plattformen aus, die weniger kontrolliert werden.
Sie produzieren zudem ein eigenes Magazin, das sich jeder im Internet herunterladen kann. Darin werden Erfolge des IS gefeiert, dessen Ideologie vermittelt und über die Zukunft fantasiert: Auf dem Cover der aktuellen Ausgabe prangen Fotomontagen, die die schwarze Flagge des IS über dem Vatikan zeigen. Das Magazin und die meisten Videos werden in Englisch oder anderen europäischen Sprachen verbreitet. IS will, dass ihre Botschaften ankommen. Zentral ist dabei das Versprechen, dem Leben einen Sinn zu geben – damit stoßen sie bei vielen jungen Leuten auf offene Ohren. Die Rekruten seien jung, oft schlecht ausgebildet und mit familiären Problemen belastet, sagte Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen, dem WDR. "Sie sind auf der Suche nach Orientierung, sozialem Halt und Abenteuer." Genau das verspricht IS: "Folgt Allah, wenn er euch zu dem aufruft, was euch Leben gibt", heißt es am Ende des eingangs beschriebenen Videos.
Was tun gegen die Propaganda?
Was kann man tun gegen diese Propaganda? Mitte September hat Innenminister Thomas de Maizière den "Islamischen Staat" in Deutschland verboten. Seine Kennzeichen dürfen hier nun nicht mehr verwendet werden. Doch die Propaganda im Internet lässt sich so nicht stoppen.
Es gibt daher Überlegungen, sogenannte "counter-narratives" in den sozialen Netzwerken zu platzieren, "Gegenerzählungen", die die Terror-Propaganda widerlegen. Eine entsprechende Initiative des US-Außenministeriums war jedoch nur wenig erfolgreich. Bei Twitter versuchten Nutzer unter dem Hashtag #ISISmediaBlackout den Terroristen die Aufmerksamkeit zu entziehen. Ein erster Schritt, mit dem jeder anfangen kann: Die Terror-Propaganda ignorieren und keine Links mehr zu ihr posten.
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