Die Festnahmen in NRW zeigen, dass in Deutschland noch immer Gefahr von islamistischen Terroristen ausgeht. Vor allem eine Gruppierung bereitet den Sicherheitsbehörden zurzeit besonderes Kopfzerbrechen.

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Die Festnahme einer Gruppe von konspirativ agierenden mutmaßlichen Terroristen aus Zentralasien wirft ein Schlaglicht auf eine Gefahr, die in den vergangenen Jahren in Deutschland keine allzu große Rolle mehr gespielt hat: International vernetzte Islamisten, die gemeinschaftlich als Teil eines Netzwerks Anschläge mit Waffen und Sprengstoff planen.

Erinnerungen an die Festnahme der Sauerland-Gruppe 2007 und an die Machenschaften der Hamburger Zelle, die an den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 in den USA beteiligt war, werden wach.

Die islamistischen Terroranschläge der vergangenen Jahre waren anderer Natur. Sie wurden in der Regel von Männern verübt, die dafür einfache Tatwerkzeuge wie Messer oder Fahrzeuge wählten. Oft hatten sie sich selbstradikalisiert, bei einigen von ihnen kamen psychische Probleme hinzu.

Die Männer im Alter zwischen Anfang 20 und Anfang 30, die nun in Nordrhein-Westfalen festgenommen wurden, rechnen die Sicherheitsbehörden einem Ableger des Terrornetzwerks Islamischer Staat (IS) zu, der sich Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) nennt, und in Afghanistan schon seit einigen Jahren einen bewaffneten Konflikt mit den militant-islamistischen Taliban austrägt. Teil der Gruppe sollen auch der 29-jährige Mann aus Tadschikistan und seine 31-jährige Ehefrau sein, die in den Niederlanden festgenommen wurden.

Verfassungsschutz-Chef warnte vor sich verschärfender "Gefährdungslage in Deutschland"

Khorasan ist eine historische Region in Zentralasien, deren Ausdehnung im Laufe der Geschichte unterschiedlich definiert wurde. Sie umfasste unter anderem das heutige Staatsgebiet von Afghanistan, Tadschikistan und Turkmenistan.

So wie es aussieht, nutzten die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe 2022 die Gunst der Stunde. Sie reisten nach Beginn des russischen Angriffs, als Hunderttausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in der Europäischen Union Schutz suchten, nach Deutschland beziehungsweise in die Niederlande. Ob sie sich vor Kriegsbeginn schon in der Ukraine aufgehalten haben, ist noch Gegenstand von Ermittlungen.

Nach den Festnahmen dankt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht nur dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei und der NRW-Landespolizei für den "gefährlichen Einsatz". Sie erwähnt ausdrücklich auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, "das sich erneut als wichtiges Frühwarnsystem gezeigt hat und mit dem Generalbundesanwalt eng zusammengearbeitet hat".

Dessen Präsident, Thomas Haldenwang, hatte bereits im April gesagt, unter den verschiedenen Ablegern des IS steche der ISPK aktuell besonders hervor. Und warnte: "Das Erstarken der Gruppe in Afghanistan verstärkt die Gefährdungslage in Deutschland."

Islamisten sind international stark vernetzt

Das zeigten bereits die Ermittlungen zu einer ebenfalls in NRW angesiedelten ISPK-Zelle, deren Mitglieder im Mai 2022 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen verschiedener Vergehen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind. Dabei ging es unter anderem um ein geplantes Schusswaffenattentat auf einen Islamkritiker in Neuss, das durch Ermittlungen der Polizei verhindert werden konnte.

In dem Prozess fiel auch auf, wie stark die Islamisten dieses IS-Ablegers international vernetzt sind. Beispielsweise hat sich nach Auffassung des Gerichts ein Mitglied der Zelle an der Vorbereitung eines Auftragsmordes in Albanien zur Finanzierung der Vereinigung beteiligt. Außerdem soll er mitgewirkt haben an einem Geldtransfer an ein führendes IS-Mitglied in Syrien sowie am Einwerben und Transfer sogenannter Spenden an inhaftierte Angehörige getöteter und gefangener IS-Kämpfer in nordsyrischen Lagern.

Im März hat die Bundesanwaltschaft zudem Anklage gegen zwei junge mutmaßliche Islamisten erhoben. Einer von ihnen, ein Deutsch-Kosovare, soll vorgehabt haben, einen Anschlag zu begehen. Dafür habe er sich von einem Mitglied des IS-Ablegers in Afghanistan erklären lassen, wie man einen Sprengsatz baut.

Den Ermittlern zufolge befürchtete er dann, dass seine Pläne vereitelt werden könnten und wollte stattdessen Polizisten mit einem Messer angreifen. Der zweite Beschuldigte, der die russische Staatsangehörigkeit hat, soll eingeweiht gewesen sein und den Kontakt nach Afghanistan hergestellt haben. Er soll auch versucht haben, für den Angriff ein Messer zu beschaffen. (dpa/thp)

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