Die Jamaika-Partner CDU/CSU, FDP und die Grünen verständigen sich in zähen Koalitionsverhandlungen auf die schwarz Null - also darauf, keine neuen Schulden zu machen. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt der Volkswirt und Konjunkturexperte Dr. Ferdinand Fichtner, warum das auf lange Sicht nicht gut gehen kann.
Sie war Jahre lang das Lieblingsprojekt von
Jamaika-Bündnis steht zur Schwarzen Null
In den ansonsten zähen schwarz-gelb-grünen Koalitionsverhandlungen war überraschend schnell Einigung über die schwarze Null erzielt worden. "Die Gesprächspartner sind sich darüber einig, dass die Schuldenbremse des Grundgesetzes eingehalten werden muss", hieß es.
Dabei gab es schon in den vergangenen Legislaturperioden Kritik, dass dies dringend benötigte Investitionen lähme. Ist das so? Wer profitiert davon? Und wer nicht?
"Von der Schwarzen Null profitieren nur die Politiker, sonst niemand", sagt Dr. Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im Gespräch mit unserer Redaktion. "Für sie ist es ein Prestigeprojekt, sie können hinterher sagen: Seht her, wir haben den Bundeshaushalt ausgeglichen gestaltet", führt der Konjunkturforscher aus. "Alle anderen sind negativ betroffen, weil wichtige Investitionen ausbleiben."
Viele Verlierer der Schwarzen Null
Das Haushaltsmodell hat demnach wenig Profiteure, aber viele Verlierer. "Die Schwarze Null schadet denjenigen, die davon profitieren könnten, würde der Bund in die Zukunft Deutschlands investieren - jungen Menschen", erklärt Fichtner. Finanziell seien zudem Kommunen darauf angewiesen, dass sie vom Bund Zuschüsse bekämen. Subventionen würden so aber eingespart oder erst gar nicht geplant.
Dabei betonen alle Spitzenpolitiker, von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bis zum SPD-Chef Martin Schulz, wie wichtig es sei, Deutschland für die Digitalisierung fit zu machen. Passt das mit der Schwarzen Null zusammen?
CDU/CSU und SPD senkten Ausgaben für Bildung
Für Fichtner passt es nicht zusammen. "Die Bundesregierung hat sich Mehrausgaben schon in der vergangenen Legislaturperiode vorgenommen, und nur wenig geliefert. Die Ausgaben für die Bildung sind anteilsmäßig sogar zurückgegangen", schildert der Wirtschaftsexperte. "Und zwar von 7,8 auf 7,6 Prozent, gemessen an den gesamten Primärausgaben des Staates. Das ist erheblich." Zu einer zukunftsorientierten Politik gehöre aber, dass Geld für Bildung und Sachinvestitionen ausgegeben werde. Das sei mit dieser Haushaltspolitik aber nicht ausreichend gesichert.
CDU/CSU, FDP und Grüne versprechen zu viel
Nach Fichtners Ansicht versprechen die Regierungsparteien zu viel auf einmal. Alleine die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die konkret diskutiert wird, sei schon so teuer, dass nicht mehr viel für Steuererleichterungen übrig bleibe, sagt er. "Der Soli hat ein Aufkommen von etwa 15 Milliarden Euro." Pro Jahr, wohlgemerkt.
Für ausbleibende Investitionen hat Fichtner kein Verständnis. "Die Zinsen, die der Bund auf seine Schulden zahlt, sind so niedrig, dass er diese nicht auf Teufel komm raus herunterfahren müsste", kritisiert er den Drang nach Schuldentilgung.
"Bis zu 40 Milliarden Euro Überschüsse"
"Es gibt Geld im öffentlichen Haushalt, das ohne neue Schulden investiert werden könnte. Im Übrigen sind die Schulden bereits deutlich zurückgegangen, von 81 Prozent im Jahr 2010 auf 68 Prozent im letzten Jahr", erklärt er. Geld für Investitionen wäre also reichlich vorhanden. So liegen die Überschüsse in diesem Jahr laut Fichtner bei knapp 30 Milliarden Euro.
Und: Schätzungen zufolge sollen sie weiter steigen. "35 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr sind vorstellbar", glaubt Fichtner und warnt: Derzeit sei das Wirtschaftswachstum robust, die Steuereinnahmen hoch, die Ausgaben für Arbeitslosigkeit seien zurückgegangen. "Gehen diese günstigen Einflüsse verloren und wird gleichzeitig an der Schwarzen Null festgehalten, könnte es richtig weh tun."
Schwarze Null birgt Risiken
Die Schwarze Null ist also nicht unumstritten. Kritiker sehen vielmehr langfristige Risiken. "Unsere Ausgaben für die Rente werden massiv steigen. Die Vorsorge für das Alter wird auf einen immer kleineren Teil an jungen Leuten abgeladen", kritisiert Fichtner. "Hier bräuchte es klare Prioritäten, dass die Sozialausgaben im Rahmen gehalten und dass Luxusprojekte wie die Rente mit 63 oder die Mütterrente ausgeschlossen werden." Hier könne gespart werden, so Fichtner, und eben nicht an dringend benötigten Investitionen.
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