Die Mainzer Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Jan Böhmermann eingeleitet - wegen des Verdachts der Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Was dahinter steckt, wie die Rechtslage ist und was Böhmermann nun droht.
Wer einen ausländischen Staatsmann beleidigt, dem drohen bis zu drei Jahren Haft. Das regelt Paragraf 103 des Strafgesetzbuches. Die Mainzer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen
Der Verdacht lautet: Mit seinem Schmähgedicht auf den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan hat er diesen beleidigt. Zahlreiche Anzeigen gegen Böhmermann sind bereits eingegangen. Aber wie ist eigentlich die genaue Rechtslage? Wir klären auf.
Warum wird gegen Jan Böhmermann ermittelt?
Die Mainzer Oberstaatsanwältin Andrea Keller teilte am Mittwoch mit, ihre Behörde ermittle wegen des Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten.
Zuvor waren nach Angaben Kellers rund 20 Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen. Diese sowie weitere mutmaßlich noch eintreffende Anzeigen würden alle in dem Verfahren zusammengeführt und bearbeitet. Dabei gehe es um einen möglichen Verstoß gegen Paragraf 103 des Strafgesetzbuches (StGB).
Was besagt Paragraf 103 des StGB genau?
Laut Paragraf 103 StGB genießen ausländische Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder und diplomatische Vertreter nach deutschem Recht den Schutz ihrer Ehre - egal ob sie sich im In- oder Ausland aufhalten.
Wer einen ausländischen Staatschef beleidigt, muss mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Ist Verleumdung im Spiel, drohen sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug.
Allerdings gibt es entscheidende Einschränkungen, die durch Paragraf 104a StGB geregelt sind. Demnach muss für eine Strafverfolgung, also die Eröffnung eines offiziellen Ermittlungsverfahrens, Deutschland diplomatische Beziehungen zu dem anderen Staat unterhalten. Zudem muss ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegen und die Bundesregierung muss eine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen.
Sind diese Bedingungen erfüllt?
Momentan handelt es sich noch um Vorermittlungen, erklärt Strafrechts-Experte Dr. Jesko Baumhöfener im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Staatsanwaltschaft forderte zur Sicherung der Beweise beim ZDF bereits einen Mitschnitt der Sendung an.
Außerdem werde das Bundesjustizministerium informiert, um zu klären, ob von der Türkei oder ihrem Staatsoberhaupt ein Strafverlangen gestellt wird.
Offen ist auch, ob die Bundesregierung eine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen wird. Zuständig dafür ist laut Baumhöfener der deutsche Außenminister. Der "Tagesspiegel" hatte berichtet, dass das Auswärtige Amt in einer internen Prüfung festgestellt habe, dass sich Böhmermann wahrscheinlich strafbar gemacht habe.
Gab es schon häufiger solche Verfahren?
"Die Idee hinter diesem Paragrafen ist klar: Es geht darum, diplomatische Verwerfungen zu vermeiden", erklärt Baumhöfener. "Die Bundesregierung will das offenbar auch, Kanzlerin
Merkel hatte das Gedicht jüngst als "bewusst verletzend" bezeichnet und darüber auch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu telefoniert.
Generell gilt laut Baumhöfener aber auch, dass eine Anklage wegen Paragraf 103 extrem selten vorkommt. Ein bekannter Fall stammt aus dem Jahr 1977. Damals erklärte das Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen ein zur Zeit der Pinochet-Diktatur vor der chilenischen Botschaft in Bonn gezeigtes Transparent mit der Aufschrift "Mörderbande" für rechtswidrig. Der chilenische Botschafter hatte sich beleidigt gefühlt, Polizisten das Spruchband sichergestellt. Die Revision gegen das Urteil wies das Bundesverwaltungsgericht 1981 zurück.
Wird es zu einem Strafverfahren gegen Jan Böhmermann kommen?
Das hängt - neben den genannten Bedingungen - auch von der Frage ab, ob die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass Böhmermann Erdogan mit seinem Schmähgedicht beleidigt hat.
Zu Beginn heißt es: "Das, was jetzt kommt, das darf man nicht machen. Wenn das öffentlich aufgeführt wird – das wäre in Deutschland verboten." Laut Baumhöfener schützt diese Ankündigung aber nicht vor dem Vorwurf der Beleidigung.
"Die Vorgabe, die vorangestellt wird, dass dies alles nicht gesagt werden dürfe, beinhaltet ja bereits eine gewisse Wertung dahingehend, dass offensichtlich auch Herr Böhmermann und seine Redaktion davon ausgehen, dass die Grenzen überschritten sind", erklärt Baumhöfener. "Dann hätte man sich aber an die eigenen Vorgaben halten müssen und es eben auch nicht aussprechen dürfen."
Laut Baumhöfener kann am Ende nur ein Gericht bewerten, ob die Aussagen von Böhmermann noch als Satire oder schon als Beleidigung gelten. "Aus meiner Sicht geht die Tendenz jedoch zur Beleidigung."
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