- Die Union muss entscheiden, wen sie als Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2021 aufstellt - Armin Laschet oder Markus Söder.
- Was beziehungsweise wer wird am Ende den Ausschlag geben - Umfragen, Beliebtheitswerte, Unterstützer in der Fraktion oder schlicht und einfach (fehlender) Machtwille?
- Und welche Rolle spielt dabei die noch amtierende Bundeskanzlerin und ehemalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel?
Armin Laschet oder doch
Bislang haben weder
Unionsfraktion wird ungeduldig und fordert rasche Entscheidung in der K-Frage
Nicht nur die Wählerinnen und Wähler scheint es sehr zu interessieren, welchen Kandidaten die Union denn nun ins Rennen um das Kanzleramt schickt.
Auch die Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag werden offenbar zunehmend ungeduldig. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus brachte es am Mittwochmorgen im "Deutschlandfunk" auf den Punkt: "Das Interesse in der Bundestagsfraktion an der Entscheidung ist riesengroß." Die Abgeordneten stünden nun vor dem Bundestagswahlkampf und wollten "wissen, wohin die Reise geht".
Söder oder Laschet? Fraktion will Mitspracherecht
Wie genau dieses "Einbinden der Fraktion" aussehen soll und wie weit die Mitentscheidungsrechte der Abgeordneten gehen sollen, darüber sind sich die handelnden Akteure nicht ganz einig.
CSU-Landesgruppenchef
"Diese Bundestagswahl wird ein sehr knappes Rennen. Deswegen braucht es einen Kanzlerkandidaten, der unsere Anhängerschaft, und zwar die gesamte Breite der bürgerlichen Mitte, am stärksten mobilisiert."
Auf die Option Hinterzimmer setzt aber Armin Laschet. "Markus Söder und ich werden dazu den Parteipräsidien von CDU und CSU bis Pfingsten einen Vorschlag machen", sagte er am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin". "Wir werden nach dem Kriterium entscheiden, wer die größten Aussichten hat, in ganz Deutschland die Wahl zu gewinnen."
Umfragen sprechen klar für Söder
Sieht man sich die Beliebtheitswerte der beiden möglichen Kandidaten an, kann diese Entscheidung eigentlich nur auf Söder hinauslaufen. Der bayrische Ministerpräsident, der in der Pandemie auch bundesweit pausenlos den Krisenbewältiger mit einem überwiegend harten Maßnahmenkurs gibt, liegt in aktuellen Umfragen deutlich vorne - und weiß diesen Joker souverän in der "Bild am Sonntag" auszuspielen.
"Umfragen spielen natürlich eine Rolle. Sie sind ein wichtiger Maßstab für die Akzeptanz von Personen und Programmen in der Bevölkerung", ließ er am Osterwochenende wissen.
Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend von infratest dimap vom 1. Apil sind 54 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Söder ein guter Kanzlerkandidat wäre, das sind drei Prozentpunkte mehr als Mitte März. Bei Laschet hingegen sind nur 19 Prozent dieser Meinung (minus drei Prozentpunkte).
Laschet setzt auf Kongruenz zwischen Wahlprogramm und Kanzlerkandidat
Wohl auch deswegen bringt der nordrhein-westfälische Regierungschef noch eine weitere als nur die persönliche Ebene ins Spiel. Bei der Kandidatenfrage werde auch danach entschieden, welche Idee mit dem Wahlprogramm verbunden sei, betonte Laschet im ZDF.
Er habe ja schon erste Vorschläge vorgelegt für die schwierige Zeit nach der Pandemie, mit womöglich hoher Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung. "Wer da zum Programm passt, mit dem CDU und CSU in diese Wahl hineingehen, der wird dann auch der Kandidat werden", sagte er.
Dazu passt die Aussage von Brinkhaus, Laschet und Söder nähmen am Sonntag beide an der Klausurtagung der Bundestagsfraktion teil - er habe die Parteichefs gemeinsam mit Dobrindt dazu eingeladen. Inhaltlich solle es bei der Tagung darum gehen, wie es in der Bundespolitik bis zum Ende der Legislaturperiode weitergeht.
CDU-Chef Laschet kann auf große Basis vertrauen
Laschet vertraut nicht nur auf das Programm, sondern auch auf die große CDU-Basis. Er ist seit Jahresbeginn Chef der stärksten Partei Deutschlands, zudem führt er den mitgliederstarken CDU-Landesverband aus NRW an.
Er setzt darauf, dass auch die anderen CDU-Landesverbände und deren Vorsitzende weitgehend hinter ihm stehen - auch im Osten, der früher als Kernland seines Vorsitz-Rivalen
In der "Zeit" stärkte zuletzt Reiner Haseloff Laschet öffentlich den Rücken. Der CDU-Spitzenkandidat und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, der als Unterstützer von Merz galt, zog einen fast schon historischen Vergleich, als er mit Blick auf Laschet bemerkte, Helmut Kohl sei anfangs auch unterschätzt worden.
Direktiven bei einem CSU-Kanzler Söder abholen? Für Teile der CDU-Spitze ein Alptraum
Kurz darauf legte Thomas Strobl nach. Der baden-württembergische CDU-Chef, ebenfalls ein früherer Merz-Anhänger, erklärte in den "Stuttgarter Nachrichten": "Die CDU in Deutschland möchte, dass unser Bundesvorsitzender Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union wird und im Herbst auch Bundeskanzler."
Dass sich ein CDU-Chef Laschet jede Woche die Direktiven von einem CSU-Kanzler Söder abholen muss, dass ein CSU-Kanzler regelmäßig mit seinen Parteigremien in München tagt und die größere Schwester CDU mit ihrem Vorsitzenden in Berlin quasi am Katzentisch sitzt - für etliche in der CDU-Spitze ist das ein Alptraum.
CDU-Abgeordnete positionieren sich öffentlich pro Söder
Allerdings hat Strobl seine Parteikollegen aus dem "Ländle" nicht alle unter Kontrolle. Sieben Bundestagsabgeordnete aus der baden-württembergischen Landesgruppe stellten sich am Dienstag öffentlich hinter Söder - und damit gegen den eigenen Parteivorsitzenden Laschet.
In einer gemeinsamen Erklärung heißt es: "Markus Söder genießt in weiten Teilen der Bevölkerung ein großes Vertrauen. Deshalb wäre er ein kraftvoller und aussichtsreicher Kanzlerkandidat für die gesamte Union."
Die Abgeordneten halten fest: "Der Vorsitzende der CDU trägt eine besondere Verantwortung für die gesamte Union in Deutschland". Dies bedeute auch, "dass persönliche Ambitionen für die Kanzlerkandidatur zurückgestellt werden müssen, wenn ersichtlich ist, dass jemand anderes eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung hat".
Die Erklärung ist unterzeichnet von den Abgeordneten Marc Biadacz (Böblingen), Michael Donth (Reutlingen), Markus Grübel (Esslingen), Ronja Kemmer (Ulm), Karin Maag (Stuttgart), Matern von Marschall (Freiburg), Alexander Throm (Heilbronn) und dem Wahlkreiskandidaten Yannick Bury (Emmendingen-Lahr).
Auch Brinkhaus ein möglicher Kandidat? "Das ist nett, mehr nicht"
Fraktionschef Brinkhaus lässt hingegen nach wie vor keine Präferenz für einen der möglichen Kanzlerkandidaten erkennen. Auf eine Frage nach den derzeit schwachen Umfrageergebnissen für Laschet antwortete er im "Deutschlandfunk": "Sich rein nach Umfragen zu orientieren, finde ich falsch." Brinkhaus selbst war kürzlich von Unionsabgeordneten als möglicher Kanzlerkandidat ins Gespräch gebracht worden - entsprechende Ambitionen verfolge er aber nicht: "Das ist nett, mehr nicht."
Und Söder? Der brachte am Osterwochenende auf einmal die scheidende Kanzlerin Merkel wieder ins Spiel. "Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur sollte auch eng mit Angela Merkel abgestimmt werden", sagt Söder der "Bild am Sonntag". Ein Kandidat ohne Unterstützung der Kanzlerin könne kaum erfolgreich sein. Merkel-Stimmen bei der Bundestagswahl gebe es nur mit Merkel-Politik, sagte er schon vor einigen Wochen.
Lapidare Hinweise eigentlich, die Laschet auch unterschreiben würde. Wäre da nicht Söders Unterton, den sie in der großen Schwesterpartei mitschwingen hören: Der Bayer sieht sich ja sehr eng auf Merkels harter Corona-Linie - und Laschet wohl weniger.
Ohne Harmonie hat Söder keine Chance
Wer den Auftritt von Söder am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" verfolgt hat, könnte allerdings zu der Auffassung kommen, dass der Machtmensch aus Franken seine mehr oder minder unterschwelligen Attacken gegenüber Laschet vorerst eingestellt hat.
Söder weiß: Er kann nur Kandidat werden, wenn Laschet und die CDU ihn darum bitten. Das dürfte der CDU-Vorsitzende wohl höchstens dann tun, wenn er beispielsweise aus dem Kreis des Parteipräsidiums dazu gedrängt würde.
Dort sitzen aber die mächtigen Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten der CDU - gerade unter letzteren hat sich Söder mit seinen regelmäßigen Alleingängen in der Ministerpräsidentenrunde keine Freunde gemacht.
Kanzlerkandidatur würde für Söder unabwägbare Risiken bedeuten
Und was will Söder eigentlich? Strebt er, der viele Monate lang - zuletzt aber seltener - beteuerte, sein Platz sei in Bayern, am Ende doch die Kanzlerkandidatur an? Natürlich traut die CSU Söder das Kanzleramt zu, er selbst sich gewiss auch. Doch eine Kanzlerkandidatur wäre mit unabwägbaren Risiken verbunden - für seinen starken Posten als CSU-Chef und Ministerpräsident. Und auch für die CSU-Vormachtstellung in Bayern.
Unter dem Strich können Söders Auftreten und auch seine Sticheleien gegen Laschet wohl so gedeutet werden, dass er seinen Preis und den der CSU hochtreiben und hochhalten will. Es soll eben nicht wie ein Automatismus aussehen, dass die K-Frage auf Laschet zuläuft, auch wenn es womöglich so ist.
Deshalb will sich Söder so lange wie möglich im Rennen halten. Denn es geht schon jetzt um Gewicht und Einfluss in der - so hoffen sie auch in der CSU – nächsten Bundesregierung mit einem Unions-Kanzler. Auch wenn der am Ende Armin Laschet heißen mag.
Verwendete Quellen:
- Agenturmaterial von dpa und afp
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