Die Außenministerin will nicht wieder Kanzlerkandidatin werden. Nun scheint es auf den Wirtschaftsminister hinauszulaufen – wenn die Grünen trotz schwacher Umfragen das Kanzleramt zum Ziel erklären.

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Die Meldung kam überraschend: Außenministerin Annalena Baerbock verzichtet auf eine erneute Grünen-Kanzlerkandidatur. Damit scheint der Weg frei zu sein für Robert Habeck. Eine ausgemachte Sache also?

Annalena Baerbock und Robert Habeck
Annalena Baerbock will nicht mehr Kanzlerin werden. Damit wäre der Weg für Robert Habeck frei. © Michael Kappeler/dpa

Über die Meldung von Baerbocks Verzicht war er dem Vernehmen nach vorher informiert gewesen. "Erst einmal will ich sagen, dass Annalena Baerbock dafür gesorgt hat, dass Deutschland in den letzten Jahren ein Stabilitätsfaktor in der Außenpolitik gewesen ist und nach wie vor ist", sagt er dazu am Mittwoch in Dortmund. Sie mache "einen hervorragenden Job als Außenministerin".

Darauf angesprochen, ob er nun den Anspruch habe, für seine Partei als Kanzlerkandidat anzutreten, fügt Habeck nur einen Satz hinzu: "Alles Weitere werden wir in den Gremien beraten und die richtigen Entscheidungen rechtzeitig verkünden."

Habeck zur K-Frage: "Was bietet ihr dem Land an?"

Seit Montag ist Habeck auf Sommerreise durch mehrere Bundesländer. Als er am Mittwochmittag bei einem Lesedialog in Essen spricht, hat die Nachricht von Baerbocks Verzicht noch nicht öffentlich die Runde gemacht.

Trotzdem spricht Habeck die Kanzlerkandidatenfrage schon an. Diese sei weniger eine Frage an ihn oder an Baerbock nach dem Motto: "Wer will denn mal, wer hat noch nicht? Sondern vielmehr eine Frage an meine Partei, aber die geht auch an andere Parteien: Was bietet ihr dem Land an? Was wollt ihr in Zukunft repräsentieren? Wer wollt ihr sein als Partei? Welche Rolle wollt ihr wahrnehmen und welche Rolle wollt ihr spielen?"

Und dann sagt Habeck noch: Natürlich müssten alle Parteien für ihre Überzeugung werben. Aber das, was eine Partei wolle, dürfe nicht größer werden als das, was das Land brauche.

Die Aussage lässt sich als Andeutung von Baerbocks Ankündigung verstehen. Immerhin begründet die Außenministerin ihren Verzicht damit, dass sie angesichts der internationalen Krisen ihre Kraft voll ihrer aktuellen Aufgabe widmen wolle. Also die Probleme Deutschlands vor ihre eigene Karriere stellt.

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Übersetzt heißt sie aber auch: Der Pragmatiker Habeck will, dass die Grünen sich inhaltlich breiter aufstellen - mit einem Ergebnis von elf Prozent wie in den jüngsten Umfragen wird man kein Kanzler. Dahinter steht die Idee einer "grünen Volkspartei". Und falls er als Kanzlerkandidat antreten sollte, will er die Führung haben. Auch wenn er sich bislang nicht offiziell öffentlich darum beworben hat.

Habeck hat den Rückhalt der Partei

Trotz Habecks bisheriger Zurückhaltung, scheint es unwahrscheinlich, dass er nicht für die Grünen ins Rennen um die Kanzlerschaft geht. Habeck und Baerbock, die damals noch Bundesvorsitzende der Partei waren, hatten im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 die K-Frage unter sich ausgemacht.

Nachdem Habeck zugunsten von Baerbock verzichtet, sagte er damals der "Zeit": "Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen. Und das werde ich nach diesem Wahlkampf nicht". Dass sich an dieser Haltung etwas geändert hat, dafür gibt es bislang kaum greifbare Anzeichen.

Und den Rückhalt seiner Partei scheint Habeck allemal zu haben. "Er muss für sich selber entscheiden, ob er das möchte - aber ich traue ihm sehr viel zu", sagte etwa Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge am Donnerstag in der RTL/ntv-Sendung "Frühstart". Der Bundeswirtschaftsminister habe das Land durch schwierige Zeiten gesteuert und gezeigt, wie gutes Regieren gehe.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler äußerte im Deutschlandfunk die Erwartung, "dass Robert Habeck eine extrem wichtige Rolle für uns im Wahlkampf spielen wird". Die Entscheidung werde aber in den Parteigremien gefällt, sagte er.

"Wir brauchen Teamplay", sagte Kindler. Er verwies darauf, dass Habeck gemeinsam mit Baerbock "zu den beliebtesten Politikern der Grünen" gehöre. Mit Blick auf Baerbocks Entscheidung äußerte Kindler seinen "tiefen Respekt für diese Entscheidung, die eigenen Ambitionen hinter die gemeinsame Verantwortung zu stellen".

Ein Wahlkampf würde nicht einfach für Habeck

Baerbock verspricht Habeck jedenfalls eine gute Zusammenarbeit. "Robert und ich gehen jetzt schon fast ewig gemeinsam durch dick und dünn und werden in den kommenden Wochen eng zusammenarbeiten", schreibt sie nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in einer Nachricht an die Fraktion. "Ohne Frage werde ich mich natürlich mit Verve in den grünen Wahlkampf reinhängen als Teil eines starken grünen Teams."

Auf seiner Sommerreise betont Habeck, was die Regierung und er geleistet hätten: die Energiepreiskrise nach dem russischen Angriffskrieg in den Griff bekommen, den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Stromnetze entscheidend vorangebracht. Und die Wirtschaft komme auch langsam wieder in Schwung.

Dazu beitragen soll auch ein Wachstumspaket der Regierung - allerdings sind die vielen geplanten Maßnahmen noch lange nicht unter Dach und Fach.

Und falls er es machen sollte: Ein Wahlkampf als Kanzlerkandidat dürfte nicht einfach werden für Habeck. Denn die erbitterten Streitigkeiten über das Heizungsgesetz mit einer monatelangen Verunsicherung vieler Bürger haben ihm viele potenzielle Wähler vermutlich noch nicht verziehen. (Andreas Hoenig, dpa/thp/ank)

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Teaserbild: © Michael Kappeler/dpa