Deutschland verfolgt mit Spannung den SPD-Parteitag. Eine neue Führung wird installiert, und der Juso-Chef Kevin Kühnert ist der Strippenzieher der SPD-Revolte. Sein Masterplan ist aufgegangen, und seine Chancen zur Verhinderung der Großen Koalition steigen. Die No-Groko-Bewegung macht ihn zum derzeit mächtigsten Sozialdemokraten.
Den größten Verlierer im SPD-Umbruch kennt jeder:
Walter-Borjans und Esken: Nur formal das SPD-Spitzenduo
Doch wer hat die neue Macht der SPD wirklich? Wer ist der größte Gewinner im SPD-Drama? Formal
Norbert Walter-Borjans und
Die Autorität der beiden ist darum bei den SPD-Abgeordneten überschaubar. Die stolzen Mandatsträger werden sich jedenfalls von diesen beiden aus dem Willy-Brandt-Haus kaum vorschreiben lassen, wie die Legislatur gestaltet werden soll. Die Doppelspitzen sind zwar äußerlich Gewinner im SPD-Machtkampf, die großen Sieger sind sie aber nicht.
Kevin Kühnert mobilisierte seine Juso-Truppen
Der eigentliche Sieger heißt
Kühnert hatte sich früh und laut für genau diese Doppelspitze ausgesprochen. Sie waren wie Ersatzkandidaten für ihn selbst. Kühnert mobilisierte eifrig die starken Juso-Truppen (mehr als 70.000) und half Esken-Borjans zuerst ganz knapp ins Finale und dann zum ebenfalls knappen 53,06 Prozent-Sieg. Die Juso-Stimmen haben jeweils den Ausschlag gegeben.
Das wissen natürlich auch die neuen Vorsitzenden und sind ihm fortan verpflichtet. Sie sind Vorsitzende von seiner Gnade. Kühnert wächst damit in der Rolle des Ansagers seiner Partei hinein.
Er hat die No-Groko-Bewegung begründet und angeführt. Jetzt hat er seine Kandidaten wie ein geschickter Marionettenspieler ganz vorne auf die Bühne platziert. "Der Spiegel" kommentiert verblüfft: "Noch nie gab es in der Geschichte der Bundesrepublik einen 30-jährigen Politiker, der so mächtig war, wie es derzeit Kevin Kühnert ist." Kurzum: Der gefühlte Parteivorsitzende ist ab sofort Kevin Kühnert.
Kevin Kühnert zielt ins Herz der Sozialdemokatie
Kühnert verkörpert etwas, was in der SPD seit Gerhard Schröder schmerzlich vermisst wird: Lustvoller Machtwille, rhetorische Offensive und klare Haltung. Wenn Walter-Borjans in den Regionalkonferenzen beamtenhaft vortrug, der Bus SPD sei in die "neoliberale Pampa" abgebogen und müsse da wieder raus, dann wussten alle Genossen, dass das Kevin-Sprech ist.
Wo die neuen Vorsitzenden merkwürdig diffuse Sprachsignale senden, weiß Kühnert genau, wo er hinwill. In der in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" machte er Klartext-Ansagen, wie man nun die CDU mit neuen Forderungen vor sich hertreiben wolle.
Wenn Olaf Scholz zuweilen wirkt wie ein Anästhesist der Macht, dann ist Kühnert ihr Defibrilator. Kühnert setzt seine Schockimpulse gezielt und zielt immer genau ins Herz der Sozialdemokatie.
Seine Revolte kommt nicht mit Barrikadenbrand und Fahnengeschrei daher, sondern mit dem Notarzt-Köfferchen desjenigen, der jetzt die Seele der Partei lebensretten müsse. Seine Partei müsse den "Teufelskreis der ewigen großen Koalition" überwinden, diagnostiziert er kühl und gewaltig.
Als Leitspruch für den Neustart in der Opposition hatte er einmal ausgegeben: "Heute einmal ein Zwerg sein, um künftig wieder Riesen sein zu können." Diese Taktik hat er nun bei seiner eigenen Karriere clever angewandt.
Er ist selber nicht angetreten bei der Wahl zum Parteivorsitz, hat sich lieber zwergenklein gemacht und zwei Halbamateure zu Übergangschefs befördert. Damit steht ihm nun eine riesenhafte Perspektive offen. Natürlich werden die Moderaten und Groko-Verfechter ihm auf dem SPD-Parteitag auch Widerstand leisten, vielleicht sogar Rache nehmen. Das langfristige Momentum der SPD aber liegt bei ihm, dem neuen gefühlten Vorsitzenden der SPD.
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