Deutschland ein weltweiter Vorreiter in Sachen Klimaschutz? Dass das wohl eher ein Wunschgedanke ist und nicht der Realität entspricht zeigt der Klimaschutz-Index 2018 der Organisation Germanwatch. Deutschland landet darin nur im Mittelfeld – und damit unter EU-Durchschnitt und noch hinter Schwellenländern wie Indien und Brasilien.

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Von deutschen Politikern wird gerne verbreitet, die Bundesrepublik sein ein Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Angela Merkel pflegt bei internationalen Gipfeltreffen ihren Ruf als Klimakanzlerin.

Dass dieses Selbstbild beim Blick auf die Details wenig mit der Realität zu tun hat, stellt nun die Organisation Germanwatch in ihrem Klimaschutz-Index 2018 fest.

Darin landet Deutschland von 57 untersuchten Industrienationen nur auf dem 22. Platz – noch hinter Schwellenländern wie Indien und Brasilien.

Deutschland liegt sogar leicht unter dem Durchschnitt aller EU-Staaten. "Gerade in Deutschland gab es in den vergangenen Jahren insbesondere in den Bereichen Verkehr und bei der Kohleverstromung viel zu wenig Fortschritt. Deshalb landet Deutschland auch nur auf einem enttäuschenden 22. Rang", fasst Jan Burck, Co-Autor der Untersuchung, zusammen.

Spitzenreiter sind Schweden, Litauen und Marokko, die letzten Plätze nehmen Südkorea, Iran und Saudi-Arabien ein. Während China mit Platz 41 "schlecht" bewertet wird, schneiden andere führende Industrienationen wie Japan (50), Russland (53) und die USA (56) "sehr schlecht" ab.

Die meisten Länder Afrikas sowie viele Staaten in Asien und Lateinamerika werden in dem Ranking, in dem die Menge der Treibhausgasemissionen, der Energieverbrauch, der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie Klimaschutzpläne und -ziele verglichen werden, nicht erfasst.

Deutschland als größter Braunkohleverbraucher

Als Ursache der mittelmäßigen deutschen Bewertung nennen die Autoren der Untersuchung mehrere Faktoren. Der Hauptgrund?

Als weltweit größter Braunkohleverbraucher gehört Deutschland zu den zehn größten Treibhausgas-Sündern, wobei sich die Entwicklung bei der Kohle in den letzten Jahren kaum verbessert hat. Die Abhängigkeit vom einstigen "braunen Gold" sei ein "wesentlicher Verzögerungsfaktor" bei der Annäherung an die Klimaschutzziele, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, heißt es.

Auch der hohe Energieverbrauch pro Kopf, der höher als im EU-Durchschnitt ist und sich in den letzten Jahren nur geringfügig verringert hat, wird bemängelt.

Und schließlich kritisieren die Autoren, dass die bei der Klimakonferenz 2015 in Paris gemachten Versprechen nur unzureichend in nationales Recht umgesetzt worden seien.

Dagegen bewertet Germanwatch die Wachstumsraten der erneuerbaren Energien weiter als "sehr gut". Positiv wird ebenfalls die Rolle Deutschlands bei internationalen Klimaverhandlungen eingeschätzt. "Deutschlands mittel- und langfristigen Ziele – verankert im Klimaschutzplan 2050 – sind vergleichsweise stark", sagt Co-Autor Burck. "Die CO2-Emissionen in Deutschland zeigen aber bislang ein anderes Bild und wurden seit 2009 nicht mehr gesenkt."

Im Vorjahr war Deutschland im Ranking noch auf dem 29. Platz gelandet. Die Bewertung fiel in den letzten fünf Jahren immer mäßig aus. Die Ursache für die diesjährige Verbesserung liegen indes nicht in einem Fortschritt im Klimaschutz.

Germanwatch und die beteiligten Wissenschaftler haben ihre Methode angepasst und nun erstmals auch Klimaschutzpläne und -ziele verglichen. In diesen Kategorien schneidet Deutschland gut ab.

Was haben andere Länder Deutschland voraus?

Stellt sich die Frage, was andere Länder besser machen als der angebliche Klimaschutz-Vorreiter. Das erstplatzierte Schweden glänzt durch eine gute Entwicklung im Ausbau erneuerbarer Energien und durch niedrige Pro-Kopf-Emissionen.

Eine Ursache ist der starke Zuwachs an Waldflächen. Auch andere skandinavische Staaten wie Norwegen, Finnland und Dänemark landen in der Spitzengruppe.

Die ersten drei Plätze werden traditionell freigelassen. Ein Symbol dafür, dass laut Germanwatch kein Land genug Klimaschutz betreibe, um den internationalen Zielen gerecht zu werden.

Auf den ersten Blick überraschend sind auch die guten Platzierungen Litauens (5) und Marokkos (6).

Beider Länder schneiden bei den CO2-Emissionen sehr gut ab. Marokko profitiert zudem von einem niedrigen Emissionsniveau, ehrgeizigen Zielen zur Reduktion der Treibhausgase bis 2030 und dem Ausbau der erneuerbaren Energien in. In der Kategorie Energieverbrauch weist das Land ebenfalls eine gute Leistung auf.

Die vordere Platzierung Indiens (Platz 14) verdeutlicht aber auch die Schwächen der Vergleichsmethode. So lobt der Bericht die "aktuell immer noch geringen Pro-Kopf-Emissionen" in dem asiatischen Land.

Die dürften allerdings auch der Tatsache geschuldet sein, dass Indien bei weitem nicht so industrialisiert ist wie Deutschland und dass mehrere Hundert Millionen von Armut bedrohte Inder, vor allem auf dem Land, verhältnismäßig wenig zu den Pro-Kopf-Emissionen beitragen.

Ungeachtet der Ergebnisse einzelner Länder ist es derzeit ungewiss, ob das große Ziel von Paris erreicht wird, bei der Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu bleiben.

Dafür müssten alle Staaten an einem Strang ziehen und sich nicht – wie aktuell die USA – vom Klimaschutz verabschieden. Aber auch Deutschland ist im Jahr 2017 kein großes Vorbild.

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