Am Sonntag war SPD-Chef Lars Klingbeil im Sommerinterview bei "Bericht aus Berlin" zu Gast. Die drei großen Themen: Haushalt, Bürgergeld, Ukrainekrieg.
Klingbeil zeigte sich standfest in der Kanzlerkandidatur von
Am Sonntag musste sich SPD-Chef
Klingbeil blieb nichts anderes übrig, als zuzugeben: "Es sind schwierige Wahlen, die in einem schwierigen Umfeld stattfinden." Selbstbewusst klang es nicht, als der SPD-Chef dann sagte: Man wolle "mit unterstützen", dass es am Ende zu stabilen Regierungen komme.
Ist Scholz der falsche Kandidat?
Deiß setzte nach: Die SPD sei im Osten teilweise nur noch "Splitterpartei" und liege selbst im Bund nur bei 15 Prozent. "Warum haben die Menschen den Eindruck, dass die SPD keinerlei Konsequenzen aus den Wahlniederlagen der Vergangenheit zieht?", wollte er wissen. "Die SPD kann kämpfen und das wird sie in diesen dreizehn Monaten zeigen", kündigte Klingbeil an.
Deiß kam daraufhin auf Kanzler Olaf Scholz zu sprechen. Er sei selbst in den Augen der meisten SPD-Mitglieder der falsche Kandidat für die kommende Bundestagswahl. "Wie lange können Sie das noch ignorieren?", stichelte er.
Klingbeil entgegnete: "Es ist eine schwierige Zeit, es sind Unsicherheiten, wir haben Kriege, wir haben Krisen." Die vielen Streitigkeiten in der Ampel hätten Vertrauen gekostet. Neu klang diese Antwort nicht. Im Bundestagswahlkampf werde der Kanzler "vorneweg marschieren und die ganze Partei mit ihm".
Wo Klingbeil vage blieb, wurde Deiß konkret: "Wie lange hat Olaf Scholz noch Zeit, bis die Werte besser werden müssen?", fragte er. Klingbeil antwortete: "Er ist unser Kanzler, er bleibt unser Kanzler und wir werden alles dafür tun, dass er bei der nächsten Bundestagswahl wieder unser Kanzler wird", sagte er.
Polarisierung zu Merz
Man stelle sich auf eine Polarisierung im Wahlkampf zwischen Olaf Scholz und dem vermutlichen Gegenkandidaten
Die SPD habe aus Fehlern gelernt. Man habe beispielsweise zu häufig in kürzester Zeit das eigene Führungspersonal infrage gestellt. Deiß hakte noch einmal ein: "Olaf Scholz hat am Ende einen Blankoscheck von der Parteiführung, egal, wie die Umfragen im nächsten Sommer sind, kurz vor der Bundestagswahl. Ist das nicht was, was möglicherweise für einen SPD-Chef in Verantwortung gefährlich ist?"
Daraufhin nannte Klingbeil eine rote Linie, die nicht habe überschritten werden dürfen: Rentenkürzungen im Haushaltsstreit. "Das wusste Olaf Scholz", so Klingbeil. Die Führung zeige inhaltliche rote Linien auf, die Gespräche dazu würden aber intern geführt.
Beim Thema Haushaltsstreit äußerte Klingbeil: "Diese ganze Aufführung, die wir in der letzten Woche erlebt haben, war völlig unnötig, sie war überflüssig, sie hat das Land nochmal zusätzlich verunsichert." Die klare Erwartung sei, dass der Haushalt nächste Woche fertigwerden müsse.
Deutliche Worte beim Bürgergeld
Angenehmer wurde es für Klingbeil nicht, als Deiß das nächste Thema auf den Tisch brachte: das Bürgergeld. Viele Menschen hätten den Eindruck, dass es ungerecht sei. "Warum gibt es immer noch Fälle, wo sich das Arbeiten nicht lohnt und die Anreize zum Arbeiten fehlen?", so der Moderator.
Klingbeil schien eine Antwort schon vorbereitet zu haben: Ein Großteil der Menschen bekomme Sozialleistungen zusätzlich zur Arbeit, weil sie so wenig verdienten. "Dann müsste man dafür sorgen, dass die Arbeit besser bezahlt wird", so der SPD-Vorsitzende.
Er ergänzte: "Niemand findet ungerecht, wenn Menschen mit Behinderung oder Ältere, die gearbeitet haben, aber gerade keinen Job mehr finden, wenn die Bürgergeld bekommen." Diesen Gedanken von Zusammenhalt lasse er nicht kaputt machen.
Dann wurde er zum ersten Mal im Interview sehr klar: "Das, was die Menschen trifft in ihrem Gerechtigkeitsempfinden, ist, wenn da auf einmal 16.000 sind, die sich jeglicher Mitarbeit mit dem Staat verweigern. Die also Solidarität des Staates ausnutzen, sich zurücklehnen und sagen, ich muss nichts machen." Diesen Menschen müsse man sehr klar sagen, dass es kein Recht auf Faulheit gebe.
Hartes Vorgehen gegen Verweigerer
Deswegen haben man nachgeschärft beim Bürgergeld und sanktioniere Totalverweigerer. Menschen, die bei Schwarzarbeit erwischt würden, obwohl sie Bürgergeld bekommen, würden drastische Kürzungen bekommen.
Deiß war mit dem Thema Bürgergeld noch nicht durch: Viele kritisierten, dass sich Arbeit für Geringverdiener nicht mehr genügend lohne, weil der Abstand zum Bürgergeld für diejenigen, die noch Wohngeld bekommen und Zusatzleistungen, nicht groß genug sei.
Das Existenzminimum sei verfassungsrechtlich festgelegt, argumentierte Klingbeil. Der Mindestlohn müsse steigen. "Deswegen werden wir in dieser Legislatur noch das Tariftreue-Gesetz durchsetzen und dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarifverträgen bezahlen", kündigte er an.
Klingbeil wirft Union "Dreistigkeit" vor
Als es um eine mögliche Koalition mit der Union ging, die das Bürgergeld abschaffen möchte, sagte Klingbeil: Diese Forderung zeige "die Dreistigkeit, mit der die Union unterwegs ist". Es gäbe beim Bürgergeld Probleme, die man angehen müsse. "Aber das sind 16.000 Totalverweigerer, aber doch nicht die Alleinerziehende, die arbeitet, die zwei Kinder großzieht und die sagt, ich brauch am Ende vom Staat was dazu, damit ich über die Runden komme", so Klingbeil.
Zum Schluss ging es noch um das Thema Ukrainekrieg. Kiew hatte jüngst eine Offensive auf russischem Boden gestartet. Klingbeil dazu: "Das fällt völkerrechtlich mit unter das Recht der Selbstverteidigung." Deutschland sei der größte europäische Waffenlieferant und dieser Weg müsse weitergehen.
Wenn man ab morgen keine Waffen mehr liefere, würde man die Ukraine aufgeben. "Wir dürfen eine Außenpolitik und eine Sicherheitspolitik nicht nach Wahlumfragen machen oder danach, wo gerade Landtagswahlen stattfinden", kommentierte er den "Friedenswahlkampf" von Sahra Wagenknecht in Ostdeutschland. Für die SPD gehörten militärische Stärke und Diplomatie zusammen.
Erneut schoss Klingbeil in Richtung Union: Die CDU hätte in der Vergangenheit immer mehr Waffen gefordert, sei aber nun verstummt. Derzeit überlasse man Michael Kretschmer das Feld der Außenpolitik der Union, weil man wisse, dass es bei den Landtagswahlen im Osten opportun sein könne. "Das empört mich richtig", meinte er. Die Union verhalte sich prinzipienlos.
Klingbeil schloss: Er wolle am Ende nicht entscheiden, ob man in die Bundeswehr investiere oder in die Rente oder Infrastruktur. "Deswegen ist für mich völlig klar, dass mit einer nächsten Bundesregierung spätestens wir eine andere Finanzpolitik brauchen, als das heute der Fall ist. "
Verwendete Quellen:
- "Bericht aus Berlin" vom 11. August 2024
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