Lars Klingbeil geht mit sich selbst und seiner Partei ins Gericht: Die SPD habe sich bei der Klärung der Kanzler-Frage falsch verhalten, gibt er zu. Eine sehr viel wortgewaltigere Attacke reitet der Parteichef hingegen gegen Friedrich Merz und Christian Lindner.

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SPD-Chef Lars Klingbeil gesteht Fehler bei der Klärung der Kanzlerkandidatur seiner Partei ein. "Uns allen ist klar, dass die vergangene Woche nicht gut gelaufen ist", sagte er dem Magazin "Der Spiegel" in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview (Bezahlinhalt).

"Ich bin wahrscheinlich mein härtester Kritiker", betonte Klingbeil. Bei aller Kritik sei jetzt aber wichtig, "dass wir personelle Klarheit haben".

Der SPD-Politiker verteidigte zudem seinen Führungsstil. "Ich brülle nicht herum oder drücke Sachen von oben durch", sagte Klingbeil. "Dieser ausgeglichene Weg hat die SPD zuletzt stark gemacht." Brücken zu bauen, sei eine Stärke. Breitbeinigkeit hält der Parteichef hingegen für ein Zeichen von Schwäche: "Wer schreit, hat nicht automatisch recht."

Klingbeil: "Pistorius rief mich an"

Innerhalb der SPD hatte es Unmut gegeben, dass Klingbeil und Ko-Parteichefin Saskia Esken die Debatte über die Kandidatur von Amtsinhaber Olaf Scholz so lange laufen ließen. Die Sozialdemokraten diskutierten tagelang, ob sie mit Scholz oder Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen sollen. Pistorius verzichtete schließlich auf eine Kandidatur.

Klingbeil: "Donnerstag vor einer Woche rief mich mittags Boris Pistorius an und sagte: 'Ich stehe nicht zur Verfügung.' Damit war auch die öffentliche Debatte beendet." Nun stehe die SPD geschlossen hinter dem Kanzler und sei bereit für den Wahlkampf, betonte der Parteichef. "Ich bin überzeugt, dass er der Richtige ist."

"Was will Merz eigentlich?"

Scholz habe "die Standhaftigkeit und die Erfahrung, die es in diesen turbulenten Zeiten braucht", sagte Klingbeil. "Im Gegensatz zu Friedrich Merz, der weder Bürgermeister noch Landrat oder je Mitglied einer Regierung war. Ich bezweifle, dass Merz in einer schwierigen Lage die Nerven behalten würde."

Der SPD-Chef rechnet mit einer "zugespitzten Auseinandersetzung zwischen Scholz und Merz" im Wahlkampf - und redet sich in Rage: "Was will Merz eigentlich? Außer dass er das Cannabis-Gesetz rückabwickeln und die Atomkraft wieder einführen will, kenne ich keine Konzepte von CDU und CSU."

Merz verstecke sich, "er will sich inhaltlich nicht positionieren". Zudem habe der CDU-Chef die Union aus der politischen Mitte nach rechts verschoben. "Arbeitnehmer sollen sich mal nicht so anstellen und fleißiger sein, gleichzeitig wird Respekt für die Besserverdienenden eingefordert", urteilt Klingbeil. "Ich habe den Eindruck, selbst Angela Merkel hält lieber eine Armlänge Abstand zu Merz."

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Unter Merkel habe er die CDU als sehr geradlinige Partei kennengelernt. "Ich hätte mir keine Situation vorstellen können, in der Merkel aus wahlkampftaktischen Gründen ablehnt, ein Deutschlandticket zu verlängern oder Familien zu entlasten. Sie hat immer zuerst an das Land gedacht." Und weiter: "Merz denkt vor allem daran, wie er persönlich politischen Profit aus einer Situation schlagen kann."

"Christian Lindner hat jedes Recht verloren, andere zu kritisieren"

Auch FDP-Chef Christian Lindner kommt im "Spiegel"-Interview schlecht weg. "Christian Lindner hat jedes Recht verloren, andere zu kritisieren", so Klingbeil. "Er hat monatelang den Bruch einer Regierung geplant und zum wiederholten Male gezeigt, dass er nicht in der Lage ist, sich für das Wohle des Landes auch ein Stück weit persönlich zurückzunehmen."

Er sei von der FDP insgesamt enttäuscht. Bis zuletzt habe er mit Leuten in der Partei gesprochen und nach Lösungen bei Themen wie Rente oder Tariftreue gesucht. "Ich dachte immer, das wären ehrliche Gespräche. Aber die FDP hat ein großes Schauspiel aufgeführt und nicht nur uns als ihre Koalitionspartner getäuscht, sondern vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes." (ank)

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