• Der Linkskandidat Gustavo Petro hat am Sonntag die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Kolumbien gewonnen.
  • Viele Menschen stimmten für ihn in der Hoffnung, dass er gegen Armut, ländliche Gewalt, Kriminalität in den Städten und die weitverbreitete Korruption vorgeht.
  • Kolumbien leidet immer noch an den Folgen eines jahrzehntelangen Konflikts zwischen Rebellen, Armee und Paramilitärs.

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Der Linkskandidat Gustavo Petro hat am Sonntag die erste Wahlrunde nach offiziellen Angaben mit 40 Prozent der Stimmen gewonnen. Der Ex-Guerillero und jetzige Senator tritt bei der Stichwahl am 19. Juni gegen den als populistisch angesehenen Millionär Rodolfo Hernández an, der überraschend zweiter wurde. Der Kandidat der traditionellen Rechten landete auf dem dritten Platz.

Nach Auszählung von 99 Prozent der Wahlzettel kam der 62-jährige Petro auf 40,3 Prozent der Stimmen, wie die für die Wahlorganisation zuständige Einwohnermeldebehörde mitteilte. Der unabhängige Unternehmer Hernández erhielt 28 Prozent. Er zog an dem konservativen Kandidaten Federico "Fico" Gutiérrez vorbei, der mit knapp 24 Prozent eine beispiellose Niederlage für die traditionelle Rechte Kolumbiens einfuhr. Bei seinem Sieg Petros in der Stichwahl bekäme Kolumbien erstmals einen linksgerichteten Staatschef. Bislang hatte sich die Macht in dem südamerikanischen Land stets in den Händen mehr oder minder konservativer Eliten konzentriert.

Petro bei Präsidentschaftswahl in Führung

Umfragen hatten den Sozialdemokraten Petro, der als junger Mann der Guerillagruppe M-19 angehörte, bereits mit etwa 40 Prozent klar vorn gesehen. Für einen Sieg im ersten Durchgang hätte er aber die absolute Mehrheit der Stimmen benötigt. Am Sonntag stimmten mehr als 8,4 Millionen Kolumbianer für Petro - in der Hoffnung, dass er gegen Armut, ländliche Gewalt, Kriminalität in den Städten und die weitverbreitete Korruption vorgeht.

Der einstige "Comandante Aureliano" und spätere Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá hat einen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Reformkurs angekündigt. Dazu gehören Steuern für Vermögende, ein Notprogramm gegen den Hunger sowie die Abkehr von Öl und Gas und stattdessen die Förderung erneuerbarer Energien.

Rund 40 Prozent der Menschen leben in Armut

Ein Großteil von Petros Anhängern rekrutiert sich aus der Protestbewegung, die im vergangenen Jahr angesichts der durch die Corona-Pandemie verschärften Nöte großer Bevölkerungsteile Front gegen den rechtsgerichteten Präsidenten Iván Duque gemacht hatte. Bei den damaligen Unruhen waren nach UN-Angaben mindestens 46 Menschen getötet worden. Rund 40 Prozent der Kolumbianer leben in Armut und die Einkommensungleichheit im Land zählt laut Weltbank zu den ausgeprägtesten weltweit.

"Wir wollen alle den Wandel", sagte der 34-jährige Hoteldiener Elison Beltran, der dem unabhängigen Kandidaten Hernández seine Stimme gab. Für den 77-jährigen Millionär votierten insgesamt 5,9 Millionen Wählerinnen und Wähler. Er hatte im Wahlkampf vorgeschlagen, Botschaften zu schließen, um Studentendarlehen abzubezahlen. Zudem solle jeder Kolumbianer das Recht haben, einmal im Leben ans Meer zu reisen. Hernández war als Außenseiter ins Rennen gegangen, hatte in Umfragen zuletzt aber zugelegt. Die örtliche Presse bezeichnet ihn als den "kolumbianischen Trump".

Kolumbien leidet an Folgen jahrzehntelangen Konflikts

Der drittplatzierte Ex-Bürgermeister Gutiérrez hatte sich sich als Verfechter einer harten Linie gegen die Kriminalität und vor allem den Drogenhandel präsentiert und dabei auf seine Politik in der vormaligen Drogenmetropole Medellín verwiesen. Der scheidende Staatschef Iván Duque, der nach einer Amtszeit nicht noch einmal antreten durfte, rief bei der Stimmabgabe "alle Kolumbianer auf, mit Enthusiasmus und Freude zu wählen - und ohne Hass, ohne Vorurteil und ohne Voreingenommenheit". Vor vier Jahren hatte er den damals schon kandidierenden Petro in der Stichwahl geschlagen.

Kolumbien leidet immer noch an den Folgen eines jahrzehntelangen Konflikts zwischen linksgerichteten Rebellen und der Armee sowie rechtsgerichteten Paramilitärs. Die M-19, der Petro einst angehörte, gab schon Anfang der 90er Jahre den bewaffneten Kampf auf und damit lange vor der weitaus größeren Farc-Guerilla, die erst 2016 ein Friedensabkommen mit der Regierung unterzeichnete. Die Wahl war von einem großen Sicherheitsaufgebot begleitet. Für den Schutz der 12.000 Wahllokale wurden rund 300.000 Polizisten und Soldaten eingesetzt. Die Organisation Amerikanischer Staaten und die Europäische Union entsandten Wahlbeobachter. (AFP/okb)

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