Korsika ist für viele Menschen ein beliebtes Urlaubsziel zum Sonnenbaden. Doch unter der schönen Oberfläche verbirgt sich für Touristen unsichtbar ein Problem mit schweren Folgen: die Mafia.

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Blaues Meer, schroffe Felsen und jede Menge wilde Natur: Jedes Jahr lockt die französische Mittelmeerinsel Korsika Hunderttausende Urlauberinnen und Urlauber an. Doch wovon die meisten von ihnen nichts ahnen: In dem Urlaubsparadies agiert im Untergrund die Mafia.

Drohungen, erpresstes Schweigegeld und schlecht gebaute Wohnungen sind nur einige der Folgen für die Menschen vor Ort. Immer wieder gibt es auch Tote. Jetzt kommt mit "Borgo" ein Film in die französischen Kinos, der von einem Doppelmord im korsischen Bandenmilieu erzählt, und schon vorab für Furore gesorgt hat.

Am meisten Morde auf Einwohnerzahl hochgerechnet

Die "Insel der Schönheit", wie Korsika oft genannt wird, ist die Region im europäischen Teil Frankreichs, in der auf die Einwohnerzahl gerechnet am meisten Menschen umgebracht werden. Im vergangenen Jahr waren es 3,7 Tote auf 100.000 Bewohnerinnen und Bewohner, laut Innenministerium mitunter wegen der vielen Abrechnungen. "Das schlimmste ist, dass diese Fälle nicht aufgeklärt werden, weil es keine Zeugenaussagen gibt. Das ist die Omertà", sagt die Anti-Mafia-Aktivistin Josette Dall'Ava-Santucci. Die Mafia lege eine solche Schweigepflicht auf.

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Die Macht der Mafia auf Korsika hat laut Anti-Mafia-Aktivistin Dall'Ava-Santucci eine kuriose Auswirkung auf die Sicherheit für Touristen: Es gebe kaum Kleinkriminalität wie zum Beispiel Diebstähle. © dpa / Rachel Boßmeyer/dpa

Lange Zeit wurde darüber gestritten, ob es auf der beliebten Mittelmeerinsel überhaupt eine Mafia gibt. "Ich glaube, wir müssen uns klar ausdrücken", sagte kürzlich der für organisierte Kriminalität auf Korsika zuständige Staatsanwalt Nicolas Bessone dem Sender France Bleu. "Die Frage, ob es auf Korsika eine Mafia gibt, ist kein Thema mehr. Es gibt dort eine." Einem internen Bericht einer Anti-Mafia-Einheit von Polizei und Gendarmerie zufolge, aus dem französische Medien zitieren, treiben auf der Insel 25 kriminelle Banden ihr Unwesen.

Die Insel für sich entdeckt haben die Mafiosi in den 1980er Jahren, wie Dall'Ava-Santucci erzählt, als Investmentpläne für das bergige Fleckchen im Mittelmeer entwickelt wurden. Mittlerweile sind die Kriminellen im lukrativen Baugewerbe, im Immobiliengeschäft, im Abfallsektor und im Drogenhandel besonders aktiv, sagt die 82-Jährige, die eigentlich Ärztin ist und 2019 mit Mitstreitern die Anti-Mafia-Organisation "Maffia Nò" gründete.

Welches Ausmaß die Mafia auf Korsika heute habe, sei schwer zu sagen, da ein großer Teil ihrer Machenschaften unter der Oberfläche abliefen. Jede der gut 20 Banden habe vielleicht ein Dutzend Mitglieder. Angesichts der gerade einmal 350.000 Inselbewohner sei diese Zahl aber beachtlich. Hinzu kämen gekaufte Menschen in Justiz- und Steuerbehörden, beim Wachpersonal im Gefängnis und vereinzelt sogar bei der Gendarmerie. Staatsanwalt Bessone vermutet gar Verbindungen in die Politik. Genau aufgeteilte Gebiete der einzelnen Banden gibt es laut Jean-Jacques Fagni, Anwalt am Berufungsgericht in Bastia, nicht. Sowohl er als auch Bessone verweisen darauf, dass die Gruppen mitunter sogar zusammenarbeiteten.

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An einer Hausmauer steht auf Korsisch geschrieben "Mafia raus!": Eher eine Seltenheit auf Korsika. © dpa / Rachel Boßmeyer/dpa

Lagerhallen und Arbeitsgeräte einfach in die Luft gejagt

Dall'Ava-Santucci hat etliche Berichte von Opfern der korsischen Mafia gehört. Da wurden Türen ausgehangen, weil die Miete nicht rechtzeitig gezahlt worden war, versucht, Menschen ihre Häuser wegzunehmen, Lagerhallen und Arbeitsgeräte konkurrierender Firmen einfach in die Luft gejagt, Baugenehmigungen erpresst und Immobilienpreise nach unten gedrückt. Die Korsin betont: "Eine ganze Generation kennt die Mafia als Angestellte, als Firmenleiter." Sie trieben Preise etwa von öffentlichen Arbeiten in die Höhe, führten diese schlampig aus und leiteten mitunter Unternehmen, obwohl sie dafür nicht kompetent seien.

Doch für die rund drei Millionen Touristen, die jährlich nach Korsika strömen, hat all das keinerlei Auswirkungen, meint die Seniorin. "Ganz im Gegenteil!" Es gebe keine Kleinkriminalität. Man brauche keine Angst haben, nachts nach Hause zu laufen, oder sich vor Diebstählen fürchten. Ob Ferienwohnungen oder Bars in den Händen der Mafia sind, dürfte nicht ersichtlich sein für die Urlauber, unter denen Deutsche im vergangenen Jahr 3,7 Millionen Übernachtungen buchten und damit nach Franzosen die größte Urlaubsnation auf der Insel ausmachten. Lediglich vereinzelte korsische Graffitis, die "Mafia raus" fordern, könnten dem ein oder anderen in Bastias Straßen ins Auge springen.

Anti-Mafia-Aktivistin: "Im Gefängnis machen sie, was sie wollen"

Die Bevölkerung, Abgeordnete und den Staat selbst - sie alle will Dall'Ava-Santucci beim Kampf gegen die Mafia einbeziehen. Konkret fordert sie, die Polizei zu stärken, einen eigenen Straftatbestandteil für mafiöse Kriminalität einzuführen, Laienrichter am Schwurgericht durch Berufsjuristen zu ersetzen, Güter von Verdächtigen im Mafia-Bereich sofort zu beschlagnahmen und Verbote etwa zur Unternehmensführung auszuweiten. Gefängnisstrafen hingegen interessierten sie weniger. "Im Gefängnis organisiert sich die Mafia. Im Gefängnis machen sie, was sie wollen."

Auch der Film "Borgo" von Stéphane Demoustier, der diese Tage in Frankreich erscheint, spielt im Gefängnis und erzählt inspiriert vom Doppelmord in Bastia-Poretta 2017, bei dem zwei Mafia-Größen getötet wurden, die Geschichte einer jungen Gefängniswärterin. Das Brisante daran: Der Prozess um den Fall soll erst einige Wochen nach Kinostart beginnen. "Es ist schon irrsinnig einen Film zu machen, während das Ermittlungsverfahren läuft", findet Dall'Ava-Santucci. Und auch andere halten von dem Film wohl wenig. Bei einer Vorpremiere auf einem Filmfestival in Bastia musste der Saal nach einer Bombendrohung geräumt werden. Für Aktivistin Dall'Ava-Santucci besteht kein Zweifel, dass die Mafia dahintersteckt. "Sie haben versucht, die Omertà zu bekommen." (dpa/szu)

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