Während einer Pressekonferenz richtet Sachsens Innenminister Armin Schuster die Worte "Wir kriegen euch" an Rechtsextremisten in Ostdeutschland. Der vom Verfassungsschutz beobachtete rechte Verein "Ein Prozent" erweckt daraufhin den Eindruck, der Innenminister habe sich auf Demonstrierende bei den Energieprotesten bezogen. Das stimmt nicht.
Der Verein "Ein Prozent" reißt in sozialen Netzwerken Worte des sächsischen Innenministers Armin Schuster (CDU) aus dem Kontext. "Sie drehen durch! Die ostdeutschen Innenminister wollen die Demonstranten bei den Energieprotesten wie Verbrecher behandeln", behauptet der rechte Verein auf Twitter und Telegram. "Ein Prozent" wird seit 2020 vom Bundesverfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus beobachtet.
Als Beleg führt der Verein drei unvollständige Zitate von Armin Schuster an: "Al-Capone-Prinzip", "keinen Quadratzentimeter Raum" und "Wir kriegen euch". Schuster sagte diese Worte bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit ostdeutschen Innenministern zum Thema Bekämpfung von Rechtsextremismus am 4. November. Er bezog sich damit aber explizit auf Rechtsextreme und nicht auf Demonstrierende allgemein. Das belegt eine Aufnahme der Pressekonferenz vom 4. November, die auf YouTube zu finden ist.
Sachsens Innenminister Schuster bezog sich auf Rechtsextremisten
Schuster sagte: "Wir wollen in Sachsen [...] die Strategie verfolgen: Keinen Quadratzentimeter Raum für Extremismus" (ab Minute 27:12). Danach spricht er über die mögliche Zusammenarbeit unterschiedlicher Behörden und mehrerer Bundesländer, vor allem im juristischen Bereich: "Dann könnte für ganz Ostdeutschland eine gemeinsame Strategie entstehen: Wir wollen nicht weiter attraktiv bleiben für euch, Rechtsextremisten. Darum geht es. Am Ende ist es ein bisschen das Al-Capone-Prinzip. Wir kriegen euch" (ab Minute 28:55).
Was Schuster mit dem Al-Capone-Prinzip meint, führt er nicht aus. Strafverfolgungsbehörden benutzen diesen Begriff für eine bestimmte Strategie bei der Bekämpfung von Straftaten, das Vorgehen gegen den Mafiaboss Al Capone gilt dabei als historisches Vorbild: Die Justiz in Chicago konnte ihm selbst keine Morde nachweisen, deshalb verfolgte sie ihn wegen anderer Straftaten; er kam 1931 schließlich wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis.
Schuster zieht Trennlinie zwischen Extremisten und "tausenden friedlichen Demonstranten"
Diese Sätze als Angriff auf alle Demonstrierenden bei den Energieprotesten zu interpretieren, ist also irreführend. Zumal der sächsische Innenminister in derselben Pressekonferenz eine klare Trennlinie zwischen Rechtsextremisten und anderen Demonstrierenden zieht: "Wir haben seit Monaten keine unfriedlichen Demonstrationen. Wir haben Versammlungen, die weit, weit überwiegend friedlich verlaufen, wo die bürgerliche Mitte Protest äußert. Und das gehört nicht nur dazu, das ist auch gut so. Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, politisch Meinungen zu bilden" (ab Minute 9:50). Die Herausforderung bestehe darin, zu gewährleisten, dass die tausenden friedlichen Demonstranten nicht in ihrem Anliegen von Extremisten missbraucht würden.
Der Verein "Ein Prozent" verlinkt in den Beiträgen auf sozialen Netzwerken auch einen Artikel auf der eigenen Webseite. Dort werden die Aussagen von Schuster anders dargestellt als in den Beiträgen auf Twitter und Telegram selbst. In der Überschrift steht "‚Wir kriegen euch’ – Innenminister droht Patrioten". Im Artikeltext heißt es, die ostdeutschen Innenminister wollten "gegen die unliebsame patriotische Opposition" vorgehen, es wird also deutlich, dass nicht alle Demonstrierenden gemeint sind.
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