Kevin Kühnert erklärt im Interview mit unserer Redaktion, wie die Rente auch in Zukunft stabil bleiben soll. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters schließt der Generalsekretär der SPD aus. Außerdem bekennt er sich klar zur Wärmewende und kritisiert den Koalitionspartner FDP.
Sie sind jetzt 33 Jahre alt. Regulär würden Sie 2057 in Rente gehen. Wie muss sich die Rente bis dahin verändert haben?
Kevin Kühnert: Heute wie auch im Jahr 2057 muss es ein hohes Beschäftigungsniveau geben und die Beschäftigten müssen gute Löhne haben, nur dann kommen genügend Beiträge in der Rentenversicherung an. Neben einer hohen Geburtenrate können wir auf das Beschäftigungsniveau auch anderweitig Einfluss nehmen, die Stichworte heißen beispielsweise höhere Frauenerwerbstätigkeit und Arbeitskräfteeinwanderung.
Bereits heute kommen viele kaum mit ihrer Rente über den Monat. Vor allem Frauen haben tendenziell eine niedrigere Rente, weil sie für die Erziehung ihrer Kinder ausgesetzt haben. Ist das gerecht?
Nein, aber genau deshalb haben wir in der letzten Wahlperiode die Grundrente eingeführt. Alle, die mindestens 33 Jahre gearbeitet, Familienangehörige gepflegt oder Kinder erzogen haben, liegen mit der Grundrente im Alter sicher über Sozialhilfeniveau.
Trotz Grundrente steigt aber die Zahl der älteren Menschen, die zur Tafel gehen müssen.
Das stimmt und das ist eine beschämende Situation in einem so reichen Land. Das hat zuletzt jedoch vor allem mit der gegenwärtigen Teuerung zu tun. Die Kosten bei Energie, Lebensmitteln und Mobilität schlagen vor allem bei Menschen mit kleineren Einkommen und Renten voll durch. Deshalb haben wir enorme Preisbremsen bei Strom und Wärme auf den Weg gebracht. Das soll verhindern, dass sich große Konzerne auf Kosten ihrer Kunden an der Krise bereichern.
Trotz Maßnahmen wie einer Energiepreisbremse liegt die Inflation aber bei 7,5 Prozent, während die Renten durchschnittlich nur um knapp 5 Prozent gestiegen sind. Die Rentner werden also real immer ärmer.
Was mir in der Rentendebatte häufig zu kurz kommt: Die Rentenerhöhungen orientieren sich maßgeblich an der Lohnentwicklung des Vorjahres. Sozialminister
Geht die Rechnung, dass steigende Löhne zu steigenden Renten führen, in Zukunft noch auf, wenn durch den demografischen Wandel immer weniger Menschen arbeiten und immer mehr Menschen Rente beziehen?
Wer diese Frage für die Zukunft beantworten will, muss in die Vergangenheit schauen. Seit Beginn der Rentenversicherung werden die Menschen älter, bekommen weniger Kinder und schuften weniger. Das hat aber nicht dazu geführt, dass die Rente kollabiert ist. Weil wir produktiver werden, also mit weniger Arbeit mehr Wertschöpfung erreichen, ist das möglich. Wir haben heute in Deutschland Beitragssätze auf dem Niveau von vor 40 Jahren – trotz der demografischen Entwicklung. Weil wir nahezu Vollbeschäftigung erreicht haben und in vielen Bereichen eine gute Lohnentwicklung hatten.
Lässt sich das in der jetzigen Situation einfach so wiederholen?
Wir haben im Land zwei Millionen unbesetzte Arbeitsstellen. Wenn wir die künftig wieder besetzen, würden wir, was die Rente angeht, sogar noch deutlich besser dastehen. Arbeitskräfteeinwanderung und die Befreiung von Frauen in der unfreiwilligen Teilzeitfalle sind die maßgeblichen Stellschrauben dafür. Die Rechnung "Mehr Ältere machen die Rente unfinanzierbar" hat noch nie gestimmt. Das erzählen nur Leute, die die gesetzliche Rentenversicherung aus ideologischen Gründen beerdigen wollen.
Die CDU stellt in ihrem Grundsatzprogramm in Aussicht, dass auch das Renteneintrittsalter von 67 mit der Lebenserwartung in Zukunft steigen könnte. Wäre das mit der SPD zu machen?
Keinesfalls. Mit der SPD bleibt das gesetzliche Renteneintrittsalter unverändert, wir können nämlich rechnen. Jeder Zweite arbeitet heutzutage mit 60 schon nicht mehr in seinem erlernten Beruf, weil es vielfach harte Tätigkeiten sind, die man nicht bis 67 ausführen kann. Und jeder Vierte geht frühzeitig mit Abschlägen in Rente. Das Renteneintrittsalter anzuheben heißt nichts anderes, als diesen Menschen weiter die Rente zu kürzen. Die Union hat jetzt den Geist aus der Flasche gelassen. Eine Rente mit 72, wie sie vom CDU-Programmverantwortlichen Carsten Linnemann jetzt vorgeschlagen wird, ist ein respektloser Angriff auf langjährig Beschäftigte in Deutschland. Nur weil Friedrich Merz mit über 70 Jahren unbedingt noch Kanzler werden will, müssen andere ja nicht ackern, bis sie umfallen. Das Mittelalter ist vorbei.
Sie haben in Ihren Ausführungen zur Rente die Aktienrente noch gar nicht erwähnt, obwohl sie das größte Projekt der Koalition zur Rente ist. Dort sollen 10 Milliarden Euro pro Jahr aus der Rentenversicherung in einem Fonds angelegt werden. Macht das die Rente wirklich sicherer?
Es verbreitert die Finanzierung. Es gibt ein paar internationale Beispiele dafür, die gut funktionieren. Das Generationenkapital, wie wir es nennen, wird mit seinen 10 Milliarden Euro aber keine Revolution für die Rentenversicherung sein.
Was passiert aber mit der Rente, wenn die Börsenkurse einbrechen?
Der Begriff "Aktienrente" ist hier irreführend. Es ist rechtlich glasklar: Was wir da machen, birgt keinerlei Risiko für die Altersrenten der Deutschen. Die Rentenansprüche der Versicherten sind Rechtsansprüche und können nicht "verzockt" werden. Einer solchen Reform würde die SPD niemals zustimmen.
Der Durchschnitt der Menschen kommt auf eine Rente von knapp über 1000 Euro. Wer mehr will, muss privat vorsorgen, zum Beispiel durch den Kauf eines Eigenheims. Das können sich aktuell normal arbeitende Menschen aber nicht mehr leisten. Ist der Traum vom eigenen Haus oder der eigenen Wohnung als Altersvorsorge ausgeträumt?
Im Moment haben wir vor allem eine sehr ungünstige Zinssituation. Das wird sich auch wieder verändern. Wir starten am 1. Juni mit der neuen Eigenheimförderung der Bundesregierung. Wir haben dabei genau diejenigen im Blick, die die Finanzierung aktuell nicht selbst stemmen können. Unser Förderungsprogramm vergünstigt deshalb die Zinsen, damit man das Eigenheim zu günstigeren Konditionen finanzieren kann.
Nicht nur die hohen Zinsen, sondern auch die hohen Grundstückspreise und Baukosten sorgen für Summen, die für viele nicht zu stemmen sind. Was wollen sie dagegen tun?
In vielen Städten ist Bauland blockiert, weil damit spekuliert wird. Die Eigentümer haben zwar eine Baugenehmigung, wollen aber vor allem die Gewinne aus den steigenden Grundstückspreisen abgreifen. Dagegen können und sollten Kommunen sich wehren, zum Beispiel mit Baugeboten. Wenn der Bauprozess trotz Fristsetzung nicht begonnen wird, dann darf die Kommune nämlich das Grundstück übernehmen und dort eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft bauen lassen.
Das ändert kurzfristig aber nichts daran, dass das Eigenheim zu teuer bleibt.
Ich würde gerne den Eigentumsbegriff erweitern. Es gibt nicht nur das Einfamilienhaus, sondern auch gemeinschaftliches Eigentum in Form von Genossenschaften. Wer Genossenschaftsanteile erwerben will, der kann dafür mittlerweile staatliche Tilgungszuschüsse und Zinsverbilligung bekommen. Dafür hat die SPD gesorgt.
Wer aktuell Wohneigentum besitzt, muss dafür sorgen, dass dort bald klimaneutral geheizt wird. Haben Sie Sorge, dass die Umrüstung auf die Wärmepumpe manche finanziell überfordert?
Die SPD wird dafür Sorge tragen, dass die Höhe der Förderung bei neuen Heizanlagen sich an den finanziellen Möglichkeiten des Haushalts orientiert, alles andere wäre unsozial. Grundsätzlich gilt aber: Die Wärmepumpe wird für viele Haushalte gar nicht die passende oder gewünschte Lösung sein. Und das ist auch okay so. Das Gesetz wird technologieoffen gestaltet, es wird also auch weiterhin eine bunte Vielfalt an Heizsystemen im Land geben. Nur eben unter einer Bedingung: klimaschonend müssen sie sein.
Warum hat man die Förderung nicht schon in einem früheren Entwurf berücksichtigt? Dann hätte man vielen Bürgern einige Sorgen erspart.
Der Gesetzentwurf ist in einer sehr frühen Phase unfreiwillig an die Öffentlichkeit gelangt, da war er noch gar nicht fertig. So entstand der falsche Eindruck, die Förderung spiele keine große Rolle. Das Gegenteil ist aber der Fall. Keine Frage: Die Kommunikation war nicht oscarpreisverdächtig, das passiert uns nicht nochmal. Aber auch die Opposition trägt Verantwortung dafür, trotz komplexer Themen über den tatsächlichen Sachgegenstand zu diskutieren und nicht mit Horrormärchen die Leute hinter die Fichte zu führen. Wer jetzt immer noch Begriffe wie "Heizungsverbot" oder "Energie-Stasi" verwendet, der beteiligt sich an der faktenfreien Aufhetzung von Leuten. Damit muss Schluss sein, wenn wir in Deutschland keine so absurde Debattenkultur wie in den USA haben wollen.
Mit dem Begriff "Energie-Stasi" bezieht sich Thüringens CDU-Chef Mario Voigt auf ein weiteres Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung. Darin soll ein Heizregister enthalten sein. Was heißt das?
Es ist wirklich absurd: Die Ankündigung einer Wärmeplanung ist für Endverbraucher in Wahrheit die beste Nachricht seit Wochen. Mit ihr soll ermittelt werden, wie viel Wärme wir in unseren Kommunen brauchen, wo sich verfügbare Wärmequellen befinden und wie wir die Wärme mit guten Netzen in die Haushalte bekommen. Denn jeder Haushalt, den wir künftig an ein Wärmenetz anschließen, ist einer, der die Wärmewende nicht individuell mit Wärmepumpe, Pelletheizung oder Biogas organisieren muss. Die SPD setzt auf starke Wärmenetze, weil sie nachhaltig und günstig sind.
Die öffentlichen Drohungen ihres Koalitionspartners FDP, das Gebäudeenergiegesetz (GEG) zu blockieren, haben aber auch nicht für eine Beruhigung der Debatte gesorgt.
Das ist leider wahr. Wir müssen in der Sache hart miteinander diskutieren können, immerhin geht es um ein sehr weitreichendes Gesetz. Es wird nur schwierig, wenn man einen Koalitionsvertrag mit konkreten Projekten unterschreibt und anderthalb Jahre später den Eindruck vermittelt, dass man es gar nicht so gemeint hat. Das knabbert doch an der eigenen Glaubwürdigkeit.
Was meinen Sie damit?
Ich bin nicht der Politikberater der FDP, aber ich habe mittlerweile auch genug politische Erfahrung, und die sagt mir: Wenn jemand in der FDP sich durch Getöse einen dauerhaften Vorteil in Umfragen und Wahlen erhofft, dann wird das nicht aufgehen. Denn das Gesetz wird ja trotzdem kommen. Und ich bin auch sehr sicher, dass es noch vor der Sommerpause kommen wird. Wir sollten über das "Wie" ringen und nicht über das "Ob", denn das hat auch die FDP im Koalitionsvertrag bereits mit "Ja" beantwortet.
Sie sind nicht Politikberater der FDP, aber Generalsekretär der SPD. Die gesamte Partei hielt sich bislang in der öffentlichen Debatte um das Gesetz zurück. Warum spricht die Kanzlerpartei in so einer wichtigen Frage nicht öffentlich mal ein Machtwort?
Weil Politik so nicht funktioniert. Sachliche Konflikte müssen sachlich geklärt werden. Andauernde Machtworte sind nur auf den ersten Blick Ausdruck politischer Stärke, in Wahrheit wären sie Ausdruck schlechter Führung und nutzen sich auch ab. Die von uns geführte Koalition ist keine Daily-Soap, in der dem Publikum jeden Tag ein Drama präsentiert werden soll. Unser Job ist es, uns beizeiten mit einem Ergebnis zu Wort zu melden. Das ist der Ansatz der SPD.
Diese Haltung hat aber dazu geführt, dass viele Bürger nicht wissen, wo die SPD im Heizungsstreit steht. Muss eine Volkspartei in so einer wichtigen Frage nicht auch öffentlich für ihre Position streiten?
Deswegen reden wir ja hier und ich kann Ihnen versichern, in der SPD gibt es keine zwei Meinungen: Wir sind im Team Wärmewende. Denn ein Drittel unserer Treibhausgasemissionen kommt aus den Gebäuden, insbesondere vom Heizen. Lassen wir alle Heizungen, wie sie sind, können wir uns das Ziel der Klimaneutralität in die Haare schmieren. Um das zu verhindern, machen wir das Gesetz und haben den klaren Auftrag, dass es lebensnah und bezahlbar wird.
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