• Sebastian Kurz sieht sich wegen seiner Corona-Kommunikation auch mit Kritik seines Grünen Regierungspartners konfrontiert.
  • Österreichs Bundeskanzler hatte insbesondere Menschen, die im Sommer in ihre Herkunftsländer gereist waren, vorgeworfen, "uns Ansteckungen wieder ins Land hereingeschleppt" zu haben.
  • Die der Aussage zugrunde liegende Datenbasis ist allerdings sehr dünn.

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Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat seine viel kritisierte Aussage wiederholt, dass das Coronavirus im Sommer durch Auslandsreisen insbesondere von Menschen mit Migrationshintergrund "hereingeschleppt" worden sei. Die Alpenrepublik habe durch Reiserückkehrer, vor allem vom Balkan, ein Drittel des Infektionsgeschehens im Sommer "importiert", sagte Kurz am Donnerstag bei "Bild live".

"Das ist einfach ein Faktum, das ist keine Schuldzuweisung, sondern schlicht und ergreifend die Realität", bemerkte Kurz.

Die offiziellen Zahlen lassen eine solch klare Aussage, wie sie Kurz mehrmals tätigte, nicht zu: Statistiken der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) besagen, dass es zwei Sommerwochen gab, in denen ein Drittel der Corona-Fälle auf Rückkehrer vom Balkan zurückzuführen waren.

Allerdings sagen die Zahlen nichts über die Nationalität der Infizierten aus. Denn aufgrund der von der Regierung ausgesprochenen Reisewarnung für Kroatien waren viele Urlauber – Österreicher wie Migranten – in dieser Zeit in die Alpenrepublik zurückgekehrt.

Österreichs Regierung verkündete am Mittwoch eine zehntägige Quarantänepflicht für alle Einreisenden aus Corona-Risikogebieten rund um Weihnachten und Neujahr. Das gelte praktisch für alle Nachbarstaaten und speziell auch für den Balkan, hieß es.

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Sebastian Kurz: Kritik auch vom Grünen Regierungspartner

Kritik an der Wortwahl von Kurz kam nicht nur von der Opposition und in sozialen Medien, sondern auch vom Regierungspartner. Die SPÖ-Frauen und SoHo (Sozialdemokratie und Homosexualität) orteten in der Kurz-Aussage "Hetze" und forderten eine Entschuldigung des Kanzlers. SOS Mitmensch warnte vor einer "Verrohung der Politik".

Die Kommunikation der Reisebeschränkungen sei "einseitig und von mangelnder Sensibilität" geprägt gewesen, erklärte Grünen-Chef und Koalitionspartner Werner Kogler. Die Aussagen hätten viele Menschen verletzt. "Und ich denke da besonders an die vielen Frauen und Männer, die sich bei uns seit vielen Monaten in Pflegeheimen, Spitälern – da auch in den Intensivstationen – und in anderen wichtigen Bereichen voll einsetzen", sagte Kogler.

Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl wirft Kurz in einer Analyse für das "Moment Magazin" unter anderem "Schuldabwehr" und "Entmenschlichung" vor. "Wenn die Oma in Sarajevo statt irgendwo in Österreich wohnt, dann wird auf diese Menschen Schuld geladen", kritisiert Strobl.

Zudem trage die Regierung selbst Verantwortung für die Entwicklung in der Corona-Pandemie, habe sie doch die Maßnahmen im Sommer erheblich gelockert. "Das Virus [hat] Österreich natürlich nie verlassen und sich im Land gut verteilt", betont Strobl. Dazu komme, dass etwa der österreichische Skiort Ischgl "einer der internationalen Drehscheiben der Virusverteilung war".

Kanzler Kurz weist Vorwürfe zurück

Kurz selbst wies den Vorwurf "mangelnder Sensibilität" beim Kommunizieren der Reisebeschränkungen als "absurd" zurück.

"Jeder, der mich kennt weiß, wie eng ich mit dem West-Balkan verbunden bin", sagte der Kanzler im Interview mit VN.at und VOL.at. "Ich habe viele Freunde mit Wurzeln dort, ich hab' ein freundschaftliches Verhältnis zu den Regierungschefs dort." Überhaupt sei er über die "enge Verwobenheit" mit dieser Region froh.

Zugleich schwächte Kurz in dem Interview seine ursprüngliche Aussage etwas ab. Bei den Reiserückkehrern gehe es "genauso" auch um Auslandsösterreicher, die nach Österreich zurückkehren, oder Menschen, die gern in den Urlaub fahren, sagte der Kanzler. (dpa/apa/mf)

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