Bayern und Hessen haben gewählt. Und das Ergebnis ist ein Debakel für die Ampel-Parteien. Am Tag danach fallen die Deutungen unterschiedlich aus. Doch viel Zeit, um in sich zu gehen, bleibt der Koalition nicht. Mit dem Mega-Thema Migration wartet die nächste große Belastungsprobe.
Da stehen sie also im Atrium des Willy-Brandt-Hauses in Berlin. In der Mitte die Parteichefin der SPD,
Kein Wunder: In beiden Ländern hat die SPD nicht nur verloren, nein, sie hat desaströs abgeschnitten. In Hessen – einst rotes Stammland – kommen die Sozialdemokraten nur noch auf 15,1 Prozent. Bundesinnenministerin
Noch schlimmer sieht es in Bayern aus. Mit 8,4 Prozent liegen die Genossen abgeschlagen auf dem fünften Platz. Eine entsprechende Miene machte Spitzenkandidat von Brunn am Montag vor der Hauptstadtpresse. Es gibt nichts zu lachen bei den Sozialdemokraten.
Absturz der SPD: Landespolitische Themen spielen keine Rolle
Die Erklärung für den Absturz: Landespolitische Themen hätten nicht gezogen, sagen beide Spitzenkandidaten. Die SPD setzte auf bewährte Themen: günstiges Wohnen, Bildung für alle, gute Arbeit. Doch damit drang sie bei den Wählerinnen und Wählern nicht durch. Und das wiederum hat mit Berlin zu tun. Die Ampel ist unbeliebt wie nie – und die Fliehkräfte im Bündnis dürften weiter zunehmen. SPD-Chefin Esken räumt ein, dass das Bild der Koalition verbesserungswürdig sei. "Viele Antworten hat die Ampel gegeben, aber viele hat sie eben auch im Streit gegeben", sagt sie.
FDP erneut abgestraft: Lindner verzichtet auf Krawall
Bei der FDP ähnelt das Bild den Montagen nach vergangenen Landtagswahlen: Wieder einmal haben die Liberalen eine Schlappe erlitten, nach Niedersachsen und Berlin ist die FDP auch aus dem Landtag von Bayern geflogen. Wieder einmal muss Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christan Lindner eine Niederlage erklären und Durchhalteparolen abgeben.
Eines aber ist anders: Lindner hat zuletzt bei solchen Anlässen angekündigt, die liberale Handschrift in der Ampel-Koalition müsse deutlicher werden. Diese Parole wählt er an diesem Montag nicht – womöglich weil er selbst weiß, dass die Rolle des Koalitionsrowdys den Liberalen an den Wahlurnen wenig bis keinen Erfolg gebracht hat.
Stattdessen wiederholt Lindner jetzt: "Die Koalition insgesamt muss ihre Arbeit kritisch reflektieren, damit wir insgesamt erfolgreich werden." Alle drei Ampel-Parteien hätten in Bayern und Hessen Stimmen verloren. Alle drei müssten sich nun fragen, wie die Koalition den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger besser entsprechen kann. Aus Lindners Sicht heißt das: Die Regierung müsse für Wirtschaftswachstum sorgen, die Bürokratie abbauen, Klimaschutz "mit Augenmaß" betreiben und mit einer "Asylwende" die Migration eindämmen.
Am 20. Oktober ist das nächste Treffen des Koalitionsausschusses geplant. Das wäre dem FDP-Chef zufolge eine "erste Gelegenheit" für solche Gespräche. Die Ampel-Koalition an sich stellt er aber nicht infrage. "Die FDP ist eine staatstragende Partei."
Die Grünen fordern "Schulterschluss aller Demokraten"
Wer möchte, kann danach aus der Pressekonferenz der Grünen ähnliche Töne heraushören. Es sei ein schwieriger Tag für alle Ampel-Parteien gewesen, sagt der Co-Parteivorsitzende
Für Nouripour sind vor allem die starken Zugewinne der AfD ein Alarmzeichen. Er will jetzt einen "Schulterschluss aller Demokraten" erreichen. "Meine Schlussfolgerung ist, dass alle demokratischen Kräfte die Pflicht haben, über Parteigrenzen hinweg zwischen Regierung und Opposition und zwischen Bund und Ländern an der Lösung von Problemen arbeiten."
Was aber bedeutet das konkret? Der Grünen-Chef erklärt sich zu Gesprächen über das Migrationsthema bereit. Aus seiner Sicht bedeutet das: Die Bundesregierung muss mit anderen Staaten Rückführungsabkommen für schnellere Abschiebungen schließen. Sie muss aber vor allem die Kommunen bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten finanziell besser unterstützen und Asylbewerbern das Arbeiten erleichtern.
CSU siegt in Bayern: Söder will über Grundrecht auf Asyl diskutieren
Gleiches Thema, aber andere Schwerpunkte dagegen im Süden der Republik: Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder fordert die Bundesregierung erneut zu einem "Deutschland-Pakt" auf. Auch er will gemeinsame Beschlüsse zur Migration, auch er will die AfD "stellen und bekämpfen".
Allerdings ist es mit einer besseren Integration aus seiner Sicht nicht getan. "Es braucht keine kosmetischen Änderungen, sondern eine Umkehr in der Asylpolitik Deutschlands nach dem Vorbild Dänemarks", sagt Söder. Auch über das Grundrecht auf Asyl im Grundgesetz müsse man diskutieren.
CDU-Chef Merz versichert "ausgestreckte Hand" in Richtung Ampel
Das Migrationsthema ist allgegenwärtig. Auch im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin, wo am Montag prächtige Stimmung herrscht. Parteichef Friedrich Merz präsentiert mit Boris Rhein den hessischen Wahlsieger an seiner Seite. Pflichtbewusst gehen auch Grüße nach München, wo Markus Söder nur ein schwaches Ergebnis eingefahren hat. Schöner Nebeneffekt aus Sicht des CDU-Chefs: Eine bayerische Kanzlerkandidatur ist nach diesem Sonntag unwahrscheinlicher geworden.
Im Adenauer-Haus kommt Merz schnell zum Punkt und gibt sich selbstbewusst: Seine umstrittenen Äußerungen im Wahlkampf haben aus seiner Sicht den Wahlsieg der Hessen-CDU erst möglich gemacht. Angesichts des "kompletten Desasters" bei den Landtagswahlen müssten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ampel-Koalition ihre Regierungspolitik "komplett überdenken".
Der Oppositionsführer verweist auf seine "ausgestreckte Hand", um mit der Bundesregierung - wie Söder auch - einen "Deutschland-Pakt" zu schließen. Der Kanzler hatte einen solchen Pakt ins Spiel gebracht, damit Regierung und Opposition gemeinsam drängende Probleme lösen. Was aus Sicht von Merz drängt, ist klar: die ungesteuerte Zuwanderung.
Die AfD hat in Hessen und Bayern mit 18,4 und 14,6 Prozent jeweils neue Rekordwerte aufgestellt – und das, obwohl die Spitzenkandidaten den meisten Wählerinnen und Wählern unbekannt sind. Die These der Union: Die ungelöste Asylfrage treibt den Rechtspopulisten die Wähler zu.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte am Sonntagabend, dass viele Protestwähler zurückgeholt werden könnten, wenn es der Politik gelänge, "illegale Migration" einzudämmen. Ähnlich äußert sich auch Merz, der beklagt, dass sich immer mehr Menschen "von den demokratischen Parteien abwenden". Es brauche nun eine gemeinsame Lösung. Sonst sehe er schwarz für die Demokratie.
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