- Kaum im Amt, schlägt Gesundheitsminister Karl Lauterbach Alarm: Es mangelt an Impfstoff.
- Die Bestände in den Lagern werden knapp, vor allem Biontech liefert zu wenig und in der kommenden Woche muss sogar rationiert werden.
- Lauterbach sieht deshalb die gut angelaufene Booster-Impfkampagne in Gefahr.
Karl Lauterbach hat am vergangenen Mittwoch das Amt des Bundesgesundheitsministers übernommen. Bereits zwei Tage später, am Freitag, wollte er sehen, wie voll die Lager sind. Das auch für Lauterbach überraschende Ergebnis der Corona-Impfstoffinventur: "Wir haben einen Impfstoffmangel für das erste Quartal", sagte der SPD-Politiker am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen". "Wir haben zu wenig Impfstoff."
Am Donnerstag konkretisierte
Zum einen seien die Bestände fast aufgebraucht. Nur noch drei Millionen Impfdosen des Herstellers Biontech und einige weitere Millionen von Moderna stünden im bundesweiten Impfstoff-Zentrallager in Quakenbrück, wie Lauterbach erklärte. Viel zu wenig für die ambitionierte Booster-Impfstrategie der neuen Ampel-Regierung, sagt Lauterbach. Denn vor allem von Biontech/Pfizer liefere in den nächsten Wochen zu wenig nach.
20 Millionen Impfdosen zu wenig
Das Ziel der neuen Bundesregierung ist es, möglichst bis Ende Januar mit den Auffrischungsimpfungen durch und damit schneller zu sein, als sich die Corona-Variante Omikron im Land ausbreiten kann. "Die Booster- eine und mögliche vierte Impfung sind die Pfeiler einer erfolgreichen Strategie" gegen das Coronavirus, betonte Lauterbach.
Nach der Bestandsaufnahme seien für das erste Quartal 2022 bisher 50 Millionen Dosen zu erwarten, der Bedarf liege gemäß der Strategie aber bei 70 Millionen Dosen, davon 50 Millionen Booster. Und mit den bisher erwarteten Dosen wäre die Booster-Kampagne erst Ende März abgeschlossen, erläuterte Lauterbach.
Tatsächlich hatte zuletzt die Impfkampagne wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Am Mittwoch wurden mit 1,5 Millionen (davon 1,3 Millionen Boosterimpfungen) Menschen so viel wie noch nie an einem Tag gegen Corona geimpft. Und in der vergangenen Woche (6. bis 12. Dezember, Kalenderwoche 49) wurden bundesweit insgesamt 6,4 Millionen Dosen verabreicht, knapp 5,5 Millionen davon waren Auffrischimpfungen. Auch das bisheriger Rekord.
Fast 58,2 Millionen vollständig Geimpfte in Deutschland
Stand jetzt (15. Dezember) haben von den 58,2 Millionen vollständig Geimpften schon 22,9 Millionen eine Auffrischungsimpfung erhalten (16,1 Millionen Biontech, 6,8 Millionen Moderna). Umgekehrt heißt das: Es fehlen noch etwa 35 Millionen.
Das Problem: Biontech liefert Lauterbach zufolge in den letzten beiden Wochen des laufenden sowie in der ersten Woche des kommenden Jahres nur noch weitere insgesamt 3,2 Millionen Dosen. Dazu kommen planmäßig im gleichen Zeitraum noch etwa 30 Millionen Dosen von Moderna. Aus Sicht des Gesundheitsministers zu wenig.
"Ich möchte einfach, dass deutlich mehr Impfstoff da ist, als abgerufen wird, um zu jedem Zeitpunkt die Impfstoffbedarfe ohne Verzug decken zu können", bemerkte der Gesundheitsminister. Für seine "sehr offensive Boosterimpfungsstrategie" benötige er "sehr viel und sehr schnell Impfstoff". Bereits seit Samstag bemühe sich das Gesundheitsministerium deshalb um die Beschaffung.
Moderna liefert eher
Am Donnerstag konnte Lauterbach einen "ersten Erfolg" verkünden, wie er sagt: Mehrere Lieferungen von insgesamt 35 Millionen Dosen von Moderna könnten ihm zufolge vorgezogen werden, 10 Millionen davon sollen sogar noch im Dezember bereitgestellt werden. Die EU-Kommission hat der Bestellung bereits zugestimmt.
Offen ist aber, ob die Moderna-Chargen der Nachfrage gerecht werden. Zwar wird seit Beginn der Boosterkampagne zunehmend das Vakzin des Herstellers mit Sitz in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts verabreicht. Doch der Wunsch nach Biontech ist in der Bevölkerung ungebrochen. Von den insgesamt bis Sonntag gelieferten 148,9 Millionen Impfdosen kamen fast Dreiviertel (73 Prozent) vom Mainzer Hersteller. Auch in den Impfzentren ist immer wieder zu hören, dass Impfwillige auf das Vakzin von Biontech bestehen – egal ob Erst- oder Auffrischungsimpfung.
KW | ||||
ausgeliefert | verbraucht | ausgeliefert | verbraucht | |
45 | 1.578.528 | 1.718.310 | 54.590 | 60.207 |
46 | 2.520.066 | 2.566.071 | 86.150 | 98.150 |
47 | 6.449.100 | 4.075.158 | 239.170 | 336.936 |
48 | 3.816.612 | 3.815.500 | 3.649.710 | 1.970.553 |
49 | 3.032.460 | 3.380.675 | 5.597.360 | 3.224.430 |
Summe | 17.396.766 | 15.555.714 | 9.626.980 | 5.690.276 |
Zumindest am Geld soll es aber nicht scheitern. Für 2,2 Milliarden Euro will die neue Bundesregierung nun mehr als 90 Millionen Dosen Biontech-Impfstoff nachkaufen. Davon sollen 80 Millionen Dosen von Biontech über EU-Verträge sowie 12 Millionen Dosen direkt beschafft werden, wie Lauterbachs Ministerium nach Einverständnis des Bundestags-Haushaltsausschusses bereits am Mittwoch mitteilte. Der Gesundheitsminister versucht zudem nicht benötigtes Serum aus Polen, Rumänien, Bulgarien oder Portugal zurückzukaufen.
All das dauert allerdings und wird wohl nicht mehr in den kommenden Wochen geliefert werden können.
Ist Jens Spahn am Impfstoff-Mangel schuld?
Dafür, dass nun die Impfkampange womöglich ins Stottern gerät, macht Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seinen früheren Kabinettskollegen Jens Spahn (CDU) verantwortlich: Die Vorgängeradministration im Bundesgesundheitsministerium habe offensichtlich "nicht klar Schiff gemacht", sagte Heil am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin".
Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung habe Deutschland und die Europäische Union im Frühherbst eine Bestelloption über mehrere Millionen zusätzliche Dosen Biontech verstreichen lassen. Mögliches Lieferdatum wäre der Januar 2022 gewesen, schreibt das Blatt. Weder der damalige Gesundheitsminister Spahn noch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hätten auf zusätzlichen Impfstoff gedrängt.
Lauterbach selbst betonte jedoch, die Mitteilung über die Impfstoffknappheit sei "ausdrücklich keine Kritik an" und kein Vorwurf gegen seinen Vorgänger Spahn. Über das ganze Jahr hinweg sei auch genug Impfstoff vorhanden gewesen – aber eben nicht für eine sehr schnelle Boosterkampagne.
Verwendete Quellen:
- Daten zu Impfstofflieferungen und -verbrauch bereitgestellt vom Bundesgesundheitsministerium und vom Robert-Koch-Institut
- Bundespressekonferenz vom 16. Dezember
- Der Spiegel: "Zu wenig Impfstoff für Boosterkampagne"
- Meldungen der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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