Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Zuständigkeiten in der Verhinderung von Krankheiten neu ordnen. Das bisherige System sei zu stark auf die Behandlung von Erkrankungen ausgerichtet. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll daher in einem neuen Institut aufgehen und das Robert-Koch-Institut soll sich auf Infektionskrankheiten konzentrieren.
Wenn es ums Geld geht, ist Deutschlands Gesundheitssystem Spitze: Pro Einwohner und Jahr fließen rund 5.000 Euro in die Gesundheit. Das ist ein deutlich höherer Betrag als im europäischen Durchschnitt (3.159 Euro). Die Wirkung passt allerdings nicht so recht zur Geldsumme: Bei der Lebenserwartung liegt Deutschland ziemlich genau im Durchschnitt der Europäischen Union.
Woran liegt das? Der Bundesgesundheitsminister hat ein Problem ausgemacht: "Wir haben eine viel zu schwach ausgeprägte Vorbeugemedizin", sagte Gesundheitsminister
Das Gesundheitssystem sei stark ausgerichtet auf die Behandlung von Erkrankungen. Wenn es darum geht, zu verhindern, dass Menschen überhaupt krank werden, gibt es aus Sicht des SPD-Politikers aber Nachholbedarf.
Neues Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin geplant
Lauterbachs Vorschlag: Er will zum 1. Januar 2025 ein Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin "ans Netz bringen". Dieses BIPAM soll sich vor allem um eine bessere Vorbeugung bei drei Krankheitsbildern kümmern:
- Krebs
- Demenz
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Diese seien in Deutschland für 75 Prozent der Todesfälle verantwortlich. Der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes, Johannes Nießen, soll das Institut aufbauen. Nießen habe in der Corona-Pandemie Maßstäbe gesetzt, sagte Lauterbach.
Geschichte wäre damit die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA). Sie war bisher für Strategien und Programme zur "Gesundheitserziehung" zuständig, also zum Beispiel zur Aufklärung über Sexualität, Sucht, Organspende oder Infektionskrankheiten. Die BzgA soll im neuen Bundesinstitut komplett aufgehen. Hinzu kommen laut Lauterbach Abteilungen, die bisher beim Robert-Koch-Institut (RKI) angesiedelt waren.
Robert-Koch-Institut stand während Pandemie in der Kritik
Das Robert-Koch-Institut ist eine Bundesoberbehörde mit rund 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es soll Vorschläge zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten und allgemein zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung machen. Lange fristete es in der Öffentlichkeit eher ein Schattendasein.
In der Corona-Pandemie wurden das RKI und sein damaliger Präsident Lothar Wieler dann schlagartig bekannt. Allerdings verliefen die Kommunikation und auch die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Bundesgesundheitsminister nicht immer reibungslos. Das RKI stand wegen mangelnder Daten über Infektionszahlen und Impfungen in der Kritik – aber auch wegen schleppender Digitalisierung.
Ein Problem war aus Sicht von Wissenschaft und Politik aber auch die mangelnde Selbstständigkeit des Instituts. Mit seiner Forderung nach einer besseren Datenerhebung war RKI-Präsident Wieler immer wieder am Bundesgesundheitsministerium gescheitert, schrieb im November 2021 der "Tagesspiegel". Im Januar trat Wieler dann von seinem Amt zurück.
RKI soll schneller werden
Lauterbach möchte nun, dass sich das RKI ganz auf Infektionskrankheiten konzentriert. Als neuen Präsidenten hat er Lars Schaade berufen, der das Institut zuvor schon kommissarisch geführt hatte. Schaade will das RKI scheller und schlagkräftiger machen – vor allem für den Fall einer erneuten Pandemie.
Als Vorbild für ein "besseres" RKI war in der Vergangenheit immer wieder die deutlich autonomere und finanziell besser ausgestattete US-Seuchenschutzbehörde CDC genannt worden. In der Regierungskoalition sowie in der Union gibt es schon seit Jahren Rufe nach einer besseren Trennung der Aufgaben.
"Das RKI muss unabhängig wissenschaftliche Empfehlungen aussprechen können und das Gesundheitsministerium muss die Politik machen. Eine Durchmischung dieser Aufgaben führt sonst schnell zu Chaos", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann im Februar 2022 zu unserer Redaktion. In ihrem Koalitionsvertrag einigten sich SPD, Grüne und FDP dazu auf den Satz: "Das RKI soll in seiner wissenschaftlichen Arbeit weisungsungebunden sein."
Eine große Reform ist nun aber nicht mehr absehbar. Die Grundstruktur habe sich bewährt und solle erhalten bleiben, sagte Lauterbach am Mittwoch. Der neue RKI-Präsident Schaade könne jederzeit "Vorschläge für die Weiterentwicklung" machen. Ob Schaade gegenüber dem Minister in Zukunft allerdings die Muskeln spielen lassen wird, bleibt abzuwarten. In der gemeinsamen Pressekonferenz sagte er, das Ministerium gebe die Forschungsthemen vor, das RKI sei dann frei in der Wahl seiner Methoden und der Interpretation der Ergebnisse. Das müsse seiner Meinung nach auch weiterhin so bleiben.
Verwendete Quellen:
- Pressekonferenz mit Karl Lauterbach in der Bundespressekonferenz
- Bundesregierung.de: Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP
- Tagesspiegel vom 2. November 2021: Was wird aus Wielers RKI?
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