Die Ampel-Koalition treibt die umstrittene Freigabe von Cannabis für Erwachsene voran. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach äußert sich optimistisch, dass eine Mehrheit im Parlament dafür steht.
Nach jahrzehntelangen Diskussionen soll der Bundestag an diesem Freitag über eine teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland abstimmen. An den Plänen der Ampel-Koalition für eine kontrollierte Freigabe mit zahlreichen Vorgaben wurde bis zuletzt breite Kritik laut. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte am Donnerstag in Berlin, er sei sehr zuversichtlich, dass das Gesetz beschlossen werde wie vorbereitet. "Das ist eine wichtige Verbesserung in unserer Drogenpolitik." Die Union rief zweifelnde Abgeordnete der Koalition noch dazu auf, mit Nein zu stimmen. Der Richterbund warnte vor einer Überlastung der Justiz durch eine vorgesehene Amnestie-Regelung.
Die Gesetzespläne der Ampel-Koalition sehen eine Freigabe der Droge mit zahlreichen Regeln vor. Anbau und Besitz bestimmter Mengen für den Eigenkonsum sollen demnach für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht kommerziellen Anbau möglich werden. Warnungen kommen unter anderem von Medizinverbänden und von Innenpolitikern von Bund und Ländern, auch aus der mitregierenden SPD. Einige Befürworter fordern eine weitergehende Freigabe. Über das Gesetz soll namentlich abgestimmt werden.
Unions-Gesundheitsexperte Tino Sorge appellierte erneut auch an Abgeordnete der Ampel-Fraktionen, mit Nein zu stimmen: "Stoppen Sie dieses verantwortungslose Projekt." Die Koalitionäre sollten auf Warnungen eigener Fachpolitiker hören, sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Die aktuelle Situation sei problematisch. "Ein völlig untaugliches und hochgradig gefährliches Gesetz kann aber nicht die Antwort sein." Für einen neuen Anlauf, der Kritik etablierter Experten aufgreife, stünde die Union aber bereit.
Richterbund warnt vor Überlastung
Der Deutsche Richterbund warnte vor einer Überlastung der Justiz durch eine im Gesetz vorgesehene Amnestie-Regelung. "Die Justiz rechnet bundesweit mit mehr als 100.000 Akten, die im Falle des geplanten rückwirkenden Straferlasses bei Cannabis-Delikten nochmals zu überprüfen sind", sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für die Staatsanwaltschaften bedeutete das Gesetz, "dass sie alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz nochmals händisch daraufhin auswerten müssen, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären". Auch auf Gerichte komme deshalb eine enorme Zusatzbelastung zu.
Der Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs rechnet nach einer Legalisierung mit einem Boom. "Ich gehe davon aus, dass wir binnen Jahresfrist in Deutschland 3000 oder sogar 4000 Clubs haben werden", sagte Verbandsvorsitzender Steffen Geyer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Derzeit gebe es 300 Gruppen, die in der Gründungsphase für einen Club seien oder nur noch darauf warteten, dass das Gesetz endlich in Kraft trete. Erlaubt werden sollen "Anbauvereinigungen" für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis gemeinschaftlich anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben - im Monat höchstens 50 Gramm je Mitglied.
Erlaubt werden soll für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen legal werden und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Der öffentliche Konsum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es eine erste Bewertung unter anderem dazu vorliegen, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.
Nach einem Beschluss im Bundestag kommt das Gesetz abschließend in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es dort aber nicht. Lauterbach sagte: "Ich rechne daher damit, dass das Gesetz so durchgeht, wie wir es jetzt über die Monate hinweg entwickelt haben." Prinzipiell könnte die Länderkammer mit einer erforderlichen Mehrheit den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfahren so abbremsen. Bayern will sich dafür einsetzen. Ein entsprechender Antrag der Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern bekam am Donnerstag im Münchner Landtag die notwendige Mehrheit. (dpa/szu)
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