Bundesfinanzminister Lindner will Einkommensteuerzahler um einen zweistelligen Milliardenbetrag entlasten. Damit stößt er die nächste koalitionsinterne Debatte in der Ampel-Regierung an.

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Finanzminister Christian Lindner will die Effekte der hohen Inflation ausgleichen und Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in den nächsten Jahren um 23 Milliarden Euro entlasten. Geplant sei eine Anpassung der Lohn- und Einkommensteuer in drei Schritten bis 2026, sagte der FDP-Chef am Mittwoch in Berlin. Bei SPD und Grünen stoßen die Pläne auf Ablehnung.

Lindner will damit die sogenannte kalte Progression ausgleichen, eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung über die Pläne berichtet. Lindner sprach am Mittwoch von einem "Gebot der Fairness, den Steuertarif an die Inflation anzupassen".

Lindner sehe trotz der hohen Kosten die laufenden Haushaltsberatungen nicht gefährdet, "wenn die Koalition das Wirtschaftswachstum durch mutige Impulse verstärkt", hieß es aus Regierungskreisen. Der auf den Bund entfallende Anteil sei in der Finanzplanung bereits berücksichtigt. Eine Aktualisierung sei für den Herbst vorgesehen, wenn ein neuer Progressionsbericht vorgelegt wird. Aktuell klafft in den Haushaltsplänen für das kommende Jahr noch eine Finanzierungslücke von um die 25 Milliarden Euro.

Lindner plant Erhöhung des Grundfreibetrags

Nach Lindners Plänen soll noch in diesem Jahr der Grundfreibetrag der Lohn- und Einkommensteuer rückwirkend zum 1. Januar um 180 Euro auf 11.784 Euro steigen. Bis zu diesem Einkommen fällt keine Steuer an. Die Steuerzahler werden dadurch den Angaben zufolge um zwei Milliarden Euro entlastet.

Ab Januar 2025 soll der Grundfreibetrag um weitere 300 Euro auf 12.084 Euro steigen. Zudem soll dann auch der Tarif der Einkommensteuer verschoben werden das bedeutet, dass höhere Steuersätze erst bei etwas höherem Einkommen als bislang greifen sollen. Gegenüber dem geltenden Recht bedeute das eine Steuerentlastung um acht Milliarden Euro, hieß es. Für das Jahr 2026 sei eine weitere Erhöhung des Grundfreibetrags um 252 Euro auf dann 12.336 Euro vorgesehen. Auch der Steuertarif soll erneut verschoben werden. Die jährliche Steuerentlastung steige dann auf gut 13,3 Milliarden Euro.

Grüne und SPD kritisieren Lindners Pläne scharf

SPD und Grüne ließen erkennen, dass sie derlei Plänen Lindners nicht zustimmen würden. "Vorschläge, die zweistellige Milliardenbeträge für Bund, Länder und Kommunen kosten und vor allem die Reichsten im Land entlasten, passen nicht in die Zeit", sagte der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch der Deutschen Presse-Agentur. Die Haushaltslage sei extrem schwierig und im Mittelpunkt müssten jetzt die Ukraine und Hilfen für die Hochwasser-Opfer stehen. "Die Schäden in den Flutgebieten werden weitere Kosten in Milliardenhöhe für Bund, Länder und Kommunen nach sich ziehen", warnte Audretsch.

Wenn es darum geht, ganz gezielt kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, sind wir gern dabei", sagte SPD-Fraktionsvize Achim Post der "Rheinischen Post". "Milliardenschwere Steuergeschenke für die Reichsten der Reichen wären dagegen ein völlig falscher Weg." Entlastungen müssten sozial gerecht und finanzierbar sein, sagte Post weiter "und zwar ohne auf Kosten der sozialen, inneren und äußeren Sicherheit in unserem Land zu gehen".

Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Beck, nannte Lindners Vorstoß "unseriös" und warf dem Minister "Doppelstandards" vor. "Man kann nicht von anderen Ressorts drastische Einsparungen fordern, zum Beispiel mit Konsequenzen für die humanitäre Hilfe in Gaza, und dann selber ohne Not zweistellige Milliardenbeträge, von denen vor allem viel Verdienende profitieren, fordern", sagte Beck dem Portal "The Pioneer" mit Blick auf die laufenden Haushaltsverhandlungen.

Finanzministerium rechnet mit Zustimmung der Ampel-Partner

Lindners Finanzministerium stellte jedoch klar, dass es mit einer Zustimmung der Ampel-Partner rechnet. "Aufgrund der Verständigung in der Koalition im Jahr 2022 auf ein Inflationsausgleichsgesetz 2023/2024 geht das Bundesfinanzministerium von regierungsinternem Einvernehmen auch für 2025 und 2026 aus", schrieb das Ministerium auf der Plattform X.

Auch aus der Linkspartei kam Kritik an Lindners Vorstoß. "Es ist wie immer: Lindner setzt die falschen Prioritäten, wenn überall gekürzt wird, aber zweistellige Milliardenbeträge gegen die kalte Progression verwendet werden", erklärte Parlamentsgeschäftsführer Christian Görke. "Dadurch profitieren Gutverdiener überproportional mehr als Geringverdiener und Renter", bemängelte Görke.

Der Unionsabgeordnete Sebastian Brehm (CSU) dagegen bezeichnete die Entlastung als unzureichend. Lindner tue gerade einmal, was er laut Grundgesetz ohnehin unbedingt tun müsse. "Das ist unambitioniert und kein Grund zum Feiern." (dpa/AFP/lag/tas)

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