Die AfD provoziert – und schafft es erneut nicht in ein hohes Staatsamt. Gregor Gysi sorgt bei einer Rede zunehmend für Kopfschütteln. Und die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sagt zu ihren Kollegen: "Erst zusammen sind wir Deutschland." Hier können Sie die Ereignisse der ersten Sitzung des 21. Bundestags nachlesen.

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Der neue Bundestag hat sich konstituiert – und erneut ist deutlich geworden, wie sich der Ton im Parlament verändert hat. Zunächst nutzte die AfD die Sitzung für einen Frontalangriff auf die angeblichen Altparteien. Dann hielt Linken-Politiker Gregor Gysi als Alterspräsident eine Rede, bei der viele Abgeordnete unruhig wurden. "Ich hätte es mir an meinem ersten Tag etwas würdiger gewünscht", sagte der neugewählte CDU-Abgeordnete Sascha van Beek unserer Redaktion. "Das hat mich eher an eine Büttensitzung erinnert."

Erneut wird die AfD als einzige Fraktion keinen Bundestagspräsidenten stellen: Ihr Kandidat Gerold Otten bekam nicht die erforderliche Mehrheit. Drei Wahlgänge forderte die AfD dafür ein. Jedes Mal fiel Otten durch. Klar ist nach diesem Auftakt. Auch die nächste Wahlperiode dürfte aufreibend werden – für die Abgeordneten und das ganze Land.

Konstituierende Sitzung

  • Der am 23. Februar neugewählte Bundestag trat am Dienstag, 25. März, um 11 Uhr zum ersten Mal zusammen. Laut Grundgesetz muss die erste Sitzung des Parlaments spätestens 30 Tage nach der Wahl stattfinden.
  • Eröffnet wurde die konstituierende Sitzung mit einer Ansprache des Alterspräsidenten, dem dienstältesten Abgeordneten. Das ist dieses Mal Gregor Gysi (Linke), der seit 1990 mit einer Unterbrechung dem Bundestag angehört.
  • Danach wurden die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) und ihre Stellvertreter gewählt.

Die konstituierende Sitzung des Bundestags zum Nachlesen:

Gysi ist "auf jeden Fall" nervöser als vor anderen Reden

  • 09:42 Uhr

Der Linken-Politiker Gregor Gysi wird die konstituierende Sitzung des Bundestags als Alterspräsident eröffnen. Er gehört dem Bundestag mit einer Unterbrechung seit 1990 an und ist damit der dienstälteste Abgeordnete des neugewählten Parlaments.

Für die Rede des Alterspräsidenten gibt es keine Redezeitbegrenzung. "Ich werde das Amt nicht für eine Dauerrede missbrauchen", sagte Gysi am Montag der "Rheinischen Post". "Aber eine gute halbe Stunde werde ich schon sprechen." In einem Interview des "Spiegel" wollte er nicht verraten, welche Themen er ansprechen wird. Er verriet aber, dass die Aufregung groß ist. Er sei "auf jeden Fall" nervöser als vor anderen Reden im Parlament. (fab)

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AfD kapert erste Momente des neuen Parlaments

  • 11:19 Uhr

Die erste Sitzung des neugewählten Bundestags ist eröffnet – von Gregor Gysi (Linke) mit den Worten: "So, jetzt!" Er hatte zuvor vergessen, das Mikrofon anzuschalten. Eine winzige Panne.

Gysi darf als dienstältester Abgeordneter die konstituierende Sitzung leiten. Er ist mit einer Unterbrechung seit 1990 Mitglied des Bundestags und kommt damit auf 31 Dienstjahre im Parlament.

Bernd Baumann
Bernd Baumann, erster parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion. © dpa/Michael Kappeler

Die AfD hat den Moment aber gleich gekapert: Die Fraktion kritisiert, dass zuletzt noch mit dem alten Bundestag das Grundgesetz geändert wurde. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion wettert gegen das "Altparteien-Kartell" und wirft der Union Wahlbetrug vor. Die ersten Sätze im Bundestag sind hitzig.

Baumann fordert, dass nicht der dienstälteste Abgeordnete, sondern der nach Lebensjahren älteste Abgeordnete das Parlament eröffnet. Das wäre der AfD-Abgeordnete Alexander Gauland.

Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU, widerspricht: Es brauche einen Alterspräsidenten mit Souveränität und Erfahrung. Der Antrag der AfD, einen anderen Alterspräsidenten zu wählen, wird mit der Mehrheit aller anderen Fraktionen abgelehnt. (fab)

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Gysi warnt vor den Begriffen "Kriegstreiber" und "Putin-Knechte"

  • 11:35 Uhr

Jetzt kann Alterspräsident Gregor Gysi seine Rede halten. Er ist der dienstälteste Abgeordnete – und kommt auf seine ostdeutsche Herkunft zu sprechen: "Alle aus den alten Ländern zu überholen, war nicht einfach – aber ich habe es geschafft."

Gregor Gysi
Gregor Gysi darf die Sitzung eröffnen.

Auf den neuen Bundestag komme eine schwierige Zeit zu, sagt Gysi. "Wir sind uns hoffentlich alle einig, dass Russland gegen die Ukraine einen völkerrechtswidrigen Krieg führt", sagt Gysi. Trotzdem gehöre er zu einer Minderheit im Haus, sagt er: Weil die Linke gegen eine massive militärische Unterstützung der Ukraine ist. Gysi will nicht als "Putin-Knecht" bezeichnet werden. Er warnt aber auch davor, Abgeordnete, die sich für Waffenlieferungen an die Ukraine aussprechen, als "Kriegstreiber" zu diffamieren. Man müsse akzeptieren, dass es zu diesem Thema unterschiedliche Auffassungen gibt. (fab)

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"Herr Gysi, es reicht jetzt!", ruft ein Abgeordneter

  • 11:47 Uhr

Alterspräsident Gregor Gysi streift in seiner Rede zahlreiche Themen. Er spricht über den Nahostkonflikt und die Nachhaltigkeit, er ermahnt seine Abgeordnetenkollegen zu verständlicher Sprache, er fordert eine Enquete-Kommission zur Corona-Pandemie und mehr Investitionen in die Bildung von Kindern.

Er beklagt auch unterschiedliche Mehrwertsteuern für Weihnachtsbäume. Viele Abgeordnete hören nicht mehr richtig zu, blättern durch das Abgeordnetenhandbuch oder wischen auf ihren Handys. Es wird unruhig im Plenum. "Herr Gysi, es reicht jetzt", ruft ein Politiker im Plenum. (fab)

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Hitzige Debatte über die Geschäftsordnung

  • 12:18 Uhr

Gregor Gysi hat dann doch noch aufgehört zu reden. Jetzt geht es um Bürokratisches. CDU/CSU und SPD wollen dem Bundestag eine neue Geschäftsordnung geben – also ein Regelwerk für die Abläufe im Parlament.

Es geht unter anderem um die Wahl der Vizepräsidenten des Bundestags. Sie leiten abwechselnd mit der Präsidentin die Sitzungen. Der CSU-Politiker Alexander Hoffmann räumt ein, auch die AfD könne einen Kandidaten für einen Vizepräsidenten aufstellen. Aber die Partei müsse dann auch dafür sorgen, dass dieser Kandidat das Vertrauen der anderen Fraktionen genießt. In der Vergangenheit waren AfD-Kandidaten bei der Wahl immer durchgefallen.

AfD-Politiker Stephan Brandner wirft den anderen Fraktionen vor, sie würden "tricksen, täuschen, lügen, betrügen". Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner entgegnet: "Wir müssen dringend dafür sorgen, dass das Debattenniveau und die Kultur unserer Auseinandersetzung steigt." Zudem müsse es möglich sein, dass wichtige Ämter nicht an "unqualifiziertes Personal" gehen. Das ist eine Spitze gegen die AfD. (fab)

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Julia Klöckner stellt sich Wahl ins zweithöchste Staatsamt

  • 12:34 Uhr

Der neu konstituierte Bundestag braucht jetzt eine neue Präsidentin. Dafür schlägt die CDU/CSU-Fraktion die frühere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner vor. Die Abgeordneten stimmen in geheimer Wahl darüber ab. Die Bundestagspräsidentin hat nach offiziellem Protokoll das zweithöchste Amt in der Bundesrepublik inne.

Klöckner bringt viel Erfahrung mit – trotzdem ist der Personalvorschlag auch auf Skepsis gestoßen. Die CDU-Politikerin war als Schatzmeisterin für die Finanzen ihrer Partei zuständig und muss nun unparteiisch über die Finanzierung aller Parteien wachen. Außerdem stand sie wegen großer Nähe zum Lebensmittelkonzern Nestlé in der Kritik.

Klöckners Wahl dürfte trotzdem Formsache sein. Die meisten Abgeordneten folgen in der Regel dem Wahlvorschlag der größten Fraktion. (fab)

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CDU-Politikerin Klöckner zur neuen Bundestagspräsidentin gewählt: "Mein Gradmesser ist Anstand"

  • 13:40 Uhr

Julia Klöckner (CDU) ist die neue Präsidentin des Bundestags. Sie bekam bei der konstituierenden Sitzung am Dienstag 382 von 622 abgegebenen Stimmen. Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin folgt damit auf die Sozialdemokratin Bärbel Bas im zweithöchsten Staatsamt der Bundesrepublik.

Julia Klöckner freut sich über die Wahl zur Bundestagspräsidentin.

Nachdem sie Blumen und Glückwünsche entgegengenommen hat, wendet sich die 52-Jährige an den Bundestag. "Eine Wahl ist weniger eine Auszeichnung, sie ist vielmehr eine Verpflichtung", sagt Klöckner. Sie verspricht die Aufgabe, "unparteiisch, unaufgeregt und unverzagt" zu erfüllen.

"Demokratie lässt sich nicht aufhalten", sagt Klöckner mit Hinweis auf die Ereignisse in der Türkei. Weltweit sei die Demokratie unter Druck und keine Selbstverständlichkeit, sagt sie.

"Wir brauchen eine neue Vertrauensbeziehung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und ihren Volksvertretern." Danach kritisiert sie die AfD: Parteien, die demokratisch gewählt werden und sich zu Mehrheiten zusammenfinden, seien keine Kartelle. Vom "Kartell der Altparteien" hatte zuvor der AfD-Politiker Baumann gesprochen. "Es gibt einen klaren Gradmesser für mich: den Anstand", sagt Klöckner.

Ihre Kolleginnen und Kollegen ruft Klöckner auf, auch nach der Wahl in den Bundestag nicht die alten Freunde zu vergessen: "Auch wir brauchen Rückzugsorte, Erdung und manchmal guten Zuspruch." Die Abgeordneten müssten wie die ganze Gesellschaft zusammenhalten: "Erst zusammen sind wir Deutschland. Niemand ist Deutschland allein." (fab)

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Nächster Wahlgang läuft: Bekommt die AfD wichtiges Staatsamt?

  • 14:15 Uhr

Julia Klöckner (CDU) ist die neue Bundestagspräsidentin. Doch bei der konstituierenden Sitzung geht es mit einer vielleicht noch spannenderen Wahl weiter. Als nächstes werden ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter gewählt. Jede Fraktion kann einen Kandidaten vorschlagen. Diese Abgeordneten bewerben sich:

Die Mitglieder des Bundestags wählen die zukünftigen Vizepräsidentinnen und -präsidenten. Interessant dürfte vor allem das Ergebnis für den AfD-Kandidaten sein. Bisher hat noch nie ein Kandidat der in Teilen rechtsextremen Partei eine Mehrheit des Bundestags von sich überzeugen können. (fab)

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Neue Bundestagsvizepräsidenten gewählt – AfD-Mann fällt durch

  • 15:44 Uhr

Die Mitglieder des Bundestages haben ihre zukünftigen Vizepräsidentinnen und -präsidenten gewählt: Andrea Lindholz (CSU), Josephine Ortleb (SPD), Omid Nouripour (Grüne) und Bodo Ramelow (Linke) werden in Zukunft abwechselnd mit Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) die Sitzungen leiten und das Parlament nach außen vertreten. Bei Ramelow war die Wahl mit 318 von 613 abgegebenen Stimmen nur sehr knapp.

Keine Mehrheit erhielt dagegen Gerold Otten (AfD). Er bekam 185 Stimmen. Die AfD-Fraktion hat einen zweiten Wahlgang beantragt. (fab)

Bundestag - Konstituierende Sitzung
Das neu gewählte Bundestagspräsidium (von links): Omid Nouripour, Josephine Ortleb, Julia Klöckner, Andrea Lindholz und Bodo Ramelow. © dpa / Sebastian Christoph Gollnow

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AfD-Politiker Otten fällt bei Wahl durch – seine Fraktion bleibt aber hartnäckig

  • 16:37 Uhr

Der AfD-Politiker Gerold Otten ist auch im zweiten Wahlgang nicht zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt worden. Er bekam beim zweiten Anlauf 190 Ja-Stimmen. 605 Mitglieder des Bundestags hatten sich an der Wahl beteiligt. Zuvor hatte Otten bereits im ersten Wahlgang die Mehrheit verfehlt. Die AfD-Fraktion hat nun einen dritten Wahlgang beantragt.

Ein Mitarbeiter des Bundestags bringt die abgegebenen Stimmen zur Auszählung. © Laura Czypull

Die Abgeordneten eilen laut redend zu den Wahlkabinen. Offenbar sind viele der Meinung, dass diese Sitzung ein baldiges Ende verdient hat. (fab)

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Dritter Versuch und dritter Misserfolg für AfD-Politiker Otten

  • 17:14 Uhr

Der AfD-Politiker Gerold Otten ist auch im dritten Wahlgang durchgefallen: Er verfehlte die nötige Mehrheit, um von den anderen Abgeordneten zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt zu werden. Otten kam auf 184 Ja-Stimmen von 603 abgegebenen Stimmen.

Damit ist die konstituierende Sitzung des Bundestags beendet. Letzter Tagesordnungspunkt: Die Mitglieder des Bundestags singen gemeinsam die Nationalhymne. (fab)

Verwendete Quellen

  • Besuch der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag