Ein Vorfall aus Sachsen führt zu einer deutschlandweiten Diskussion:Ein Pegida-Anhänger fordert Polizisten auf, ein Fernsehteam zu kontrollieren, das daraufhin eine Dreiviertelstunde festgehalten wird. Inzwischen ist klar: Der Mann ist Mitarbeiter des Landeskriminalamts.
Justizministerin
Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick
Was ist passiert?
Ein Pegida-Anhänger hatte sich vergangenen Donnerstag bei einer Demonstration aggressiv gegen Filmaufnahmen eines ZDF-Teams der Sendung "Frontal 21" gewehrt und anwesende Polizisten zum Eingreifen aufgefordert.
Daraufhin kontrollierten die Beamten die Personalien des Fernsehteams und hielten es etwa eine Dreiviertelstunde lang fest.
Wie am Mittwochabend bekannt wurde, handelt es sich bei dem Demonstranten um einen Mitarbeiter des Landeskriminalamts Sachsen.
Nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) ist der Mann ein Tarifbeschäftigter des eigenen Hauses. "Über mögliche Konsequenzen wird das LKA entscheiden, wenn der Vorgang geklärt und der Betroffene zu den Vorkommnissen angehört wurde", hieß es vonseiten der Behörde.
Darf ein Staatsbediensteter überhaupt demonstrieren?
Im Gegensatz zu einem Streik ist eine Demonstration reine Privatsache: Es geht um die öffentliche Darstellung von Meinungen. Gestützt wird das Demonstrationsrecht durch die Grundrechte nach Artikel 5 und 8 im Grundgesetz: die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Während Beamten und Staatsdienern streiken verboten ist, dürfen sie an öffentlichen Kundgebungen teilnehmen - sofern sie es in ihrer Freizeit tun. Der betroffene LKA-Mann hatte Urlaub, als er an der Demonstration teilnahm.
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) erklärte: "Selbstverständlich gilt für jeden Bürger in unserem Land das Recht auf freie Meinungsäußerung. Allerdings erwarte ich von allen Bediensteten meines Ressorts jederzeit, auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhalten und äußern, ein korrektes Auftreten."
Was sagt der sächsische Ministerpräsident?
Sachsens Ministerpräsident
Am Mittwochabend betonte Kretschmer, seine Meinung habe sich nicht geändert. Die Polizei sei ordnungsgemäß vorgegangen.
Was sagen andere Politiker?
Martin Dulig, stellvertretender Ministerpräsident des Freistaats Sachsen, distanzierte sich von Kretschmer. Es sei journalistische Aufgabe, von öffentlichen Demonstrationen zu berichten, schrieb der SPD-Politiker auf Twitter. "Die Arbeit von Journalisten ist eine ernste Angelegenheit, ich kann hier kein 'unseriöses' Verhalten erkennen."
SPD-Justizministerin Katarina Barley erklärte, die Vorgänge in Sachsen seien "wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden". Die Pressefreiheit sei "ein herausragendes Gut in unserer Gesellschaft und nach unserem Grundgesetz".
Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir sagte der "Welt": "Wer für den Schutz unseres Grundgesetzes zuständig ist, hat bei Organisationen und Parteien, die gegen unsere Verfassung kämpfen, nichts verloren, auch nicht in der Freizeit."
Wie reagiert die sächsische Polizei?
Die Polizei Sachsen weist den Vorwurf zurück, die Beamten hätten das ZDF-Team an seiner Arbeit gehindert. Ein Demonstrant sowie einer der Journalisten hätten Anzeige erstattet, darum habe man die Identität feststellen müssen, heißt es in einer Mitteilung.
Die Schuld daran, dass dies 45 Minuten dauerte, gibt der Leiter der Polizeidirektion Dresden, Horst Kretschmar, den Journalisten: Sie hätten mit ihrem Verhalten wenig dazu beigetragen, um die Maßnahmen schneller abzuschließen.
Nach Angaben von "Frontal 21" hatten die Beamten weder den Grund für die polizeiliche Maßnahme noch ihre Namen genannt. Das Magazin hat ein Minutenprotokoll der Ereignisse veröffentlicht.
Warum sieht der DJV die Pressefreiheit in Gefahr?
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) interpretiert den Vorfall als Versuch, die ZDF-Journalisten an ihrer Arbeit zu hindern.
"Ein Mitarbeiter von Sachsens oberster Sicherheitsbehörde auf Pöbel-Trip bei Pegida? Und dann in bester Urlaubsstimmung mal eben die Pressefreiheit aushebeln. Was anderswo zum Slapstick taugt, ist in Sachsen offenbar normal", kommentierte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Auch er fordert eine umfassende Aufklärung.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Innenausschuss im sächsischen Landtag wird sich am Donnerstag mit dem Vorfall befassen. "Das Thema wird uns schwer beschäftigen", sagte der Vorsitzende des Innenausschusses, Mario Pecher (SPD), am Donnerstag vor Beginn der Ausschusssitzung. (ank)
Verwendete Quellen:
- dpa
- Bundeszentrale für Politische Bildung: "Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland"
- Twitter-Account von Michael Kretschmer
- Twitter-Account von Martin Dulig
- Pressemitteilung der Polizei Sachsen
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