In Deutschland wurde bei zu laxen Lobby- und Korruptionsregeln deutlich nachgebessert. Zu diesem Ergebnis kommt die NGO "LobbyControl". Es bleiben aber einige Baustellen bestehen.
Lobbyismus hat einen schlechten Ruf. Wer möchte schon, dass große Unternehmen oder Interessensverbände Gesetzgebungsprozesse in ihrem Sinne beeinflussen? Dennoch: Lobbyismus ist nicht illegal und manchmal auch sinnvoll. Schließlich wissen die von neuen Gesetzen Betroffenen oft am besten, welche Folgen diese hätten. Der Grad zwischen legitimier Interessenvertretung und unlauterer Einflussnahme kann aber schmal sein. Besonders dort, wo unterschiedliche Rollen von Politikern verschwimmen.
Immer wieder geben deutsche Parlamentarier der Versuchung nach, sich für gewisse Gefälligkeiten üppig bezahlen zu lassen. So kassierten mehrere Unionspolitiker während der Coronapandemie hunderttausende Euro für die Vermittlung von Maskendeals unter anderem an das Bundesgesundheitsministerium. Die öffentliche Empörung war groß und die Politiker wurden aus ihrer Partei ausgeschlossen. Doch strafbar war ihr Verhalten nicht. Die "Maskenaffäre" offenbarte eine eklatante Gesetzeslücke in Deutschland.
Was ist seitdem geschehen, um Korruption zu unterbinden und Einflussnahme auf politische Entscheidungen transparenter zu machen? Die Nichtregierungsorganisation "LobbyControl" sagt: ziemlich viel. Der gemeinnützige Verein veröffentlichte kürzlich den "Lobbyreport 2024" und stellt darin große Fortschritte fest. Gleichzeitig gebe es nach wie vor gravierende Missstände und Lücken.
Die Ampelkoalition hat viel vorangebracht
Nach Darstellung von "LobbyControl" scheiterten strengere Lobby-Gesetze bisher insbesondere am Widerstand der Unionsparteien CDU und CSU. Das änderte sich, nachdem der öffentliche Druck durch die "Maskenaffäre" sowie weitere Korruptionsskandale, in die Unionspolitiker verwickelt waren, zu groß wurde. 2021 beschloss die damalige Große Koalition ein gesetzlich verpflichtendes Lobbyregister sowie strengere Regeln für Bundestagsabgeordnete.
Die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grüne hat sogar noch deutlich strengere Maßnahmen versprochen. Laut "LobbyControl" hat die Regierung nach der Hälfte der Legislaturperiode auch weitgehend geliefert: "Die Bilanz der Ampelkoalition bei der Umsetzung der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag kann sich insgesamt durchaus sehen lassen: Alle angekündigten Vorhaben wurden entweder bereits umgesetzt oder befinden sich kurz vor der Verabschiedung", heißt es im Lobbybericht. "Die Ampelkoalition hat damit im Bereich Transparenz und Lobbyregulierung mehr vorangebracht als ihre Vorgänger."
Die neuen Regeln im Einzelnen:
- Die Ampel-Regierung will eine sogenannte Lobby-Fußspur einführen. Diese soll transparent machen, inwiefern Lobbyisten Einfluss auf Gesetzgebungen hatten. "LobbyControl" bewertet diesen Schritt grundsätzlich sehr positiv, ist von der konkreten Ausarbeitung aber enttäuscht. Der Spielraum, welche Informationen zu Lobbyeinflüssen öffentlich gemacht werden müssen, sei viel zu groß.
- Die Karenzzeiten für Politiker wurden erhöht. Der Abstand zwischen der Ausübung einer politischen Tätigkeit und dem Wechsel in die Privatwirtschaft oder den Lobbyismus beträgt nun bis zu 18 Monaten. Das zeige durchaus Wirkung, glaubt "LobbyControl". Aber: "Die Karenzzeiten sind insgesamt zu kurz, die Entscheidungen über verhängte Sperrzeiten sind oftmals fragwürdig und es mangelt an Kontrolle und Durchsetzung."
- Beim 2021 beschlossenen Lobbyregister wurde noch einmal nachgebessert. Lobbyisten müssen deutlich mehr Informationen zu ihrer Arbeit und Finanzierung preisgeben. Das Fazit von "LobbyControl": "Damit schließt Deutschland in Sachen Lobbyregister auch im europäischen Vergleich zur Spitzengruppe auf."
- Das Parteiengesetz wurde Ende 2023 reformiert. Deutlich mehr Informationen zur Parteienfinanzierung müssen nun offengelegt werden. Das reicht aber noch nicht, sagt "LobbyControl". Mehr zu diesem Punkt später.
- 2021 wurde Bundestagsabgeordneten verboten, nebenbei einer Lobby-Tätigkeit nachzugehen. Bis dahin war das möglich, siehe "Maskenaffäre". Anfang 2024 legte die Ampel noch einmal einen verschärften Gesetzentwurf vor, der mit der "unzulässigen Interessenwahrnehmung" einen neuen Straftatbestand schaffen soll. Doch ob das die Gesetzeslücke wirklich schließt, sei bisher noch nicht abzusehen, so "LobbyControl".
Defizite bei der Parteienfinanzierung
Bei allem Lob sieht "LobbyControl" in manchen Bereichen nach wie vor erhebliche Defizite bei der Einschränkung von unlauterer Einflussnahme auf politische Prozesse. Das trifft insbesondere auf die fehlende Obergrenze bei Parteispenden zu. Theoretisch können Unternehmen und Privatpersonen beliebig viel Geld an Parteien weitergeben, solange sie ab einer Höhe von 10.000 Euro öffentlich gemacht werden.
"Damit steht Deutschland in Europa zunehmend alleine da", resümiert "LobbyControl". Nur sechs weitere EU-Staaten haben ebenfalls keine Obergrenze. Sowohl die Europäische Kommission als auch die Vereinten Nationen kritisieren das Fehlen eines solchen Deckels. "LobbyControl" sieht darin eine Verzerrung des politischen Wettbewerbs. "Erstens führen sie zu ungleich großen Ressourcen und Wahlkampfkassen bei den Parteien", heißt es im Bericht. "Zweitens können vermögende Privatpersonen und Unternehmen ohne einen solchen Spendendeckel ihren Interessen besonders viel Gewicht verleihen. Das ist undemokratisch."
Diese laxen Regeln können zu skurrilen Situationen führen. So überreichte ein Vorstandsmitglied der Deutschen Vermögensberatung AG dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz in einem persönlichen Gespräch einen Scheck über 100.000 Euro, wie der "Spiegel" berichtet. Alles ganz legal. Bei Großspenden über 50.000 Euro sind die Unionsparteien wenig überraschend Spitzenreiter. CDU und CSU erhielten mit 1,83 Millionen Euro mehr Geld als alle anderen Parteien zusammen.
Kontrollmöglichkeiten sind oft zahnlos
Die zweite entscheidende Baustelle ist laut dem Lobbybericht die unzureichende Kontrolle eventueller Regelverstöße. So liegt die Durchsetzung des Parteiengesetzes bei der Bundestagsverwaltung, die wiederum der Bundestagspräsidentin untersteht. Das ist mit Bärbel Bas (SPD) eine Politikerin und keine Beamte. "Besser wäre eine gänzlich unabhängige Kontrollbehörde, wie es sie beispielsweise in Frankreich gibt", empfiehlt "LobbyControl". Zudem fehle der Bundestagsverwaltung die Befugnisse, Verstöße effektiv aufzudecken und zu ahnden. "In Verdachtsfällen bleibt ihr oft nur die Möglichkeit, das Gespräch mit den Beteiligten zu suchen."
Zusammengefasst: Die Durchsetzung der neuen Lobby- und Korruptionsregeln ist oft zahnlos. Es fehlen Sanktionsmöglichkeiten und häufig auch der Wille, hart durchzugreifen. Die Verbesserungen der vergangenen Jahre sind aber bedeutend und weisen in die richtige Richtung. Regelverschärfungen zeitigen jetzt schon deutliche Verbesserungen. Würde "LobbyControl" Noten verteilen, wäre die Note für das Jahr 2024 wohl eine ordentliche drei.
Verwendete Quellen:
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.