Wieder ist ein Auto vor dem Londoner Parlament in Menschen gerast. Schlimme Erinnerungen an einen Anschlag im vergangenen Jahr werden wach. Die Polizei ermittelt wegen Terrorverdachts.
"Gehen Sie weg, gehen Sie doch endlich! Das ist besser für Sie, glauben Sie mir!" Eindringlich redet ein Polizist auf ein italienisches Touristenpaar ein, das am Dienstagmorgen unbedingt das Parlament in London besuchen will.
Doch den Westminster Palace sehen die beiden nur aus der Ferne - alles ist abgesperrt. Kurz zuvor ist ein Mann mit einem Auto in eine Sicherheitsbarriere vor dem Parlament gerast und hat drei Menschen verletzt. Terrorspezialisten von Scotland Yard ermitteln - die Polizei geht von einem Anschlag aus.
Hubschrauber kreisen über Westminster, schwer bewaffnete Polizisten sichern das Gebiet, Straßen werden für die Öffentlichkeit gesperrt. Eine junge Frau steht vor einem der Absperrbänder. "Ich warte hier auf meine Kollegen, wir arbeiten dort in der Behörde", sagt sie der Reporterin der Deutschen Presse-Agentur und zeigt auf ein Haus keine 20 Meter entfernt.
Vorfall weckt böse Erinnerungen
In ihr Büro darf sie nicht. Auch ein Handwerker steht ratlos vor einer Absperrung. "Nicht schon wieder", stöhnt er.
Der Vorfall weckt böse Erinnerungen. Es war der 22. März 2017, als in Großbritannien eine bis dahin beispiellose Terrorserie begann. Tatort des ersten Anschlags: die Westminster Bridge und das Parlament.
Ein Mann machte mit einem Fahrzeug in hohem Tempo gezielt Jagd auf Fußgänger auf der Brücke und erstach dann am Parlament einen Polizisten. Fünf Menschen starben. Der 52 Jahre alte Attentäter Khalid Masood wurde von Sicherheitskräften erschossen. Weitere Terrorattacken folgten - in der britischen Hauptstadt und in Manchester. Insgesamt starben 36 Menschen.
Polizisten ziehen nach dem Vorfall am Dienstag den Täter aus seinem silberfarbenen Auto. Der Mann sei mit hohem Tempo - "vielleicht 60 bis 80 Kilometer" - in eine Barriere gerast, berichtet ein Zeuge dem Sender BBC. Auf Fernsehbildern sind auf dem Boden liegende Radfahrer zu sehen. Zwei Menschen müssen ins Krankenhaus gebracht werden. In Lebensgefahr befand sich den Rettungskräften zufolge aber niemand.
Der Inlandsgeheimdienst hatte in den vergangenen Monaten wiederholt vor einer Terrorgefahr gewarnt. Binnen eines Jahres verhinderten die Spezialisten mehrere Attacken - eine sogar gegen Premierministerin Theresa May.
Der Geheimdienst führt derzeit etwa 500 Ermittlungen durch, die 3000 Extremisten betreffen. Nie war die Gefahr durch Islamisten so groß wie jetzt, warnte der Chef der Behörde und prangerte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als Antreiber an.
Im aktuellen Fall verhalte sich der Täter unkooperativ, teilt ein Sprecher von Scotland Yard mit. Der Mann Ende 20 arbeite nicht mit der Polizei zusammen. Er scheint ein Einzeltäter zu sein.
Britischen Medien zufolge kommt der Mann aus dem Raum Birmingham. Die Stadt und ihr Umland gelten als Schwerpunkt der radikalen Islamistenszene neben dem Großraum Manchester und Teilen Londons.
Parlament von Barriere umgeben
Das Parlament ist seit dem Anschlag im März 2017 von einer Barriere aus Stahl und Beton umgeben - möglicherweise wurde dadurch Schlimmeres verhindert. Auch an anderen Stellen der Hauptstadt sind inzwischen die Sicherheitsvorkehrungen erheblich verstärkt worden.
"Wir ändern jetzt unsere Pläne und machen einen großen Bogen um diese Gegend", sagt ein Familienvater aus Stuttgart der dpa. Er verbringt die Sommerferien mit Tochter und Frau in England - einen Tag davon ist die Familie in London. Sie wollen jetzt über Umwege zur Tower Bridge. "Das ist ja wirklich kein Problem im Verhältnis zu dem, was die Menschen hier erleiden müssen."
Während viele Touristen geschockt an den Absperrungen stehen, nehmen die meisten Briten den neuen Vorfall nahezu gelassen. Sie folgen unaufgeregt den Anweisungen der Polizisten und drehen wieder ab.
Rund um das Parlament bildet sich ein Verkehrschaos. Tausende Radfahrer und Autos versuchen, das abgesperrte Gebiet zu umgehen. "Wo machen wir jetzt unsere Besprechung?", fragen zwei Briten und machen sich daran, per Handy ihre Kollegen in der Umgebung zu erreichen. © dpa
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