Ein Georgier wird mitten in Berlin von einem Russen erschossen. Die Bundesanwaltschaft hat nun expliziert die russische Regierung als Auftraggeber hinter dem Mord benannt. Die Reaktion der Bundesregierung auf die Anklage kommt prompt - und fällt harsch aus.
Aus Sicht der Generalbundesanwalt ist der Urheber hinter dem Mord im Zentrum von Berlin eindeutig: "Staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation (erteilten) dem Angeschuldigten den Auftrag, den georgischen Staatsangehörigen tschetschenischer Abstammung Tornike K. zu liquidieren." So steht es in der Anklageschrift.
Wegen dieses mutmaßlichen Auftragsmords der russischen Regierung droht die Bundesregierung nun Moskau mit neuen Sanktionen. "Das ist sicherlich ein außerordentlich schwerwiegender Vorgang", sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag in Wien. "Die Bundesregierung behält sich weitere Maßnahmen in diesem Fall ausdrücklich vor."
Ein Regierungssprecher teilte mit, dass die Anklage schwerwiegende Anschuldigungen im Hinblick auf die Beteiligung staatlicher russischer Stellen enthalte. "Die Bundesregierung nimmt diese sehr ernst."
Opfer mit drei Schüssen niedergestreckt
Die Bundesanwaltschaft geht nach monatelangen Ermittlungen davon aus, dass der Mord am 23. August vergangenen Jahres an dem Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin von der russischen Regierung in Auftrag gegeben wurde. "Hintergrund des Tötungsauftrags war die Gegnerschaft des späteren Opfers zum russischen Zentralstaat, zu den Regierungen seiner Autonomen Teilrepubliken Tschetschenien und Inguschetien sowie zu der pro-russischen Regierung Georgiens", hieß es zur Begründung der Klage, die vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts in Berlin erhoben wurde.
Das 40-jährige Opfer war mit drei Schüssen niedergestreckt, der tatverdächtige Russe Vadim K. alias Vadim S. noch am Tag des Attentats gefasst worden. Zeugen hatten beobachtet, wie er eine Perücke sowie ein Fahrrad und eine Waffe in der Spree versenkte. Der Mann sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Mordauftrag vor dem 18. Juli 2019 erhalten
Der mutmaßliche Täter habe den Auftrag zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 18. Juli 2019 erhalten, erklärte die Bundesanwaltschaft. Danach sei er von Moskau nach Paris und dann weiter nach Warschau geflogen. Von dort machte er sich am 20. August auf den Weg nach Berlin.
Zur Einreise nutzte er laut der Anklagebehörde falsche Papiere, die erst kurz zuvor ausgestellt worden waren. Bei der Tat näherte sich der Russe dem Opfer mit einem Fahrrad. Der erste Schuss, der den Georgier seitlich am Oberkörper traf, brachte das Opfer zu Fall. Der mutmaßliche Täter soll ihm dann noch zweimal in den Kopf geschossen haben.
Wieso der mutmaßliche Täter den Auftrag für den Mord angenommen hat, ist der Anklagebehörde nicht ganz klar. "Entweder erhoffte er sich eine finanzielle Entlohnung oder er teilte das Motiv seiner Auftraggeber, einen politischen Gegner zu töten und hierdurch Vergeltung für die Beteiligung an früheren Konflikten mit Russland zu üben."
Mord löste diplomatische Verwerfungen zwischen Berlin und Moskau aus
Der mutmaßliche Auftragsmord hatte erhebliche diplomatische Verwerfungen zwischen Deutschland und Russland ausgelöst. Wegen angeblich fehlender Bereitschaft Russlands, bei der Aufklärung der Tat zu helfen, hatte die Bundesregierung zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Moskau hatte mit der Ausweisung zweier deutscher Diplomaten reagiert. Den Ermordeten hält die russische Regierung für einen Verbrecher. Präsident Wladimir Putin hatte ihn im Dezember auf einer Pressekonferenz in Anwesenheit von Kanzlerin Angela Merkel als "Banditen" und "Mörder" bezeichnet.
Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, wurde am Donnerstag wegen des Falls in das Auswärtige Amt einbestellt. Dieser Schritt sei erfolgt, "um der russischen Seite unsere Haltung noch einmal unmissverständlich darzulegen", sagte
Im Juni hatte das Justizministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken erklärt, dass es immer noch keine Kooperation der russischen Seite in dem Fall gebe. Zwei Rechtshilfeersuchen der Berliner Staatsanwaltschaft vom Dezember 2019 seien "von der Russischen Föderation bislang inhaltlich nicht beantwortet" worden. Medienberichten zufolge soll der mutmaßliche Attentäter enge Kontakte zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gehabt haben. © dpa
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