- In der Coronakrise gab Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lange den Ton vor.
- Inzwischen kritisiert die Opposition den CSU-Politiker für einen zu zögerlichen Kurs.
- Wird Söder für die Union als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen?
Die Corona-Pandemie ist ein Härtetest und ein Schaulaufen der Politik: Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, Ministerinnen und Minister müssen sich seit Monaten im Krisenmanagement bewähren – und stehen dabei unter ständiger öffentlicher Beobachtung.
Für
Söder hat in der Corona-Pandemie Maßnahmen schnell angeordnet
"Söder hat in der Pandemie häufig etwas veranlasst, während andere noch gezögert haben – und in dieser Situation ist es sicherlich sinnvoll, Maßnahmen schnell zu ergreifen", sagt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, im Gespräch mit unserer Redaktion. Söder sei ein Macher, und dabei sei er gerne schneller als andere. "Das passt auch zum Selbstverständnis des Freistaats Bayern im Föderalismus: Die Bayern sind der Auffassung, dass sie vieles besser hinbekommen als andere Länder."
Inzwischen wirkt der Macher allerdings zögerlicher. Anfang Dezember erließ Baden-Württemberg nächtliche Ausgangsbeschränkungen für Corona-Hotspots – Bayern zog erst in dieser Woche nach. Das stark von der Pandemie betroffene Sachsen lässt schon vom 14. Dezember an Schulen und Geschäften schließen.
Söder hat am zweiten Advent zwar einen Zehn-Punkte-Plan verkündet. Doch der brachte nicht nur nach Meinung der Opposition kaum Änderungen am Status Quo. "Konsequent ist nur die Inszenierung seiner Person, nicht seine Politik", sagte der bayerische Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann.
Pannen bei der Umsetzung
Der bayerische Ministerpräsident weiß, wie er seine Politik in Szene setzen kann. Für seinen Zehn-Punkte-Plan hatte er extra eine sonntägliche Kabinettssitzung anberaumt. Das sei "ein typischer Söder", sagt Politikwissenschaftlerin Münch: "Man hätte diesen Plan auch schon am Freitag zuvor auf den Weg bringen können. Söder weiß aber, dass die Aufmerksamkeit am Sonntag größer ist als am Freitagnachmittag."
Münch bezeichnet es als Söders Schwachstelle, dass er nicht immer berücksichtigt, wie Maßnahmen umgesetzt werden. "Dafür müssen auch die Ausstattung und das Personal vorhanden sein." Als die Sommerferien zu Ende gingen, preschte Söder zum Beispiel vor und beschloss, dass alle Reiserückkehrer an den Grenzen getestet werden.
Es stellte sich aber heraus, dass das auf die Schnelle nicht reibungslos zu organisieren war, Tausende Testergebnisse konnten nicht übermittelt werden. Die Verantwortung dafür musste Gesundheitsministerin Melanie Huml übernehmen. "Es ist typisch Söder, wenn er zu seinen Ministern sinngemäß sagt: 'Ich ordne an – und ihr müsst sehen, wie das klappt'", sagt Münch.
Weiterhin hohe Infektionszahlen im Freistaat
Noch etwas kratzt am Macher-Image: Trotz Söders Rolle als harter Corona-Bekämpfer sind die Infektionszahlen im Freistaat weiter hoch: Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 188 täglichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner weist Bayern nach Sachsen und Thüringen den dritthöchsten Wert unter den Ländern auf. "Bayern ist von der Pandemie nach wie vor am stärksten betroffen und auch die neuesten Maßnahmen sind nicht konsequent, sondern bleiben Stückwerk", kommentierte unlängst die "Süddeutsche Zeitung".
Allerdings haben viele Deutsche weiterhin eine hohe Meinung vom bayerischen Landeschef. Im aktuellen ZDF-"Politbarometer" liegt er auf Platz vier der beliebtesten Politiker. Mitte November sagten dort 58 Prozent der Befragten, dass sie Söder auch die Kanzlerschaft zutrauen – ein deutlich höherer Wert als für die drei Aspiranten auf den CDU-Vorsitz.
Ein politisches Talent – aber kein "Moderator"
Könnte Söder aus dem Corona-Härtetest also weiterhin als Kanzlerkandidat der Union für die Bundestagswahl im kommenden Jahr hervorgehen? Politikwissenschaftlerin Münch will sich noch nicht mit einer Einschätzung festlegen. "Ich erkenne bis jetzt nicht, warum die CDU ihm die Kanzlerkandidatur antragen sollte", sagt sie.
Es sei allerdings möglich, dass die Wahl des CDU-Vorsitzenden im Januar so knapp ausgeht und sich die Partei so stark zerstreitet, dass sie doch auf ihn zukommen muss. "Auch wenn wider Erwarten Norbert Röttgen gewinnen sollte, sähe es ein bisschen anders aus."
Münch ist allerdings auch skeptisch, ob Söder selbst sich diesen Schritt zutrauen würde: Die Koalitionsbildung im kommenden Jahr werde wahrscheinlich sehr schwierig. "Söder ist sicher ein großes, politisches Talent, aber er ist eher kein moderierender, integrierender Politiker. Ob er dafür der Richtige ist, lässt sich bezweifeln."
Verwendete Quellen:
- Forschungsgruppe Wahlen: Politbarometer November I 2020
- Forschungsgruppe Wahlen: Politbarometer Dezember 2020
- Robert-Koch-Institut: Covid-19 Dashboard
- Süddeutsche Zeitung vom 8. Dezember 2020: Große Worte, kleine Taten
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