Er ist Stein des Anstoßes im Asylstreit, dabei kannte ihn kaum jemand: Seehofers "Masterplan". Nun soll das bisher geheime Papier in der Welt sein. Irritierend aber, dass sogar das Bundesinnenministerium dementiert, dass es sich dabei um die offizielle Version handelt.

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Bis zuletzt war der "Masterplan Migration" nur einem engen Personenkreis bekannt. Dem CDU-Vorstand lag das Streitobjekt auch am Sonntag weiterhin nicht vor.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuletzt erklärt, sie stimme mit 62,5 der 63 darin enthaltenen Punkte überein.

Am Sonntagnachmittag hatte Seehofer eine Version dem CSU-Vorstand vorgelegt, der diese absegnet hatte. Nun kursiert wohl exakt jene Version plötzlich auch öffentlich - und stiftet prompt neue Verwirrung.

Denn eine Sprecherin des von Seehofer geleiteten Bundesministeriums des Inneren (BMI) sagte am Montag, dass Seehofer das Papier "als CSU-Vorsitzender und eben nicht als Bundesminister des Inneren" vorgelegt habe.

Das BMI arbeite an einer offiziellen Version. "Es wird ein Masterplan erarbeitet und auch laufend fortgeschrieben und weiter abgestimmt (...) und der wird vorgestellt durch das BMI, wenn er vorgestellt wird."

Was in Seehofers "Masterplan" steht

Dem gegenwärtig in Umlauf befindlichen Papier vorangestellt ist eine Präambel, in der Seehofer Leitlinien seiner Asylpolitik umreißt. "Erfolgreiche Integration kann nur gelingen mit einer Begrenzung der Zuwanderung", heißt es darin.

Das Papier spricht zudem von einer "Balance aus Hilfsbereitschaft und den tatsächlichen Möglichkeiten unseres Landes".

Dazu kommt noch: "Das Ersuchen um humanitären Schutz und das Begehen von Straftaten schließen sich grundsätzlich aus."

Schon an diesen Punkten wird klar: Seehofer will die Gangart gegenüber Schutzsuchenden verschärfen.

Einzelne Maßnahmen aus dem "Masterplan Migration"

Kernpunkte von Seehofers Plan sind mehr Geld für die Aufgaben in der Flüchtlingspolitik sowie eine zentrale Unterbringung von Flüchtlingen.

  • Für das Innenministerium verlangt der Ressortchef zusätzliche Mittel in Millionenhöhe: Zur Ausbildung und Ausstattung der Polizei in Herkunfts- und Transitländern von Migranten fordert er 6 Millionen Euro, außerdem als Sondertatbestand bis 2020 jeweils 0,5 Millionen Euro pro Jahr. Außerdem will Seehofer stärker auf Mittel des SPD-geführten Auswärtigen Amtes zugreifen. Für den Etat von CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller soll es mehr Geld geben als bislang eingeplant.
  • Seehofer skizziert auch Details der von ihm geplanten Ankerzentren (Anker steht für Ankunft, Entscheidung und Rückführung), die allerdings schon weitgehend bekannt waren. So sollen dort verschiedene Behörden vor Ort Hand in Hand arbeiten, das gesamte Asylverfahren soll dort durchlaufen werden. Die Aufenthaltspflicht soll maximal 18 Monate betragen, für Familien 6 Monate.

Der "Masterplan" listet eine ganze Reihe an Verschärfungen für Schutzsuchende auf.

  • Seehofer will die aktuellen Möglichkeiten für Rechtsmittel im Asylverfahren auf den Prüfstand stellen. Auch eine mögliche Beteiligung von Schutzsuchenden an Gerichtskosten bringt er ins Spiel. Verfahren sollen mithilfe von Gesetzesänderungen beschleunigt werden.
  • Der Plan sieht eine Ausweitung der Abschiebehaftplätze vor. "Um der aktuellen Notlage bei Abschiebehaftplätzen zu begegnen" sollte die "Trennung von Abschiebungsgefangenen und anderen Häftlingen" vorübergehend ausgesetzt werden, heißt es in dem Papier. Die Bundesländer sollten zum "Ausbau ausreichender Haftplätze" angehalten werden. Zudem soll die Schaffung eigener "Gewahrsamseinrichtungen" des Bundes an Verkehrsflughäfen insbesondere für Sammelabschiebungen geprüft werden.
  • "Wer sein Aufenthaltsrecht dazu missbraucht, um Straftaten zu begehen, muss unser Land verlassen", steht in dem Papier. Das gesetzliche Mindeststrafmaß für die Ausweisung solle überprüft werden. Rechtskräftig verurteilten Straftätern droht der Widerruf ihres Schutzes in Deutschland, ebenso Menschen, die zurück in die Heimat reisen, obwohl sie dort nach eigenen Angaben bedroht sind. "Bei Heimataufenthalten während des laufenden Asylverfahrens gilt in diesen Fällen der Asylantrag als zurückgenommen", heißt es weiter.
  • Der Übergang von Asylbewerbern in die höhere Sozialhilfe würde den Plänen zufolge nicht schon nach 15, sondern erst nach 36 Monaten erfolgen. Wer nicht wie vorgeschrieben an Integrationskursen teilnimmt, müsste schärfere Sanktionen fürchten.
  • Wer keine Ausweispapiere vorlegt, hat künftig schlechte Karten. In dem Konzept ist die Rede von der "Knüpfung von staatlichen Erlaubnissen und Leistungen an das Vorliegen von gültigen Reisedokumenten".

Zum Teil überschneiden sich die Vorstellungen Seehofers mit Beschlüssen des EU-Gipfels aus der vergangenen Woche.

  • So schreibt der Minister von "Sicheren Orten" unter anderem in Nordafrika - dorthin könnten im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge zurückgebracht werden.
  • Zum Stellenwert der EU steht in dem Papier: "Je weniger das gemeinsame europäische Asylsystem leisten kann, desto mehr gewinnen nationale Maßnahmen und ihre Wirksamkeit an Bedeutung."
  • Die Gespräche mit anderen EU-Staaten zur Rücknahme von Asylbewerbern sollen intensiviert werden. Sonst sollten - insbesondere bei einer erneuten illegalen Rückkehr nach Deutschland - "innerstaatliche Maßnahmen" ergriffen werden. Zudem heißt es: "Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind."

Dieser Punkt - Nummer 27 von 63 - ist der Knackpunkt im Asylstreit zwischen Seehofer und Merkel; die Kanzlerin lehnt nationale Alleingänge ab und hat nach eigenen Angaben von zahlreichen europäischen Staaten politische Zusagen erhalten, dass im Laufe des Juli bilaterale Rückführungsabkommen geschlossen werden können.

Damit hält sie eine "Zurückweisung von Schutzsuchenden" (heißt im Klartext: Schließung der Grenze) für unnötig - weswegen sie schon zuvor dem "Masterplan Migration" einen Riegel vorgeschoben hatte. (cai/dpa)

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