Ungarn zeigt Flüchtlingen die kalte Schulter: ein Grenzzaun, massive Propaganda, scharfe Asylgesetze. Menschenrechtlern zufolge lässt das Land Migranten außerdem hungern, um sie zur Ausreise zu bewegen.

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In Ungarn werden Asylsuchende einer Menschenrechtsorganisation zufolge durch Nahrungsentzug dazu gedrängt, auf ihren Asylantrag zu verzichten. Die Maßnahme treffe jene Flüchtlinge, deren Asylantrag in erster Instanz abgelehnt wurde und die dagegen Berufung einlegen, erklärte am Freitag das Ungarische Helsinki-Komitee in Budapest.

Diese Personen würden in den geschlossenen Transitzonen an der ungarisch-serbischen Grenze untergebracht, wo einige von ihnen kein Essen bekämen. Es stehe ihnen aber frei, nach Serbien zu gehen. Dies teile das ungarische Amt für Immigration und Asyl den Betroffenen mit.

Familie beim Essen getrennt

Das Helsinki-Komitee habe über seine Rechtsanwälte bisher erreicht, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg den ungarischen Staat zu vorübergehenden Erleichterungen für sechs betroffene Asylsuchende verpflichtet.

Es bedeute, dass diese Menschen in den Transitzonen mit Nahrung versorgt werden. Die entsprechenden EGMR-Entscheidungen seien am 10. und am 16. August dieses Jahres gefallen.

Bei den sechs Betroffenen handelt es sich nach Angaben des Helsinki-Komitees um drei Männer und eine Frau aus Afghanistan, die sich auf zwei Familien verteilen, sowie um zwei Brüder aus Syrien.

In einem Fall wurde dem afghanischen Familienvater die Nahrung verweigert, während seine stillende Frau und die weiteren Kinder Nahrung erhielten. Die Nahrungsvergabe an die Kinder und die Frau sei in von den Männern getrennten Räumen erfolgt, um zu verhindern, dass die Kinder und Frauen den Männern etwas von ihrem Essen abgeben.

EU-Kommission führt Rechtsstreit mit Ungarn

Der Leiter des Flüchtlingsprogramms beim Helsinki-Komitee, Andras Lederer, rechnet mit weiteren ähnlichen Fällen, denn es sei zu erwarten, dass Ungarn weitere Asylanträge ablehne. "Gerade heute Morgen hatten wir einen weiteren Fall", sagte Lederer der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Es ist eine afghanische Familie mit zwei kleinen Kindern. Eines ist anderthalb Jahre alt, das andere ist fünf Monate alt und wird von seiner Mutter gestillt. Mutter und Kinder bekommen Nahrung, aber der 26-jährige Vater nicht."

Sein Gremium will auch diesen Fall beim EGMR vorbringen. "Ich hoffe, dass das EGMR spätestens an diesem Montag entscheidet. Und dass der Familienvater doch noch heute Abend etwas zu essen bekommt", sagte Lederer weiter.

In Ungarn ist seit dem 1. Juli dieses Jahres ein verschärftes Asylrecht in Kraft, wonach Asylanträge von Flüchtlingen, die aus sicheren Drittstaaten kommen, automatisch abgelehnt werden. Das Nachbarland Serbien wird dabei als sicheres Drittland eingestuft.

Diese Neuregelung ist einer der Gründe für das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, das die EU-Kommission am 19. Juli gegen Ungarn eingeleitet hat. Angewendet würden dessen Bestimmungen erst seit Mitte August, berichtete das Helsinki-Komitee.   © dpa

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